Donnerstag, 1. März 2012

Unterwegs mit egomanischen Quasidreijährigen

Langer Tag. Heute Ali gefragt, ob er einmal mit mir spricht, warum das gestern im Zuckermuseum so eine Katastrophe war, dieses Sich-Abwenden, Sich-Verweigern.
Er stimmte zu. Erzählte auf mein Fragen, dass er sich oft müde fühlt, weil er abends spät ins Bett geht. Dass er abends viel mit der Playstation spielt und am Computer. Warum er gestern nicht zuhören konnte? Ich kann nicht so lange ruhig stehen, sagte er, so einfach im Raum stehen, da muss ich mich bewegen, da zappelt alles in mir. So ähnlich sagte er es. Klar, da denkt man gleich an ADHS und Ritalin. Ich habe Erfahrungsberichte gelesen von Betroffenen, die erstmals zuören konnten und darüber ganz glücklich waren. Trotzdem habe ich Schwierigkeiten, so etwas zu empfehlen. Aber vielleicht kann man einmal  eine Diagnostik machen.
Wir waren im Computerraum. Haben gefragt, ob es eine Möglichkeit für ihn gibt, seine Rechtschreibübungen am Laptop zu machen. Es gibt sie.
Ali kann sich nicht vorstellen, was später einmal sein könnte. Die Männer in seiner Familie oder die er sonst kennt, arbeiten als Koch. Ob die Anwesenheit der anderen Jungen es für ihn schwerer macht, aufzupassen, dass er dann immer Späße machen will oder muss? Ja, das sei so. Weil er oft bessere Ergebnisse hatte, wenn er allein drüben war. Ob er auch einmal von selbst nach drüben ginge, wenn er merkt, dass er in der Gruppe zu zappelig wird? Ja, das wolle er versuchen. 
Morgen holen wir den Laptop. Die anderen Kinder werden schwer Augen machen...
Den Ausflug mit der halben Gruppe ins Naturkundemuseum hatte ich mir anders vorgestellt, entspannter. Es waren sechs Jungen und vier Mädchen. Vier der sechs Jungen eckten ständig an, hatten keine soziale Aufmerksamkeit, waren mit ihren "Spielchen" untereinander so stark beschäftigt, dass sie  sich nicht angemessen verhalten konnten. Messi kaute dauernd Kaugummi, behauptete aber immer, da sei kein Kaugummi. Man konnte aber, wenn er sich unbeobachtet glaubte, sehen, dass er Kaugummi kaute. Frontal angelogen. Ich.
Als wir die Jacken abgelegt hatten, verschwanden die vier wie auf ein Zeichen im Herrenklo. Ahnungsvoll öffnete ich die Tür und musste sehen, wie Mesut schreiend und hektisch auf den Seifenspender einhaute, dass die Seife nur so spritzte und die anderen laut lachend drumherum standen.
Später kamen genau diese Jungs und zeigen ganz atemlos einen Bereich, der wirklich etwas Phantastisches hatte: Eine Stadt aus Formalingläsern, in denen Tiere waren. Besonders die Gesichter der Rochen hatten es ihnen angetan.
Dieser hier war "Der Chinese":

Wir bewunderten alles ausführlich.


Da stand eine Gruppe. Ein Herr stellte eine Frage nach Tieren, die sich vom Wasser schon gelöst hatten, ihre Eier aufs Land legten, Schlangen, Schildkröten gehörten dazu, das Wort finge mit "R" an..."Reptilien" schallte es von uns aus fröhlich hinüber und ein paar Jugendliche lachten.
Dann gibt es wieder diese Momente, wo diese Jungen so unglaublich aufdrehen, dass mir beim Gedanken an unsere Klassenfahrt (Eine Woche ohne Fluchtmöglichkeit!) ganz schlecht wird.
Mit Bastian geriet ich ganz aneinander. Er hatte nur Blödsinn im Kopf, ging körperlich an die anderen heran, Mesut genauso, nur Bastian schrie immer herum, alle würden so was machen und nur bei ihm würde ich immer hinsehen, jaja. Er war ja gestern schon so unterirdisch schlimm gewesen, ich hatte ihm angekündigt, ihn heute nicht mitzunehmen, woraufhin er sich entschuldigt hatte. Ich Blödfrau hatte das auch noch angenommen und hatte dadaurch heute den Salat wieder. Irgendwann hatte er überzogen mit seinem unangemessenen und offensiven Verhalten, das er beim Erwischtwerden mit lautem Jammern kontrastiert: Der nächste Ausflug findet definitiv ohne ihn statt.
Die Mädchen fielen gar nicht auf. Sally stand alleine da, da holten wir uns eine Audioführung, die gibt es da sogar in Kindersprache. Es gefiel ihr sehr gut.
Hier ist Sally mit dem berühmtesten Fossil der Welt, dem Archaeopteryx, zu sehen.

Auf dem Rückweg stand Mario mitten auf der Straße, die Straßenbahn fuhr heran, er nahm es gar nicht wahr,  so sehr in seine Phantasien verstrickt. Die Gruppe vor ihm hatte es noch auf den Gehweg geschafft, er stand dahinter. Statt seitwärts zu gehen und sich in Sicherheit zu bringen, stand er da mitten auf dem Damm und guckte nicht links und nicht rechts, als die Straßenbahn es haben ihn irgendwelche aufmerksamen weiblichen Wesen anscheinend bislang so sehr bemuttert, dass er voll darauf vertraut, dass irgendeine Hand ihn aus der Gefahrenzone zieht, die ihn eigentlich auch nicht wirklich interessiert. Ein elfjähriger Junge!
Ich bin mir nicht so sicher, ob es richtig war, auf Marios Hinweis mit dem Sachen-Bewundern so stark einzugehen, dass wir noch einmal hingefahren sind.
Ich bin mir wirklich nicht sicher. Jedenfalls hatte ich mir das leichter vorgestellt.
Nach dem Ausflug habe ich mit den Jungen noch einmal gesprochen. Ich will nicht von meinen Ansprüchen auf ein einigermaßen zivilisiertes und rücksichtsvolles Verhalten heruntergehen.
Warum diese Kinder sich verhalten wie dreijährige Egomanen, ich weiß es nicht. Sie müssen in ihren Familien doch auch soziale Situationen zu bewältigen haben, nein?

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