Montag, 19. März 2012

Nein sagen

Liebe Schulleitung,

es war heute im Haus zu hören, dass bei Euch Unmut dagewesen sei über Klassenlehrer, die nicht am Freitagnachmittag beim Frühlingsfest ihre Klasse betreut hätten; die nicht anwesend gewesen seien.
Dies betrifft auch mich.
Seit zwei Wochen halte ich "die Stellung" allein in der Klasse. Alle meine Förderstunden halte ich mit der gesamten Schülerschaft. Soll Fächer unterrichten, die ich nicht gelernt habe. Gleichzeitig soll ich den Lehrplan erfüllen, der da heißt, alle angemessen auf ihrem Niveau beschulen, vom Sonderschüler bis zum Hochbegabten. Förderlehrer, die mich unterstützen, habe ich in dieser Zeit und schon vorher auf weiter Flur praktisch keine mehr gesehen. Auch die Erzieherin ist oft in anderen Gruppen eingesetzt.
Ich hatte eine Erkältung, deren Spitze ich mit meinen Freiberufler-Methoden mit zwei Fehltagen abmildern konnte. Seitdem trage ich mich mit einem langanhaltenden Husten, der nicht gehen will.
In der letzten Woche gab es eine Konferenz, so dass mein Schultag bis 19.15 Uhr dauerte, von 7 Uhr morgens. Am Tag danach war ich mit der Islamischen Religionsgruppe und dem anderen Teil der Klasse in einer Ausstellung "Roads of Arabia", ein Gemeinschaftsprojekt mit der Religionslehrerin, wo ich vier Zeitstunden länger gearbeitet habe als eigentlich vorgesehen.
Auf der Konferenz haben wir ein Buffet "gestemmt", um Geld für unsere Klassenfahrt im Juni einzunehmen. Während dieser Zeit funktionierte auf Grund von Treppenarbeiten der Fahrstuhl nicht. Jede Schüssel fürs Buffet musste über lange labyrinthische Wege von Hand getragen werden. Zusätzlich gab es tagelang Bohrlärm im Hundert-Dezibel-Bereich und gesundheitlich schädlichen Feinstaub in der Luft.
Am Freitag habe ich zwei Schulstunden, von 10 bis 12 Uhr. Am Freitag war eine Professorin der Studentin da, die ich während eines Praktikums zusätzlich vier Wochen betreut habe. Ich fühlte mich krank und erholungsbedürftig und habe mich bei den Veranstaltern des Frühlingsfestes entschuldigt. Meine Kräfte hätten nicht ausgereicht, den ganzen Freitag zu absolvieren bis 18 Uhr UND am Montag wieder verlässlich da zu sein. Das ganze Wochenende stand  im Zeichen von Gesundwerden und Regeneration. Wirkliche Erholung mit privaten Tätigkeiten war das nicht.
Ich bin 58 Jahre alt und befinde mich in meinem 37. Berufsjahr. Habe mich vor der Arbeit nie versteckt. Wohl aber bin ich der Meinung, dass im Beruf zunächst einmal die "Pflicht" abzuleisten ist, bevor man zur "Kür" mit Außenwirkung ansetzen kann. Im Mai ist Schulfest, das muss auch vorbereitet werden.
Ich habe in der letzten Woche 46 Wochenstunden gearbeitet, mit einem Wochenstundenanteil von 86 von 100 (24 von 28 Unterrichtsstunden). Ich war der Meinung, dass ich da auch eine Grenze ziehen darf.
Ich muss lernen, meine Kräfte realistisch einzuschätzen und, wenn meine Kräfte nachlassen, im Interesse meiner generellen Arbeitsfähigkeit auch einmal Nein zu sagen.
Das habe ich am Freitagnachmittag  gemacht. 
Ich möchte gerne wissen, ob dies von Euch als ein Versäumnis gesehen wird und ob ich mir in Euren Augen einen Vorwurf zu machen habe.

Viele Grüße
M.

P.S. Mir ist klar, dass in der so genannten freien Wirtschaft ein solcher Brief einen als "Arbeitnehmer" ins Abseits stellen würde. Doch diese ist für mich nicht unbedingt ein Vorbild.

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