Donnerstag, 8. März 2012

So ein toller Beruf!

Ganz schön erschöpft, aber auch sehr fröhlich innen drin. Was war? Sechs Stunden mit der vollen Gruppe. In der 3./4. Stunde hatte ich Unterstützung durch einen Förderlehrer. Zuerst kurz abgefragt, was gestern am Nachmittag noch so gewesen war. Aha: Bastian und Mario hatten sich einen Fight geliefert. Als Mario von der Erzieherin zur Rede gestellt wurde, weil er das nette Wort "Hurensohn" benutzt hatte, rastete er noch einmal aus, wieso sie so auf ihm herumhacken würde, das sei ein ganz normales Wort. Ich frage ihn, ob er sich hierzu noch einmal etwas überlegt habe. Nein, hat er nicht. Von erzwungenen oder in den Mund gelegten Entschuldigungen halte ich nicht viel. Gabriele, unsere Erzieherin, macht sich also Gedanken, wann sie die Mutter zum Gespräch bitten kann.
                                      Bilder: Alis Laptoptexte
Ich verteile noch die Elternbriefe, die ich heute früh geschrieben habe, eine Bitte um Sachspenden für die Lehrer-und Erzieherkonferenz am Dienstag. 
Man sehe mir die männliche Form nach, aber dieser ganze Genderquatsch geht mir immer sehr auf den Wecker. Ja, wir sind mehr Frauen als Männer, ja, es ist ungerecht, die männliche Form zu verwenden, aber ja, es ist auch unästhetisch, immer mit diesem Innen- und -innen-Kram zu kommen. Sprache ist Männersprache, das ist bekannt und gewachsener Ausdruck von Herrschaftsverhältnissen: Herr-herrlich, Dame-dämlich :-)  Ich ändere daran gar nichts, wenn ich  Sprache unaussprechlich mache.
Also, die Erzieher- und Lehrerkonferenz. Wir werden ein Buffet bereitstellen, um die Kollegen  bei den gewohnt spannenden Tagesordnungspunkten nach einem hammerharten Arbeitstag bei Laune und Kräften zu halten. Dazu benötigen wir essbare Köstlichkeiten wie Kuchen, Salat, Kizir, Börek, gefüllte Weinblätter etc., und Getränke. Von dem Erlös finanzieren wir die Fahrt der drei Kinder mit, denen es das Amt weder im Schlaf noch im Wachen gibt, sprich: Sie liegen knapp über der Zuwendungsgrenze und können kein Geld beantragen. Ganz oder gar nicht ist hier die Devise. Das ist doch wohl ein bisschen ungerecht.

Dann noch die Einladung zum Frühlingskonzert verteilt. Freitag, 16 Uhr. Ich habe der Kollegin im Lehrerzimmer erklärt, dass mir die Kraft fehlt, am Freitagnachmittag noch Kinder zu betreuen. Sie möge das bitte verstehen und sie werde es sicher verstehen, wenn sie selbst auf die Sechzig zugehe. Danke.

Dann in der Klasse die Fragebögen zum Urmenschen-Hörspiel von gestern verteilt. Hatte es abends noch brav durchgesehen. Da die Klasse weiß, wie ungern ich korrigiere, erhalte ich Applaus. Danke!

Morgen sind die erste und zweite Stunde frei. Frau Minna hat die beiden zusätzlichen Stunden nicht übernommen, bewegt sich zu sehr am Rand ihrer Leistungsfähigkeit, will nicht die Heldin spielen, um dann gleich wieder vertreten werden zu müssen.
Freude in der Klasse: Hurra, ausschlafen können!
Man sollte ohnehin Schule erst um neun Uhr beginnen lassen. 

Dann noch ein paar Erörterungen zu Fragen, die sich gestellt haben, sachliche, sprachliche etc. Nun hören wir den Teil 3 von der CD über den Urmenschen, ohne Fragebogen. Zweimal, dreimal. 
Mündliche Abfrage. "Was habt Ihr behalten? Was wollt Ihr wissen oder fragen?" Gespräch mit Klärungen. Einige bekommen einen furchtbaren Schreck, als ich sage: "Wir hören es jetzt noch einmal und dann schreibt Ihr auf, was Ihr behalten habt!"

Das langsame, passive Hören ist sehr schwer für viele. Sie stehen so unter Spannung, dass sie sich nicht leicht öffnen können. Nietzsche bezeichnete einmal das Ohr als das weiblichste der Sinnesorgane.....

Zur 1. Pause sind dann die Zettel beschrieben. Außer von einigen Kindern, sie haben gar nichts drauf stehen.

Regenpause, ohrenbetäubender Lärm auf den Gängen, das Klackern der Caps. Ich darf nicht weg, muss Aufsicht führen: An den Tagen, wo die Pausen nicht mit Aufsichten zugebaut sind, hat man Regenpausenaufsicht. Bääh! Komme nicht zum Essen, kaum zum Trinken. In Frankreich gibt es für Aufsichten extra Leute. Die Lehrer können sich in den Pausen erholen. Aber Frankreich wurde ja auch von den Ratingagenturen kürzlich der Stinkefinger gezeigt..

3. Stunde: Der Kollege wird mit der Handvoll Kinder, die vorhin gar nichts aufs Papier gebracht haben, rübergeschickt, das Ganze nochmal hören, verstehen und aufschreiben helfen. Das Hörstück ist drei Minuten lang.
Kerstin arbeitet mit drei Kindern an der Druckerei. Ali sitzt am Computer und schreibt Texte. Die anderen rechtschreiben, konjugieren, bereiten Diktate vor etc. Ich korrigiere und beantworte Fragen.

Am Ende der Stunde frage ich Pablo, der jetzt auch unbedingt einen Laptop haben will, warum er meint, dass er einen braucht. "Es sieht nicht schön aus, wenn ich schreibe", sagt er. Das ist ernst zu nehmen. Er hat Recht, leider. Das, was sich ihm widerspiegelt, das mag er nicht anschauen. Da drückt er sich lieber weg. "Ich hab doch einen Laptop zu Hause, kann ich den nicht mitbringen?" "So ein Laptop ist teuer. Vielleicht nimmt ihn Dir jemand weg und dann hast Du keinen mehr. Das wäre doch schade. Ich werde fragen, ob Du einen von der Schule bekommen kannst." Ich frage später und an dem Augenrollen, das ich bekomme, kann ich erkennen, dass das keine gute Frage war....

4. Stunde. Die Jungen arbeiten weiter an ihren Sachen, die Mädchen gehen mit Gabriele und mir nach nebenan zum Mädchengespräch. Es geht um die Sexualkunde. Das Thema "Geschlechtsorgane der Frau" war ein bisschen schwierig gewesen vor einiger Zeit mit den Jungen zusammen. (Ich werde darüber übrigens keine Lernkontrolle machen.)

Eine kurze Einführung, dann kommen die Fragen. Ein Fragensturm. Es geht um Gebären, Menstruieren, es ist so wunderbar, wir hätten wahrscheinlich noch Stoff für lange Zeit gehabt. Ich muss Binden mitbringen. So viel scheinen die Mütter unseren Kindern da noch nicht mitgegeben zu haben. Die Binden brauchen wir auch, falls ein Mädchen ihre Regel in der Schule bekommt.

2. Pause. Wieder Regenpause und Aufsicht. Grrrh!
Im Treppenaufgang wurde heute nicht gebohrt, man arbeitet da zwar, aber recht staubarm und unauffällig.
Beim Mädchengespräch hatte mein Magen vernehmlich geknurrt, also erst einmal etwas essen und Teetrinken.
Danach ein nicht so berühmtes Thema in Kunst: Male einen schönen bunten Schmetterling.
Bastian, der sich schon wieder Mario zur Brust nimmt und ständig "Warum immer ich?" schreit, wenn ich ihn ermahne, wird von mir ab da nur "Warum immer ich?" genannt, und als er beim ersten Mal "Warum ich?" zurückfragt, muss er selbst lachen. Humor hat er, aber er verlangt uns auch eine ganze Menge davon ab.
Also muss sich "Warum immer ich?" umsetzen. Keine Diskussion. Ich zeige ihm, wo der Hammer hängt. Aber wir lachen alle noch dabei.
In ganz guter Stimmung beschließen wir den gemeinsamen Arbeitstag.

Dann noch kurz nach unten, Zähne putzen, Haare kämmen und den Vater zum Gespräch empfangen, der sein Kind nicht mit zur Klassenfahrt lassen will, weil es für ihn zu teuer ist.
Es ist wirklich das Geld, das merkt man. Eigentlich würde er seinen Sohn Ronaldo gern mitfahren lassen. Er erzählt, wie er als Junge, übrigens auf unserer Schule, öfter nicht mitfahren durfte und wie ihm das Leid tat. Er nimmt an, nur die Hälfte zu bezahlen. Ich verspreche ihm volle Anonymität. Wer will schon seine pekuniären Verhältnisse von allen beplaudert haben..Dafür machen wir doch unser Buffet!
Zeige ihm noch, wo wir hinfahren und warum das so interessant ist und freue mich sehr, dass dieses Gespräch so einfach und von der Atmoshäre und dem Ergebnis her so angenehm verlief. Ronaldo darf also mitfahren, der Vater gibt schriftlich seine Einwilligung. Noch aufräumen, dann ist es 15 Uhr.
Ja dann - ich lasse alles in der Schule liegen, was mich an Schule erinnert und strample mit dem Fahrrad nach Hause.
Vielleicht ist so eine kleine Krankheit doch ein biologisches Reset-System? Es geht mir so gut! Ich habe so einen tollen Beruf.


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