Freitag, 19. Februar 2016

Eigentlich hätte ich Lust...,

....hier weiterzuschreiben, aber es fehlt mir leider sehr an der Zeit und Energe dazu.
Ich glaube, es wäre gut, sich auf das Eigene zu besinnen, anstatt an den vielen Widrigkeiten immer wieder Anstoß zu nehmen.




Ich bin sehr gern mit den Kindern in der Klasse zusammen und im Gespräch. Am liebsten während eines längeren, "ungestörten" Zeitraums. Aber das kommt leider nur noch selten vor. 

Die Ganztagsschule ist ein Bienenkorb. Die Stille, die Ruhe, die Konzentration, das gemeinsame Gespräch über Dinge, die uns von innen heraus interessieren und beschäftigen, sind immer schwerer zu haben. 

Und dann ist da noch der Leistungsdruck. Ich versuche, ihn nicht an die Kinder weiterzugeben. Trotzdem aber, dass wir sachbezogen sind und Freude an den Fragestellungen und unserer eigenen, sich daran entwickelnden Stärke haben.

Manche Kinder nehmen aktiv einen Gehörschutz beim Arbeiten, wenn sie nicht gerade in Partner- oder Gruppenarbeit sind.

Ich würde empfehlen, dass sich Kinder, wenn sie zu sehr unfreiwillig von Außenreizen in Anspruch genommen sind, sich einen Gehörschutz zulegen, um sich besser fokussieren zu können.

Das beste Gespräch der Woche hatten wir nach dem Besuch der Berlinale über den Film "Mavi Bisiklet".

Leider verpasste ich, weil ich so "drin" war, dadurch den Beginn der angesagten Klassenarbeit in Mathe und - rumms!! - wieder Kollision mit dieser Art von Wirklichkeit, die meist die absolute Herrschaft hat und die ich oft von mir abschütteln muss wie der Hund das Wasser im Fell, um wieder zu mir zu kommen.

Da hatte ich wieder ein schlechtes Gewissen wegen der Leichtigkeit des Gesprächs, der unangestrengten Konzentration auf den Film, schlicht: der Muße, der Freude, der wir in dieser Stunde nachgegangen sind....

Schule ist absolut mußefeindlich, obwohl sie ihren Namen davon hat. Das ist Teil der Amnesie, in der sie sich befindet.
Sie schaut nicht zurück, besinnt sich nicht. Sie schaut nach vorne ins schneller, höher weiter.

Wenn ich nach vorne schaue, dann sehe ich....VERA.
Im März. Na, das wird wieder ein Problem für mich werden!!

Kurz gesprochen: Alles, wofür ich Lehrerin geworden bin, das geht heute aus tausendfältigen Gründen nicht mehr. Nicht mehr durchgehend, nicht mehr ungestört, nicht mehr gefördert, es geht nur noch durch eine Nebelwand von Widrigkeiten hindurch.

Die Institution wird mehr und mehr total in ihrer Verwaltung der ihr anvertrauten Kinder. Sie richtet sich nicht mehr nach dem vermutlichen Wohl der Kinder, über das es sich wohl trefflich streiten ließe.

Die Kinder und ihr elterlicher "Anhang" (so gesehen aus der institutionellen Binnensicht) müssen sich der Institution anpassen, nicht umgekehrt.

Stichwort Prokrustesbett.

Hier ein ganz guter Artikel:

Jesper Juuls Appell an Eltern.

Gefunden in der NZZ. Er gefiel mir.

Jetzt ist es doch noch ein kleiner Text geworden...

Obwohl die Wochenarbeiten zur Korrektur auf dem häuslichen Schreibtisch liegen.
Obwohl die neue Wochenarbeit geplant werden muss.
Obwohl drei Förderanträge noch bearbeitet werden müssen.
Obwohl die Klassenfahrt noch nicht abgerechnet ist.
Obwohl zwei Änträge wegen Teilleistungsschwächen und Nachteilsausgleich deswegen an die Schulpsychologie noch formuliert werden müssen.
...undundund.

Ich hör jetzt auf.
Einen schönen Tag an alle und jede(n), die bis hierher noch mitgelesen haben!

Eure Minna

P.S. Ich habe jetzt nicht Menschen bloßstellen wollen. Ich habe Strukturen kritisiert und mein Unglücklichsein darüber zum Ausdruck gebracht, dass diese Strukturen von den Beteiligten so fraglos exekutiert werden, anstatt dagegen gemeinschaftlich zu protestieren und vorzugehen, damit die Welt besser wird, wenigstens an dieser Stelle.
Verdammt!

Samstag, 6. Februar 2016

Etwas schließt sich.

Mein "Schulgarten" scheint sich seinem Ende zuzuneigen. Nach über 350 Posts und zweieinhalb Jahren mit meiner derzeitigen Klasse habe ich das Gefühl, dass ich meine Ziele, wegen derer ich das Blog 2012 einrichtete, heute nicht mehr erreichen kann.

Diese Ziele waren, aus Situationen, die vielleicht eher als Kleinigkeiten gesehen werden könnten, etwas herauszuholen, das in ihnen drin steckt, aber vielleicht nicht ganz offensichtlich ist.

Es sollte ein Nachdenken, Reflexion über Erfahrungen im Alltag der Schule als Berufsfeld sein, die man eigentlich lieber mit anderen Menschen zusammen als allein unternehmen würde.

Vielleicht brauche ich fürs Nachdenken mehr Anonymität, was für das Schreiben mehr Freiheit bedeutet.

Ich kann, wenn wir uns als reale Personen zu sehr bekannt sind, über Probleme nicht mehr sachlich reden, ohne dass sich Menschen persönlich angegriffen fühlen könnten. Das aber will ich nicht.

Auf der anderen Seite möchte ich mich nicht aus Harmoniestreben oder Konfliktscheu verbiegen müssen.

Also ist es Zeit, das Blog zu schließen.
Es hat große Freude gemacht.
Vielen Dank fürs Lesen und Anteilnehmen!!
<333

Mittwoch, 3. Februar 2016

Ich will doch nur Dein Bestes!"

Warum sind "plötzlich" manche Eltern so anders? Es hat etwas Verstörendes, wenn es einem nicht irgendwie schon bekannt vorkäme. 

Man bemüht sich seit Jahren um ein gutes Verhältnis, zeigt sich offen und gesprächsbereit und erfährt dann eine Art nonverbaler Abkehr, auf die man sich erst einmal einen Reim machen muss.


Gestern, im "Viasko" mit Karla zusammen. Ich erzähle ihr davon. Sie lächelt schon so. 


Als ich ihr meine Hypothese dazu sage, stimmt sie vehement zu: "Du kennst das doch schon aus früheren Jahren: Mitte der 3. Klasse fangen einige Eltern an, mit den Füßen zu scharren, sie werden ablehnend oder lassen durchblicken, dass ihnen ihr Kind zu wenig lernt. Du weißt auch, warum?"


Ich nicke. Mir kam der Gedanke auch schon: Es gibt nur eine Erklärung: 


Sie wollen ihr Kind nach der 4. Klasse aufs "grundanständige Gymnasium" schicken, wo sie meinen, dass ihr Kind  nicht ständig gebremst wird.


Die Gymnasien, die in Berlin außerhalb der Regel nach der 4. Klasse beginnen, nennen sich aus ideologischen Gründen "grundständiges" Gymnasium, was suggerieren soll, dass für bildungswillige Eltern die Kinder in der Berliner Schule zwei Jahre zuviel auf der Grundschule herumlungern und wertvolle Lebenszeit für "richtiges" Lernen verlieren. 


Das Wort kommt mir daher nicht über die Lippen.

Ich komme aus Rheinland-Pfalz, wo das Gymnasium immer nach der 4. Klasse beginnt, die "Auslese" also schon in der 2. Klasse. Das ist, wenn es überhaupt sein soll, viel zu früh.

Karla und ich, wir kennen das Phänomen: In den ersten beiden Schuljahren ziehen alle Eltern mit, dann ist der Schulanfang gemacht, die erste Klippe ist genommen. Das ist Vergangenheit. Jetzt dreht sich der Wind.

Nun unterhält man sich ja auch mit anderen Eltern und da wird auch ein bisschen geprunkt:

"Mein Sohn hat schon..., meine Tochter kann schon....bei meinem Kind sind sie schon auf Seite xxx...."

Und so entsteht dieses Gefühl: Die bei uns tun zu wenig.

In der letzten Klasse, die wir von 1 bis 6 führten, war das zu diesem Zeitpunkt ganz genauso. Ab Ende der Vierten wurde es besser und in der 5. und 6. Klasse standen alle Eltern wieder voll und mit Überzeugung hinter unserer Art, Schule zu machen: 


Die anderen Hochgelobten, die Freundeskinder, Cousins und Cousinen, die durch die Mühle: "Heute hier auf Seite 49, morgen dort auf Seite 50 im Lehrbuch" gegangen waren, zeigten Ermüdungserscheinungen, wen wundert es auch? Sie schlafften ab.

Angesichts dessen hatten "unsere" Kinder immer noch eine frische Motivation und Begeisterung für jedes Fach, erprobten sich und wurden, je älter sie wurden, immer stärker.
Das spürten die Eltern auch. Danach waren sie wieder voll bei uns.

Aber es nützt wenig, davon zu reden. Das glaubt einem doch keiner.

Manchmal hörte ich von Kollegen auf Gymnasien, dass die "Lenauer" immer besonders offen und neugierig waren, sehr gut präsentieren konnten, sich auf Projektarbeit verstanden, aber nicht als Mitläufer, also stark und neugierig waren und Fakten gut verbinden konnten. Ja, sie hatten auch schon manchmal eine Wissenslücke, die sie schnell füllten, wenn es darauf ankam.

Ja. Klar. Kennen wir. Schön, wenn es andere auch bemerken. Fühle mich ja immer noch als "Lenauerin", bin aber leider nur noch die letzte Mohikanerin von der damaligen Truppe.


Was vorher aussah wie Falschparken auf dem Weg in die Bildung, war später als der unangetastete Motor der Bildung erkennbar geworden: Bildung ist nämlich Selbstbildung.

Die Energie, der Motor, die Lernfreude, der aktive Eroberungswille neuer Sachverhalte, das sind leicht störbare Dinge, die aber für den lebenslangen Bildungsprozess unabdingbar sind.


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Deshalb, liebe Eltern, die Sie Ihr Kind nach der 4. Klasse aufs fälschlicherweise so bezeichnete grundständige Gymnasium schicken möchten, um sich von der Berliner Grundschule, so, wie sie gedacht ist, abzugrenzen, können Sie Lehrer*innen wie mich, ab einem bestimmten Zeitpunkt nur schwer vertragen: Sie interpretieren mein Lernkonzept auf dem Hintergrund Ihrer persönlichen Wünsche als defizitär.
Ich aber bin für alle Kinder zuständig und ich weiß nicht, ob Sie die Geduld aufbringen würden, einmal zu erfahren, mit welchen Schwierigkeiten andere Kinder zu kämpfen haben.
Ihr Kind lernt leicht und gut und hat einen klaren Verstand. Ihr Kind ist sensibel und empfindsam. Dafür kann man sehr dankbar sein.
Ihr Kind wird auf der Berliner Grundschule aller Voraussicht nach eine Gymnasialempfehlung bekommen.
Auf dem Gymnasium nach der 4. Klasse wird es mit allen Kindern anderer ehrgeiziger Eltern zusammensitzen, die Lernmethoden werden nach solche nach dem Nürnberger Trichter sein, der Wettbewerb wird gnadenlos sein.
Die Kindheit Ihres Kindes wird möglicherweise auf dem Altar der Distinktion geopfert werden. Im Ausnahmefall kann die Entscheidung richtig sein und den Lerninteressen und dem Lernstil Ihres Kindes entsprechen. Möglicherweise könnte dies alles Ihr Kind aber auch blockieren. Genau weiß man das vorher nicht. Deshalb sollte alles genau abgewogen werden.

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Quervergleiche (Was kann der, was kann ich...) sind wohl das Lebenselixier einer kapitalistischen Gesellschaft- man nennt es Wettbewerb -  in der Bildung sind sie als Tönung, die alles grundiert, lähmend und dysfunktional.
Fruchtbar sind Längsvergleiche (Was konnte ich gestern, letzte Woche, letzten Monat..., was kann ich heute)

Es gibt in der Gesellschaft erfolgreiche Leute, die wunderbare Jobs machen, die ihnen Freude bereiten, die ihr Abi mit Zweiundnochwas abgeschlossen haben und die gleichzeitig auf eine frohe und unbeschwerte Kindheit zurückblicken können und nicht "Unters Rad" gekommen sind, wie Hermann Hesse sein Buch über eine Schulkindheit nannte.

Über die "seelischen Kosten" die Eltern- und Schulerwartungen und Leistungsdruck bei Kindern bereiten, gibt es ein Stück des "Grips"-Theaters:



Die Prinzessin und der Pjär Grips Theater (Link)

Wir werden es am 12. April besuchen.


Dann sprachen Karla und ich noch über unsere "bildungsnahen" Eltern, die unverkrampft bleiben, die die Freiheit und Selbststeuerung ihres Kindes schätzen und sich darüber freuen, und die wissen: Mehr Druck macht sicher Sinn in der Physik, also beispielsweise bei einer Wasserpumpe, aber bei Menschen gibt es automatisch nicht mehr Effizienz, wenn man mehr Druck macht - und die eine fröhliche, gesunde Gelassenheit nicht mit Lässigkeit verwechseln.


Diese Eltern haben wir nämlich auch. Sie setzen das Wohlbefinden ihres Kindes an die erste Stelle und gehen mit den Zumutungen des allvorhandenen Wettbewerbens und Sich-Vergleichens gelassen um.

Sollte ihr Kind sich in der Schule nicht wohlfühlen, würden sie das bemerken, zur Sprache bringen und nach Lösungen suchen.

In einer kalten, wettbewerbssüchtigen Welt ist es nicht leicht, aber richtig, mit den Interessen des eigenen Kindes solidarisch zu sein und zu bleiben als da sind:

1. Mein Kind soll ein möglichst gutes Abitur machen.
2. Mein Kind soll eine schöne Kindheit und Jugendzeit haben.
3. Ich habe Vertrauen in mein Kind, dass es seine eigenen Interessen und Stärken entwickelt und SEINEN Weg gehen wird. Dabei will ich es begleiten und ihm eine Hilfe sein.

Denn später wird es gnadenlos auf den Markt geschickt, ob man das will oder nicht. Da ist es besser, stärker, und sich seiner selbst bewusst zu sein.

Menschen sind eigenständige Subjekte, die innen drin eine Art Kompass für sich selbst haben.

Den darf man nicht irritieren. Wir, Eltern und Lehrer, wir sind die Helfer und Unterstützer des Weges, den die Kinder selbst finden und gehen müssen.
Schlüsselwort: Vertrauen.

"Ich will doch nur Dein Bestes!", sagt die Mutter.

"Genau das möchte ich für mich behalten.", antwortet das jugendliche oder erwachsene Kind.
Mit Recht.