Freitag, 2. März 2012

Dann war die Stimme weg..

Pünktlich zum Wochenende kommt die Erkältung. Sauber. Erfuhr gestern von meiner Kollegin, dass sie zwei Wochen lang krank ist. Da werde ich Mathe machen müssen..
Kam heute also zu acht Uhr und hielt die erste Stunde, bereitete die zweite zur Vertretung vor, denn ich hatte ja das Gespräch mit Peters Mutter. Peter bat ich dazu, zumindest für den ersten Teil. Es gefällt mir nicht, wenn da drei Frauen sitzen und sich den Kopf zerbrechen und der Betroffene sich damit gar nicht auseiandersetzen muss. Nun hatte ich ihm ja für jeden Tag ein Stück Text aus seinem ausgeliehenen Buch leise und zum Teil laut zu lesen aufgegeben. Vorgestern hatte er sich  das Buch ausgeliehen. Als ich ihn gestern zum Lesen bat, klang das aber gar nicht geübt. Er habe es noch schnell vor dem Einschlafen gelesen. Hatte nichts behalten und das laute Lesen ging außerordentlich holprig. Wann das denn gewesen sei? So um 22 Uhr. Hmm.
Heute fragte ich ihn auch nach seinem Text. Er habe das Buch leider unter der Bank vergessen. Wo denn der Ersatzlesetext sei. Der was?  Der Ersatzlesetext. Du wirst doch zu Hause irgend etwas zum Lesen haben, das Du anstelle des vergessenen Buches üben konntest? Die Idee war ihm nicht gekommen. Also, Freundchen, dachte ich, dann kommst Du mal am besten gleich mit zum Gespräch.
Dort erfuhr ich, dass Peter in den Naturwissenschaften so gut geworden sei. Warum er dann im Deutschen noch so schlecht sei.
Also erst einmal klarstellen, dass die Tatsache, dass er jetzt auf "Gut" steht, wo er vorher "Befriedigend" gewesen war, darauf zurückzuführen ist, dass er einen guten Unterricht erhalten hat, ihn anzunehmen wusste und dass die Lehrerin dabei nicht zu sehr auf die Rechtschreibfehler geguckt hat bei der Bewertung. Sie wollte ihn auch stärken und ermutigen und hat ihm deshalb eine glatte "2" gegeben. Wie wäre es, wenn man sich darüber einfach einmal freut?

Nun ist zu bemerken, dass im gleichen Moment die Ansprüche im Fach Deutsch hoch gehen. Jedoch: bei der Sprache verhält es sich anders als bei der Mathematik und den Naturwissenschaften. Hier ist die Bildung, die die Familie dem Kind in der Muttersprache zukommen lässt, entscheidend. Ob sie mit ihm in arabisch alles differenziert besprechen, sachliche und sprachliche Dinge, wie oft sie zu Hause in Büchern lesen, auch vorgelesen habe vor dem Einschlafen, ins Museum gingen etc. 

Es gibt eine Untersuchung, die besagt, dass manche Kinder in ihrem bisherigen Leben etwa zwanzig Mal vorgelesen bekamen, andere etwa 7000 Mal. Es ist klar, dass diese Kinder mündlich, schriftlich und sachlich viel höhere sprachliche Fähigkeiten haben als die anderen. Wollte sagen: Entscheidend ist das Elternhaus. Trage ihr meine Leseversuche vor, mache sie damit bekannt, bitte sie, täglich mit Peter  zu üben.
Mit ihm täglich zu sprechen. das muss nicht auf deutsch sein. Doch kann ein Kind in der zweiten Sprache nicht differenziert sprechen und schreiben, wenn es die erste nur rudimentär beherrscht.
Meryem übersetzt sehr gut und gründlich. Doch die Mutter will eine Nachhilfe.
Freitags will unsere Lesepatin zwei Stunden Rechtschreibtraining mit Peter machen. Sie wolle mit ihm regelmäßig üben, wolle jemandem nützlich sein, hatte sie gesagt.
Sicher könne die Mutter auch eine Schularbeitshilfe beim Jugendamt beantragen. Man merkte, dass sie dieses wollte.

Noch ein Versuch, ihr deutlich zu machen, dass sie selbst viel tun kann und dass sie es versuchen solle. Es verbindet sie auch mehr mit ihrem Kind, wenn sie eine gemeinsame Anstrengung unternehmen. Sie übt lesen, spricht viel mit ihm, auch über die Vögel und die Bäume und Gottweißwasnichtnochalles. Es kam durch Meryem heraus, dass er von dem Arabisch zu Hause große Teile nicht versteht. Wieso fragt er nicht? Wieso erklären die Großen ihm nicht alles, was er nicht versteht? Und bitte, es mögen die Mutter tun und der Vater, nicht die Schwester. Peter saß dabei.

Ich habe einmal auf einer Sprachenschule ein wenig türkisch gelernt, für ein halbes Jahr. Meine Kenntnisse reichten aus, um zu bemerken, dass meine Schüler und ihre Erwachsenen zu großen Teilen nicht konjugierten oder deklinierten, kaum Wortschatz hatten. Sie werden dann auch im Deutschen nicht verstehen, warum man das macht, weil sie die Analogie nicht bilden können. Zum Wortschatz: Ganz oft "Sey(Schey)" für "Sache" statt der jeweiligen Wörter.
Sozusagen doppelte Halbsprachigkeit kommt dabei heraus.

Zum einen wollte ich die Ansprüche der Mutter realistisch halten, indem ich ihr sagte, was die Schule nicht kann und dann, was die Schule tun kann. Dass es aber unsere gemeinsame Sache ist, die man nicht an fremde Personen abgeben kann. Zum anderen wollte ich ihr Engagement und auch das seine stärken, sich für den eigenen Weg aktiv einzusetzen, ehe man sich Helfer holt, die viel Geld kosten.

Ich habe das alles so gesagt, ganz nett und verbindlich, aber immerhin. Ich glaube, es ist auch etwas angekommen.
Wir haben beschlossen es so zu machen mit dem Lesen, mit der Lesepatin und uns nach den Osterferien noch einmal zum Gespräch zu treffen.
Vielleicht machte es auf Peter auch einen Eindruck, dass wir so intensiv mit ihm und über ihn sprachen. 

Dann setzte Meryem noch nach und fragte nach der Zeit, um die Peter abends ins Bett geht. Sie meinte, man sieht ihm an, dass er müde ist. Da war Peter schon gegangen. Um 11 Uhr bis halb 12 Uhr, Mitternacht!!! Regelmäßig. Da nahm sie die Mutter ins Gebet, das war richtig gut und klar. Dann bat die Mutter mich, ihm das noch einmal zu sagen, wann er im Bett sein müsse. Ich meinte, ich kann das tun, aber sie sind die Erwachsenen, die Eltern, sie müssen bestimmen, wann das Kind ins Bett geht.

Dann noch zwei Stunden, und noch den Laptop für Ali abholen. Dass die Schule so eine Hardware für einen einzelnen Schüler bereitstellen kann und will, toll. Das ist nicht nichts.
Na ja, und dann war die Stimme weg...

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