Mittwoch, 29. Februar 2012

Im Zuckermuseum 29.2.2012

Habe Selena mal richtig an den Ohren gepackt, so im übertragenen Sinne. Ihre Rechtschreibung ist ja schon mal ganz in Ordnung, aber dass sie keine Sätze bildet, hat mich schwer enttäuscht. Das musste mal gesagt werden. das ist schwer unter Niveau.
 











Bildung ist etwas Furchtbares, fast so schlimm wie Folter

Heute haben wir das Zuckermuseum besucht. Es liegt in der Amrumer Straße, kurz vor der Seestraße, in Richtung Norden gesehen.
Der Eintritt ist frei. Für 20 Euro gab es eine Führung von ca. einer Stunde Dauer. Frau Schaffert hat sehr kurzweilig und informativ erzählt und auch für Kinder genau den richtigen Ton und die richtige Wortwahl getroffen.
An ihr kann es nicht gelegen haben, dass einige Jungen sich ständig absonderten und Desinteresse demonstrierten. Wenn man sie zur Gruppe rief und von ihnen wollte, dass sie etwas zuhören, drehten sie sich weg und zeigten eine Mimik, als ob man sie in einen Folterkeller gebeten hätte.
Hmm. Kulturelle Sozialisation ist keine leichte Sache, wie es scheint. Es ist ja nicht nur so, dass manche Kinder kulturell sehr unbeleckt sind. Sie sind es wirklich. Nein, sie zeigen Missachtung und- könnte man es so formulieren?-fast: Verachtung für die anspruchsvolle Tätigkeit, Informationen aus einem kurzweiligen und anschaulichen Vortrag aufzunehmen. Widerstand eben.
Das ist doch mal einen Gedanken wert. Diese Kinder sind nicht nur ungeschult, sie lehnen die Segnungen der Bildung, die man ihnen zuteil werden lassen will, offensiv ab. Erklären sie für sich als irrelevant. All dieses zeigte die Mimik und Gestik dieser Kinder. Es waren vier Kinder. Drei Jungen, ein Mädchen.
Was ist so Schreckliches daran, vor jemandem zu stehen, der inmitten von Anschauungsmaterial einen Vortrag hält und ihm zuzuhören? Ich meine, es kann ja sein, dass ein Kind nach zwanzig Minuten "voll" ist, dass es nicht mehr zuhören kann und seine Gedanken abschweifen. Es kann auch sein, dass dieses Kind sich für das Zuckermuseum überhaupt nicht interessiert.
Aber muss man sein Desinteresse so demonstrativ zeigen? So, als sei man besser, weil man es ablehnt und die anderen die Doofen, die zuhören?
Der eine Junge, den das betrifft, der hätte eigentlich das Zeug, auf einer Gesamtschule sein Abitur versuchen zu können. Er ist klug, aber mordsmäßig ungeschult. Kein Bock, macht kein Spaß, ist blöd etc. Sein Bruder ist in einem Kreuzberger Gymnasium mit mäßigem Erfolg. Den Grund hierfür sieht unser Junge im Rassismus der Lehrer. Als er mir das sagte, meinte ich:"Meinst Du nicht, er ist einfach nur zu faul?"
Es ist so leicht, zu sagen, das sind alles Rassisten. Dass in der Bildung vor dem Erfolg die Anstrengung steht und die Bereitschaft dazu, das so genannte "Sitzfleisch", das muss doch in diese Köpfe auch hineinzukriegen sein...Nein? Dann kann jemand doch nur unglücklich werden, wenn er in seinem Leben systematisch so weit unterhalb seiner Möglichkeiten navigiert.
Es ist zum Heulen. Ich höre immer von Migrantenverbänden, die Grundschullehrer würden Migrantenkinder systematisch ausschließen, ihnen zu wenig Gymnasialempfehlungen geben, sie müssten ihnen mehr zutrauen.
Verdammte Axt! Wenn einer bei der kleinsten Schwierigkeit die Flügel hängen lässt, dann kann ich ihm keine Gymmiempfehlung geben. Er muss ja nicht nur da hinkommen. Er muss auch da bleiben können.
Wir haben noch ein Jahr Zeit.
Das Problem ist, dass es eine Riesen-Werte-Kluft gibt zwischen dem bildungsorientierten Teil der Gesellschaft, dem, der weiterkommen will und dem, der sofort resigniert, wenn die kleinste Schwierigkeit oder Abweichung vom Gewohnten auftritt.
Da hingen elfjährige Jungen schlapp an der Wand, waren nicht in der Lage und/oder nicht willens, auf einem Fleck Boden zu stehen ohne Wanddeckung zu haben. Anlehnungsbedürftig. Sogar einer, der die große Fußballhoffnung ist und austrainiert sein müsste bis zum Gehtnichtmehr.
Was machte sie so depressiv, frage ich mich.
Ich habe mich gerächt. Ich habe, als wir zurück waren und draußen Pause gemacht hatten, jeden gezwungen, aufs Papier zu spucken, was er meinte, behalten zu haben. Und das schaue ich mir jetzt an.
Unser Freund, über den ich eben sprach, bekam nichts auf sein Blatt. Er wollte auch nicht. Saß nur da. So gab ich ihm den Schlüssel zum Nachbarraum, damit er dort in Ruhe zu sich kommen könnte. Eigentlich wollte ich ihn nur nicht mehr sehen. Nach zwanzig Minuten hatte er ein ganzes Blatt vollgeschrieben.

Dienstag, 28. Februar 2012

Kulturelle Soziaisation. MIteinander sprechen.

Die Diskussion um die mangelnde Effektivität der sprachlichen Sozialisation in Kindergärten verfolgt. Woran liegt es, dass es nach Jahren des Kindergartenbesuchs oft so wenig Fortschritte gibt?
Sporadischer, unregelmäßiger Besuch? Wird der Kindergarten in den Elternhäusern nicht genug gewürdigt, weil der Besuch kostenlos ist?
Versammeln sich aufgrund der sozialen Segregation in vielen Kindergärten zu viele sprachlich und sozial Bedürftige, so dass zu wenig Vorbilder für einen differenzierten Sprachgebrauch da sind?
Wahrscheinlich ist es so, dass Sprache nicht isoliert trainiert werden kann. Differenzierter Sprachgebrauch  ist kulturelles "Kapital" wie Bourdieu einmal sagte und ruht auf einer umfassenden kulturellen Sozialisation auf. Diese besteht aus einer fürsorglichen Einstellung gegenüber dem Kind, der Fähigkeit, seine Bedürfnisse zu erkennen und im Alltag zufriedenzustellen. Sprache zur Auseinandersetzung mit Wirklichkeit einsetzen: Um etwas zu verstehen, miteinander sprechen, bei Konflikten miteinander sprechen, beim Vorlesen miteinander über das Gehörte und Gelesene sprechen, auch über die inneren Welten, die dort vorkommen.
MITEINANDER. SPRECHEN.VIEL.OFT.IMMER. In der Familie.

Ziemlich vergurkter Tag

Ja, auf heute bin ich nicht so stolz. Ob  das der unterbrochene Schlaf war, jedenfalls habe ich heute noch ein paar Böcke geschossen. War heute völlig überfordert. Suchte den halben Tag einen Schlüssel, von dem ich mir nicht erklären konnte, wo er war. Dadurch musste ein Raum unverschlossen bleiben. Das hat mich  ganz wuschelig gemacht, weil bei uns richtig kriminell gestohlen wird.
Aber zuerst war da der neue Wahlunterricht für dieses Halbjahr und wir haben es mit sechs Kindern prima getroffen. Da muss ich den Kollegen dankbar sein, dass einige mehr Kinder genommen haben. Grundsätzlich ist für handwerkliches Arbeiten die Zahl von sechs Kindern ideal. Da habe ich es also einmal schön!
Wir filzten einen Jonglierball, der mit einer Kapsel aus einem Überraschungs-Kinderei und Vogelsand innen schwer gemacht war.
So soll das einmal aussehen:


Es lässt sich tatsächlich gut damit jonglieren. Heute haben wir einen Ball davon hergestellt. Das war sehr schön.  Messi meinte beim Filzen, ich solle mich doch mal bei Jauch bewerben, bestimmt wurde ich da auch was gewinnen. Danke für die Blumen! :-)
Dann ging aber die Sache mit dem Schlüssel los.
In der letzten Zeit gerate ich so schnell aus der Fassung, das stört mich selbst.
Aber vielleicht muss ich mehr "die Schirme hoch!" nehmen. Auf Schritt und Tritt kommt irgendwer dazwischen und sagt dies oder das und es fällt schwer, den Faden zu halten. Wenn ich dann noch so unwillkürliche Dinge mache wie, den Schlüssel falsch weglegen, dann bin ich eher wütend auf mich selbst.

Wir haben heute Verben konjugiert und Peter hat sich ganz aktiv und sehr sachkundig am Unterricht beteiligt. Andere bekamen den Arm nicht hoch zum Melden, wieder Andere riefen alles gleich in die Klasse hinein.
Aber wenn Peter sich weiter auch so stark bei der Sprache beteiligt wie sonst bei den Naturwissenschaften, dann wird er gute Fortschritte machen.
Gestern hatte ich ihn zum Gespräch geholt und ihm sein Ergebnis des Rechtschreibtests erläutert. Auch, was zu üben ist und wie wir das machen wollen. Dann ihn aufgefordert, sich in der Bibliothek ein Buch auszuleihen und jeden Tag zwei Seiten zu lesen, eine davon laut.
Das heißt, ich muss ihn jeden Tag abhören, was er gelesen hat. Puh, heute habe ich es schon vergessen! Also aufschreiben, damit ich es morgen nicht wieder vergesse. 
Die Prügelei mit Manuel, eigentlich wollte ich heute mit diesen Jungen reden, aber dann hatte ich durch die Schlüsselei die Nerven nicht mehr.
Nach dem Wahlunterricht war eine Stunde Vertretung. Diese war von der Kollegin gut vorbereitet gewesen, so führte ich mehr oder weniger Aufsicht. Dann eine Stunde Mathefördern, dann die Pause mit Schlüsselsuche. In der fünften Stunde konjugierten wir Verben, in der sechsten war das Teamgespräch mit meiner Kollegin, Frau Herzog, Studentin Kerstin und Lesepatin Thekla.
Noch ein Gespräch mit Kollegin Brücke-Wallmann, die Manuels Bruder in ihrer Klasse hat. Das war ein gutes und informatives Gespräch. Uns fällt  auf, dass Manuel sehr belastet wirkt, aber man kommt an die Eltern  nicht heran.
Bastians Schrift ist sehr viel besser geworden....Das sieht richtig regelmäßig aus jetzt. Anna schreibt auch prima. Sie war zwei Stunden in der anderen Klasse und hat beim Weben dort mitgeholfen. Auch Pablo hat richtig gut und fleißig seine Schreibarbeit gemacht. Ronaldo, Pablo und Eren, Förderkinder, übten sich in der schriftlichen Addition und Subtraktion mit Zehnerüberschreitung und zeigten ganz viel Können.
Ja, da bleibt mir noch für morgen, diese Prügelei klären zu müssen. Peters Lesen nicht vergessen!
Heute mal ein bisschen korrigieren, ja? Nicht vergessen!
Hoffentlich klappt es heute mit dem Schlaf. 

Gestern war ich noch im Reisebüro, fragen, ob es mit der Zugreservierung für die Klassenfahrt geklappt hat. Hat es nicht. Ich glaube, die packen das nicht da.
Wenn das nicht klappt und es ist zu spät, um noch einen Bus zu bekommen, was machen wir dann? Besser, ich kümmere mich um eine Ausfallversicherung, sicher ist sicher. Zu Fuß gehen nach Wyk auf Föhr, das können wir nicht.
Sonst ging alles immer so einfach. Sechs Monate vor der Fahrt konnte man reservieren. Herr Stellert hatte alles im Griff. Und jetzt? Schade, dass ich nicht weiß, wo er jetzt arbeitet.

Montag, 27. Februar 2012

Grrr!!!

Um kurz nach 3 Uhr nachts war ich wach. Im Traum hatte ich mich schon für einen Wettbewerb fit gemacht, den ich machen musste, damit die anderen Traumbewohner mit mir zufrieden waren, aber ich hatte das eigentlich gar nicht gewollt, trotzdem hatte ich versucht, wie ein Profisportler mich locker zu machen. Viertel nach drei. Überall im Körper Spannung, lässt sich nicht wegfühlen, wegatmen oder sonst etwas. Hatte gestern im Anti-Krebs-Buch von Servan-Schreiber gelesen, vielleicht beschäftigte mich das auch. Habe Angst, nach vierzig Jahren Vertröstung aufs Leben nach dem Berufsleben kurz vor oder nach der Pensionierung todkrank zu werden. Darf man so was auch mal sagen??? Das hätten "sie" gern, dann könnten sie sich die Rente sparen..

Das Gespräch mit Meryem gestern, unserer Sozialarbeiterin, verlief sehr gut, klärend, und ich war mit Hintergrundinformationen gut und ausreichend versorgt, so dass mir das Gespräch am kommenden Freitag mit der Mutter seelisch nicht mehr so belastend erschien und auch sachlich angemessener geführt werden kann. Ein Gespräch zu führen, um ein Gespräch angemessen führen zu können...

Es war auch so eine-Morgens-im-Bett-liegen-und-nicht-schlafen-können-Situation gewesen, wo mir diese Idee gekommen war. Es war eine gute Idee gewesen. Meryem hatte es nicht verwunderlich gefunden, dass ich Informationen brauchte, um mich in allen Dimensionen des Gesprächs richtig verhalten zu können, nicht nur in meiner Sichtweise darauf. Sie hatte mir Tee angeboten, wohlschmeckenden Pfefferminztee, und ich hatte dankbar angenommen. Es war 13 Uhr gewesen, ich bemerkte da, dass ich seit 6 Uhr morgens nichts mehr getrunken hatte...

Das, was ich ihr sagen konnte, was sie mir sagte, ist sicher nicht zum Rezitieren geeignet. Das Gespräch bewegte sich so, dass ich sozusagen in der Sache "Fleisch auf die Knochen" bekam. Die "Knochen", das ist der Tenor meines Textes von vorher. Ich bin ihr dankbar dafür. Sie hatte kollegiale Zeit für mich. In einer Pause hatte ich noch eine anstrengende Aufsicht geführt, in der anderen hastig meinen Kartoffelsalat heruntergeschlungen. Ich esse nicht in der Schule. Erstens bin ich Vegetarierin. Ich habe keine Lust, zwischen lauter aus Körpern herausgelösten widerlich riechenden Masthähnchenschenkeln zu sitzen und ein seit Stunden warm gehaltenes Gemüse zu mampfen. Wenn es denn Gemüse ist und nicht nur Kohlehydrate. Bei uns wird nicht mehr gekocht. Nur noch in der Mikrowelle warm gemacht. Seit Sommer. Obwohl wir eine tolle, voll ausgestattete Küche haben. Die Küchenfrauen sind sehr nett. Sie können nichts dafür. Aber ich kann diese Fleischgerüche nicht mehr so gut riechen. Für mich ist es eklig. Ich will mich auch nicht für besser erklären als andere, will respektieren, wenn andere essen, was sie mögen, aber ich will dann nicht dabei sein.

Während eines Schultages gehen die persönlichen Bedürfnisse, Essen, Trinken, Ruhen, völlig unter. Alles ist komprimiert in viel zu wenig Zeit. Eine Atmoshäre von Rastlosigkeit und Stress. 
Deshalb nahm ich die ruhige Gesprächssituation, die Meryem schaffte, so dankbar an.
Also, nachdem ich im Traum auch wieder nur gekämpft hatte - wofür bloß eigentlich??, lag ich schlaflos da.
Als um vier Uhr die ersten Vögel anfingen zu singen, also so vor einer halben Stunde, da dachte ich: Wenn die Vögel jetzt wach sind, kannst Du auch aufstehen. Immerhin war ich am Vorabend sehr früh ins Bett gegangen.

Ich bin immer noch nicht da, wo ich eigentlich hin will: Erstens, dass ich mich fühlte, als habe ich mich abends nicht gewaschen, weil ich über meinen Schultag noch nicht nachgedacht hatte. Zweitens, weil ich gestern nicht nachdenken wollte, weil es so...gewesen war. Laut, verschwatzt, unaufmerksam, unordentlich, einfach unangenehm.
Mein differenziertes Rechtschreibkonzept fährt jetzt vernehmlich an die Wand, weil die Erzieherin nun schon in der dritten Woche fehlt. Sie hatte im Unterricht oft geholfen. Die Vertreterin taucht im Unterricht nicht auf. Vielleicht muss sie gar nicht...Zwei Förderlehrerinnen fehlen, die eine, weil sie krank ist, die andere, weil sie diese in ihrer Klasse vertreten muss. Mit einem Lehrer pro zwanzig Schülern ohne jegliche personelle Unterstützung kann ich die Differenzierung in dieser Form einstellen. Dann geht es nur noch im Gleichschritt Marschmarsch. Ich will das nicht, habe mich lange gegen die Einsicht gesträubt. Aber ich kann nicht z.B. ein Prüfungsdiktat diktieren, das gerade dran ist und ohne das das Kind nicht weiterarbeiten kann und gleichzeitig andere Kinder in ihrem Lernen betreuen.

Wieder mal in den Abgrund gefallen, der da klafft zwischen den schönen rosa Worten unserer Amtsbehörde im Tagesspiegel und der traurigen Realität.

Ich lass das jetzt liegen und mache frontalen Input mit differenzierten Übungen. So. Ja. Geht nicht anders. Bin nicht Jesus. Habe meine Grenzen. Bin nur eine kleine, alte Lehrerin.

Ja, Ihr tollen Schulinspektoren, Ihr würdet das sicher alles viel besser machen. Oder Ihr Schulräte. Klar könnt Ihr das besser! So vom Schreibtisch her.

Ali habe ich gestern gesagt, von mir aus kann er Autoverkäufer werden. Ich mach mir nicht mehr den Kopf für ihn heiß, wenn er gleich bei jeder Kleinigkeit die Flinte ins Korn wirft. Danach hat er noch einmal etwa drei Zeilen geschrieben. Er war müde bis zum Umfallen nach dem Wochenende.

Als ich am Nachmittag die Tierschutzlehrerin des Tierheims sprach, die beim vorigen Mal mit ihrem Hund in die Tierschutz-AG gekommen war, sagte sie mir, Ali und Murat hätten sich lautstark vor Pollo gemacht und die Distanz zum Hund nicht eingehalten, sie habe nichts machen können, sie seien nicht ansprechbar gewesen.
Pollo ist ein sehr friedlicher Hund. Er arbeitet ja auch mit Frau P. Aber so kann es kommen: Zwei dumme Jungen hampeln vor einem Hund herum, fuchteln oder fassen ihn an und er schnappt zu. Dann großes Geschrei, was für eine Bestie er ist und er wird getötet. Man sagt wohl euphemistisch  "eingeschläfert". Und wer war "schuld"? Ntürlich der Hund.

Die Erzieherin, die zur Vertretung da ist, sagte, am Vortag sei Bastian ganz frech gewesen, habe sie beleidigt. Mich auch gestern. Da flog er aus der Klasse heraus. Er ist so geltungssüchtig, sucht immer die Bühne.

Aus der zweiten Pause kam Manuel weinend, begleitet von zwei Jungen. Fünf Jungen aus der 6. Klasse hätten sich auf ihn geschmissen und ihn verprügelt, als die Hofaufsicht schon weg war. Komisch. Ich gehe immer, wenn ich hinten Aufsicht habe, als letzte nach vorne...Ich will mich nicht groß tun, aber wenn andere das auch machen würden und nicht beim Klingeln als erste verschwänden, dann müsste ich heute nicht groß das nacharbeiten. Das dauert bestimmt wieder eine Stunde. Und die Botschaft an diese Kinder ist: Wenn Ihr so etwas macht, geht es nicht so einfach durch. Es wird Ärger geben, wo die Einsicht fehlt. 
Kein Wunder, dass ich nicht zum Korrigieren komme...
Beim Schreiben merke ich, wieviel Aggression und Verzweiflung in mir ist. Ich als Sisyphos, lieber Herr Camus, bin kein glücklicher Mensch!
Wo ist die Supervision, liebe Schuloberaufsichtsbeamte? Natürlich eine innerhalb des Stundendeputats. Das gehört zu einer Arbeit wie der unseren dazu. Am Wochenende, liege Amtströger,  mache ich die nicht. Stellt Euch vor: Da habe ich frei.


Im letzten Jahr habe ich mit 4/5 des Stellenanteils über 1600 Jahresarbeitsstunden gearbeitet. Mir braucht keiner sagen, ich müsste mehr arbeiten.
Ja, ne, jetzt ist mir besser. 
Il est cinq heures, Berlin s'èveille..

Freitag, 24. Februar 2012

Das Rechtschreibproblem

Peter ist ein kluger Schüler. Das zeigt er mehr und mehr in den Naturwissenschaften und in Geschichte und Erdkunde, auch in den Gesprächen. Er spricht jetzt mehr und kann sich schon viel besser ausdrücken als noch vor einem Jahr.Er zeigt bei den Gesprächen ein gutes Einfühlungsvermögen und große Fähigkeiten, disparat erscheinende Fakten logisch angemessen zu verknüpfen. Hier hat er große Fortschritte gemacht. Vor zwei Jahren oder noch vor einem Jahr sprach er kaum, er zeigte wenig von sich, war recht unnahbar. Heute sieht man ihn schon auch lächeln und sich an den Unterrichtsgesprächen, aber auch an den informellen Gesprächen wunderbar beteiligen.
Nur beim Lesen und in der Rechtschreibung hapert es. Im Zeugnis hatte er ein "Ausreichend" in Rechtschreiben mit der Tendenz zum "Mangelhaft". Eigentlich hätte es umgekehrt sein müssen, aber man sollte zusehen, dass er nicht resigniert. Seine Mutter war wohl alarmiert gewesen und hat um ein Gespräch gebeten, in Anwesenheit mit unserer arabischen Sozialarbeiterin Meryem. 
Mir geht dieses Gespräch schon seit ein paar Tagen im Kopf herum. Ich würde die Mutter gern fragen: "Haben Sie Bücher zu Hause? Leihen Sie mit Peter welche aus? Wie oft haben Sie Peter in seiner Kindheit vorgelesen? Sprechen Sie mit ihm über das, was in den Büchern steht oder das, was Ihnen und ihm so täglich auffällt?" Ich meine natürlich, auch in deutsch. Deutsch beherrscht Peters Mutter nicht.
Was ich in dem Gespräch möchte, ist zu vermitteln, dass der Erfolg im Lesen und Schreiben in der deutschen Sprache wesentlich davon abhängt, wie stark dies in der Familie unterstützt wird. Es gibt Dinge, die müssen in der Familie grundgelegt sein. Dann kann die Schule daran anschließen. Wenn die Familie dies vollkommen ausklammert, wird die Schule nicht erfolgreich sein können.
Genau dies wird sie, die Mutter, vermutlich aber von mir erwarten, dass ich das richte, dass wir, wenn die Schule das nicht schafft, Nachhilfe organisieren.
Will sagen: Der Blick der Mutter richtet sich auf uns als die, die es zu leisten haben. Nicht auf sich selbst mit der Frage: Wie unterstütze ich, wie fördere ich schulischen Erfolg im Gebrauch der deutschen Sprache.
Im Misserfolgsfall wird sie therapeutisches Personal rekrutieren wollen, damit ihrem Sohn geholfen werden kann. 
Wer gibt ihr den Impuls, dass es entscheidend darauf ankommt, dass sie nach so vielen Jahren in Deutschland sich bemüht, deutsch zu lernen? Sich mit ihrem Sohn über Sprache und Inhalte in deutsch schriftlich durch lesen und mündlih durch Gespräche zu verständigen, damit die Welten nicht völlig unverbunden nebeneinander stehen? Dass davon auch der sprachliche Schulerfolg ihres Sohnes abhängt? 
Peter hat viel Förderunterricht erhalten. Er ist gut in der Lage, die Lautabfolge im Wort zu verschriftlichen. Doch fehlt es ihm immer noch trotz vieler Übungen an angemessenen Lösungsstrategien im Rechtschreiben und an kolossal viel Übung im lauten und leisen Lesen. 
Das hat die Prüfung auf Lese-Rechtschreibschwäche ergeben, die meine Kollegin mit Peter durchführte. Lese-Rechtschreibschwäche hat er nicht, sagt sie. Man sieht es auch: Peter kann die Lautfolge eines Wortes ganz klar identifizieren und in Grapheme umsetzen, nur nicht in die richtigen.
Was mich im Vorblick auf das Gespräch umtreibt, ist die Tatsache, dass ich mich von der mütterlichen und wahrscheinlich familiären Seite (den Vater kenne ich nach gut zwei Jahren noch nicht) einem Anspruch gegenübersehe, der darauf abzielt, Helfer zu organisieren, ohne dass die Familie selbst ihre Möglichkeiten, ihr Kind angemessen schulisch zu begleiten, wahrgenommen hat.
Sicher werden wir etwas in dieser Richtung organisieren. 
Doch ich finde,die Haltung, die in dem berühmten Ausspruch John F. Kennedys steckt, hat auch Bedeutung in Situationen wie dieser:
"Bevor Du fragst, was können Andere für den Schulerfolg Deines Kindes tun, frage zunächst, was kannst Du für den Schulerfolg Deines Kindes tun."
Ich habe ein bisschen Bauchweh, das anzusprechen, weil ich nicht will, dass es in ein falsches Licht gerät. Aber ich will auch sehen, dass Menschen aktiv etwas tun, damit Situationen besser werden, ich will sehen, dass sie die Möglichkeiten eigenen Handelns ausgeschöpft haben, bevor wir zu Helfern greifen. 

Der Freitag ist ein schöner Tag

Der Freitag ist ein schöner Tag: Man kommt erst um halb 10 zur Schule und kann vorher länger schlafen. Dann sind nur zwei Stunden Unterricht und man hat noch genug Energie, mit den kleinen Kindern aus der Schulanfangsphase just for fun Bälle zu filzen....
Dann noch ein Gespräch mit einer Kollegin, schon ist  es 14 Uhr. Schön. Alles gut in der Balance.
Im Unterricht selbst hatte ich vor, im "Friedrich" ein Kapitel weiter zu kommen. Aber vorher wollte ich  im Stuhlkreis über die Gedenkfeier gestern sprechen und die Verbrechen, die dazu geführt hatten.
Das Einrichten des Stuhlkreises ist eine sehr zähflüssige, anstrengende Sache. Es entsteht eigentlich kein Kreis, sondern sozusagen zwei Klammern und es hat dazu zwei weite klaffende Lücken dazwischen.
Wenn ich Kinder auffordere, den Kreis zu schließen, passiert gar nichts. Dann forderte ich persönlich Kinder auf, bis zum anderen Nachbarn nach links oder rechts zu rücken und den Kreis zu schließen. Das Kind setzt sich umständlich einen halben Meter weiter, niemand rückt nach und das ganze Procedere beginnt von Neuem. Die Gründe dafür habe ich noch nicht herausfinden können.

Ich dachte, ich muss also sozusagen bei Adam und Eva anfangen und fragte: "Was ist Ästhetik?" Wir hatten das schon einmal geklärt, was das ist anhand der Tatsache, dass morgens immer neben an Tischen sitzenden Kindern Stühle auf Tischen stehen und es aussieht wie in einer Bahnhofsgaststätte nach Mitternacht...Ja, es geht dabei um das, was schön ist. Wunderbar. Es sieht nicht schön aus, wenn man einen Kreis haben will und man hat zwei Klammern mit halb aufeinander sitzenden Kindern und dazu zwei große, klaffende Lücken.

Warum machen wir einen Stuhlkreis?? Damit beim Sprechen jeder jeden sieht und beim Sprechen wahrnehmen kann. Schön. Vorher legte ich schon fest: Man muss es stets wiederholen: Mädchen/Junge/Mädchen/Junge, was seine Grenzen hat bei acht Mädchen und zwölf Jungen.
Der langen Rede kurzer Sinn: Es schluckt schon viele Kräfte, bevor das Gespräch überhaupt losgeht.

Die Erwähnung der Gedenkminute (und: Warum macht man so etwas?) gestern bringt gleich Wortmeldungen hervor. Pablo muss das Reissäckchen, das er in Händen hält und zu meiner Verzweiflung immer hochwirft, abgeben, es wird als Redesäckchen benutzt. Jetzt muss man keine Impulse mehr geben, das Gespräch überschlägt sich fast. 

Jeder erzählt eine Geschichte von erlebten Neonazibegegnungen, ein Drittel der Schüler hat schwarzgekleidete Glatzköpfe mit "Lonsdale"-Logo, Hakenkreuzen, 18 und 88 , Typen mit Springerstiefeln mit weißen Schnürsenkeln etc. erlebt. Ganz Kreuzberg ist anscheinend voll mit diesen Finsterlingen.
Zwischendurch denke ich: "Hmm, dann müsste ich doch auch schon einmal so einen gesehen haben.." 
Wir sprechen über NSDAP, NPD, Verfassungsschutz, Zivilpolizisten, und auch noch über einen Mann, den viele kennen, der im Hertha-Kostüm in der Gneisenaustraße herumläuft, alle Leute fragt, ob sie Hertha-Fans seien und wenn sie verneinen, ihnen eine Rote Karte zeigt...
Das Gespräch dauert eine Schulstunde. Im Grunde sind die Zuhörkräfte erlahmt, aber die Gesprächspower ist noch da. Abbruch. 
Trotzdem. Es war ein gutes Gespräch, wichtig, um die Geschehnisse um die Ermordungen von Mitbürgern mit türkischer und griechischer Herkunft durch rechtsradikale Mörder einmal gemeinsam zu erörtern. (Die Täter, die mutmaßlichen Täter sind tot oder noch nicht verurteilt.) 
Danach noch den "Friedrich", das geht nicht. 
Also schreiben wir; ich diktiere Sally einen Teil ihres Diktates, bekomme viel davon mit, wie sie schreibt, was so ihre Strategien sind. 
Kerstin baut mit drei Kindern neue Sätze an der Freinet-Druckerei. Anscheinend kann man mit geritzten Bildern auf der Innenseite von Tetra-Packungen auch Bilder drucken. Ich kann nur kein Foto davon bringen, weil ein Junge seinen wirklichen Namen hineingesetzt hat.
Ganz schnell sind wir am Ende der vierten Stunde angekommen, Ende des Unterrichts für heute. 
Mario hatte die Erlaubnis seiner Mutter zur Einrichtung eines Blogs bei blogger mitgebracht, er richtete sich den ein und fachsimpelte mit Selena, die neben ihm vor dem Computer saß, über die graphische Gestaltung der Blogoberfläche.
Zum Schluss hat er sein Passwort liegen lassen, die Lehrerin versteckt es gut für nächste Woche.
Ja, und dann sind wir im Wochenende.

Ich freue mich auf den Besuch des Zuckermuseums am Sonntag zur Vorbereitung, am Mittwoch mit der Gruppe und am Donnerstag den Besuch des Naturkundemuseums mit der ersten Teilgruppe, "um," wie es so schön von Mario hieß, "alles noch einmal in Ruhe zu bewundern."
Mesut hat übrigens heute vorbildlich gearbeitet. Ich bekam drei Mal gezeigt, wieviel er heute "geschafft" hatte. :-)  Sahne.
Ach ja, Ronaldo schwenkt mit einem dicken blauen Ordner mir vor der Nase herum. Prima!

Donnerstag, 23. Februar 2012

Wie schreiben? Warum schreiben?

Kurze Frage des wahrscheinlich einzigen Manchmal-Lesers dieses Blogs: Wissen die Kinder, dass Du über sie schreibst? Das ist eine wichtige Frage. Es betrifft die Kinder, ihre Eltern, die Kollegen, also alle, die vorkommen.
Meine erste versuchsweise Antwort ist die: Man muss so schreiben, dass man niemanden preisgibt, in seiner Freiheit und Würde beeinträchtigt. Dass man nicht immer Einverständnis erzielt, ist klar. Aber man muss das, was man nach draußen gibt, vertreten können und auch die Betroffenen dürfen sich nicht beleidigt fühlen.
Nach außen hin muss sicher sein, dass Menschen nicht identifizierbar sind. Nach innen, in die Gruppe hinein, kann man das nicht vermeiden.
Also werde ich das ganze Blog daraufhin noch einmal lesen.
Die andere Frage: Warum schreibt man? Es ist eine Art Selbstverständigung für mich, weil mir das wichtige und wirkliche Gespräch fehlt. In der Schule wird nicht mehr über Hintergründe gesprochen, alle sind zu erschöpft, zu sehr am Rasen, vielleicht auch ein wenig abgestumpft ---zu alt??? Durchschnittsalter 58 Jahre ist für ein Kollegium ja nichts Gutes. Doch ich war ungefähr 30 Jahre lang mit die Jüngste. Das hat der Senat versiebt, ein Vierteljahrhundert kaum Einstellungen von jungen Lehrern. Jedenfalls kamen in den drei Schulen, an denen ich bislang Lehrerin war, keine jungen Leute an. Fast keine, kaum, tröpfelnd nur. Nicht ausreichend viele. Und die jungen Leute  heute ziehen nach Hessen und Baden-Württemberg weiter. Für die verbleibenden wurden von den Leuten, die sich aus der Praxis an den Grünen Tisch "gerettet" hatten, in immer schnellerer Frequenz Turbo"reformen" ausgeschüttet, die die Arbeitsintensität, die Arbeitsdichte, die Anzahl der Aufgaben, die täglich zu lösen sind so steigerten, dass ein ruhiges, besonnenes, reflektiertes Arbeiten nicht mehr möglich ist.
Daher das Schreiben. Es sammelt sich so viel an jedem Tag an, für das kein Gesprächspartner vorhanden ist, dass es etwas Befreiendes hat, etwas Ordnendes; man kann Unwichtiges vom Wichtigen wieder besser unterscheiden.
Man fällt nicht in das Meer des Klagens, man sitzt auf einem treibenden Baumstamm mitten darinnen und sieht plötzlich durch die Klärungen hindurch das Schöne, der Witz, das Interessante, das in vielen kleinen Situationen liegt.
Seit ich schreibe, bin ich neugieriger auf den Tag, der vor mir liegt. So wie heute. Ich trainiere, nicht das, was mich bewegt, zu vergessen über dem Gewitter der Pflichten, in dem man steht.
Das Schlimmste an diesem Beruf: Wenn man nicht gleichgültig werden will, hat man nicht mehr die Zeit, um alles besonnen, reflektiert, mit Empathie, aber auch in den Grenzen der Berufsrolle, gut zu machen. Das ist doch schade.

.....sind friedlicher

In dem wundervollen Film "Die Lehrerin" mit Anna Loos und Meret Becker, der im letzten Sommer auf Arte lief und kürzlich im ZDF, steht die Kollegin in Lederstiefeln vor der Lehrerin, die im leeren Stuhlkreis sitzend, sich Hausschuhe anzieht und schaut verwundert. Die junge Lehrerin sagt: "Hausschuhe sind friedlicher."
Auf dem Tragen von Hausschuhen zu bestehen, ist nach meiner Auffassung tatsächlich ein Aspekt friedlicheren Zusammenlebens. Das Wechseln markiert den Übergang vom Draußen nach dem Drinnen, wo andere Regeln gelten. Es ist eine Art "Abrüstung". Nicht nur nebenbei tut es den Füßen gut, den Großteil der Zeit nicht in Plastikschuhen oder Lederstiefeln zu stecken.
Den größten Widerstand aber setzen Jungen dem entgegen, Jungen, die zu Hause niemals (!) in Straßenschuhen die Wohnung betreten würden.
Sie empfinden sich in der Schule nicht als zu Hause, sondern im Draußen-Gebiet, egal, wie weit drinnen im Haus sie sind. Wenn sie ihre tollen Nikes gegen Adiletten tauschen, empfinden das manche wie eine Art Kastration? 
Anders kann ich mir das ständige Unterlaufen und den Widerstand dagegen nicht erklären...

Wenn es keine Noten gäbe...

23.2.2012

Fest verabredet ist der Besuch des Zuckermuseums in der Amrumer Straße am nächsten Mittwoch. Am nächsten und übernächsten Donnerstag wird je eine Gruppe das Naturkundemuseum noch einmal besuchen, um alles "in Ruhe bewundern" zu können.
Gestern hatte es einen Streit zwischen zwei Mädchen gegeben, den beide wohl recht stark befeuert hatten. Es war darum gegangen, dass die eine Kontakt mit einem Mädchen aufgenommen hatte, das die andere für sich als Freundin reklamierte, was einem Kontaktverbot für andere gleichkam. Ich bot beiden ein Gespräch an, falls es ihnen nicht gelingt, wieder ruhig miteinander umzugehen.

In Sexualkunde setzten wir unsere Gespräche fort. Mehr und mehr stellen Kinder ihre Fragen direkt im Stuhlkreis, antworten und ergänzen direkt. Ein paar Fragen legte ich beiseite, da weiß ich nicht, ob ich die nicht nur mit Gruppe bespreche, das sind Fragen, die möchte sicher nicht jede(r) wissen.

Eine Frage verstand ich nicht: Wenn es keine Noten gäbe, würde es dann viel mehr Vergewaltigungen geben? Ich las vor. Unverständnis. Bastian erklärte seine Frage:
Wenn es keine Nutten gäbe...Aha!! Also erst einmal das korrekte Wort benutzt: Prostituierte. Dann eine längere Erörterung meinerseits, dass eine Vergewaltigung eine sehr erhebliche Körperverletzung und seelische Grausamkeit ist, von der sich das Opfer Zeit seines Lebens niemals ganz wieder erholen wird.
Es gehört zum reifen  Erwachsensein dazu, dass man seine Triebe kontrollieren kann. Das gilt für Hunger, Durst und Sexualtrieb.
Das Thema Kondome ist wieder dran in vielen Facetten, auch weibliche Verhütungsmethoden werden erklärt, das Thema AIDS gestreift, die Frage, wie man eine Schwangerschaft erkennt.
Sally fragt noch, wenn man beim Arzt eine Untersuchung macht, ob man eine Krankheit hat und das Ergebnis ist positiv, dann ist das doch nicht gut oder positiv. Darüber sprechen wir ebenfalls. Dann lesen wir einen Text aus dem Biobuch über die Entwicklung des Mädchens zur Frau.
In der nächsten Stunde arbeiten die Kinder an ihren Rechtschreibmaterialien. Ich bemerke, dass Ronaldo gar kein Ringbuch hat, um Blätter abzuheften. Pablo und ich schneiden Trennblätter für seinen Ringordner zurecht, damit er seine Blätter einheften kann. 
Kerstin hat die Freinet-Druckerei entdeckt und zwei Kinder, Selena und Murat,  beginnen mit ihr die Reise in die Gutenberg-Galaxis. 

Das ist wunderschön, weil das Ding schon viel zu lange ungenutzt herumsteht. Die vielfältigen Handlungen rund um das Drucken mit den beweglichen Lettern schulen das räumliche Vorstellungsvermögen( Text in Spiegelschrift setzen)
 "Glück springt und singt."

und viele andere Fähigkeiten. Sie setzen die Lettern, färben ein und drucken. 
So kann man gut merken, das "drucken" von "drücken" kommt.
"Das Beste im Leben ist ein Schutzengel."(im Spiegel zu sehen)

Ali und Murat spannen die Webrahmen für den Unterricht der Kollegin, nachdem Ali sehr sorgsam und mit vielem Fragen eine Rechtschreibübung absolviert hat. 
Emmely hat ihr Bild fertiggestellt. 


Eren und Peter malen an ihren Bildern weiter, der Förderkollege diktiert Emmely und Mario einen Text. Mario ist nachher bei der Korrektur sehr traurig, ich denke, er denkt an seine Mama, sie möchte gern gute Noten sehen und das heute wird es nicht werden. Er hatte vorher über Kopfweh geklagt, deshalb soll er sich seinen korrigierten Text noch einmal ansehen. Er hatte bestimmte Fehlerhäufungen, auf die er achten könnte. Er darf es dann an einem anderen Tag noch einmal schreiben So ist er dann auch zufrieden. Emmely jauchzt und jubelt ob ihrer "3+", das ist wirklich eine Sensation!

Diese beiden Stunden sind sehr angenehm, so wünsche ich mir Schule öfter. Draußen diktierte Bastian Cherry ein Partnerdiktat. Vorher hatten sie zusammen das Schlüsselbrett profimäßig restauriert, das gestern beim Leimen vorn auf dem Bild leider eine Portion Holzleim abbekommen hatte. Abschmirgeln. Erst mit grobem, dann mit feinem Schmirgelpapier. Vorsichtig neu malen. Das Ergebnis ist eine sehr gelungene Restaurationsarbeit. Man sieht fast gar nichts mehr davon.

Zum Schluss versuchen Mario und ich noch kurz, ihm einen Blog einzurichten so wie dieser hier. Er ist einfach,  sehr gut zu handhaben und bietet sehr schöne Gestaltungsmöglichkeiten. Mario hatte sich einen auf einer Blogplattform eingerichtet, die sehr wenig Möglichkeiten bietet. Er hat die Erlaubnis seiner Mutter hierzu.
Also zuerst ein schönes Passwort ausgesucht, wir gehen die Anmeldeliste durch,
doch: Ein Elfjähriger wird bei blogger als zu jung dazu angesehen. Er gleich: "Dann schreib ich 1995 als Geburtsjahr!" Ich sage ihm, dass man es vielleicht auch ohne Lügen probieren könnte. Er möge seine Mutter fragen, ob sie es mit ihrem Namen und Geburtsdatum für ihn einrichtet, dann geht es doch auch vielleicht. Mal sehen, was er morgen sagt.

Ein Wermutstropfen: Murat hat eine halbe Stunde herumgegammelt. Selbständiges Arbeiten führt bei ihm stets zum Gar-Nichts-Tun. Er muss immer ganz genau kontrolliert werden. Schade, aber es ist so. 
Dann noch schnell die Tische aufräumen und vier Stunden sind vorbei!

Mittwoch, 22. Februar 2012

"Ich will nicht malen! Das macht keinen Spaß."

22.2.2012

Der Vormittag begann heute mit einem Gespräch über den gestrigen Pancake- und Schneetag und den Nachmittag. Ein Junge aus der Parallelklasse hatte ein Mädchen schwer beleidigt, darüber war aber gesprochen worden. Leider war der schöne Schnee von gestern schon wieder geschmolzen.


Wir sprachen auch darüber, dass wir bald das Zuckermuseum besuchen wollen und wie wir es schaffen, noch einmal mit Muße die Ausstellung im Naturkunde-Museum zu besuchen.
Dann legten wir die neuen Ämterinhaber fest und beurteilten, wie die vorigen das gemacht hatten. Ich halte das immer auf Kärtchen fest, dann sieht man gleich, wieviel jemand für die Allgemeinheit getan hat und wie sorgsam er dabei war.
Ich sprach mit der Klasse noch über Messi. Gestern sollte jeder den Pancake-Rhyme einmal aufsagen. Messi hatte behauptet, er sei schon drangewesen. Wir Erwachsenen erinnerten uns daran nicht. Ich führte die Liste, er stand nicht drauf. Trotzdem behauptete er, er sei schon dran gewesen. Meine Kollegin fragte die Klasse, ob jemand das bestätigen könne und es hoben sich etwa sechs bis acht Arme. Das ist doch komisch. Er hatte es nicht aufgesagt, hatte gelogen. Wie kann man sich erklären, dass dann einige ihm zustimmen, obwohl sie wissen müssen, dass das nicht stimmt. Ist er der Boss?? (Er fehlte heute.) Wieso lügt er? Er sagte das gedicht dann auf, und zwar sehr gut. Wieso findet er es gut, uns wiederholt anzulügen und wieso findet er ein Drittel der Klasse, die das bestätigen, was er fälschlich sagt?
Also, das war ein Punkt, der mir auch, nachdem ich es angesprochen hatte, ein unwohles Gefühl machte.

Wir haben ein Kind, dessen Vorname der einer der Musen ist. Da ritt mich ein kleiner teufel und ich improvisierte etwas über die griechischen Musen und die Muße und somit Wörter, die es nur im Deutschen gibt wie "Muße", "Sehnsucht", "Heimat" und so weiter. Gleichzeitig betonte ich, dass es in jeder Sprache Wörter gibt, die es nur dort gibt, weil jede Sprache mit ihren Wörtern eine Art Bild von der Welt gibt und jede hat ihr besonderes Bild von der Welt.





Da mir das Wort "Muße" außerordentlich nah ist, musste ich unbedingt versuchen, es zu erklären, auch, dass das griechische Wort für Schule, skolé, gleichfalls "Muße" bedeutet - ja, und das haben heute alle Leute vergessen, diese ganzen Optimierer und Quantifizierer und Kategorienverfälscher und Quantitätsfetischisten und--halt!

Ob da etwas hängen blieb, weiß ich nicht, allein, der Versuch war gemacht.
Die ersten beiden Stunden war Kunst.


In den letzten Stunden hatten wir vulkanische Bilder in Rot, Orange gemalt, nun dachte ich, könnten kalte Farben dran sein und gab vor, jeder solle eine "Blaue Stadt" -Silhouette malen. Die möglichen Elemente genannt, Ideen gesammelt, einen Tafelentwurf gemacht und wir waren bereit. Blau könnte auch die Farbe eines Traumes sein, dann dürfen auch geflügelte Dinos oder Einhörner drin vorkommen. 
 
Alle begannen gleich, nur nicht einer. Ali.
"Müssen wir das machen? Das macht keinen Spaß!" 

Er sagt das immer, wenn es ans Malen geht. Früher war dies sein Kommentar bei jedem Lesen, aber nun hören wir es stets, wenn es ein Kunstthema zu bearbeiten gibt.

Nun ist Ali sehr klug und intelligent, aber so was von antriebsarm, dass man es sich nicht vorstellen kann. Immer sieht er müde aus, müde und überreizt. Die Kunst ist nun nicht gerade das Feld, auf dem man drohen sollte, auch nicht mit Noten, so schlug ich ihm vor, er könne in diesen beiden Stunden etwas Anderes Sinnvolles tun und in der dritten Stunde mit Lesepate Robert zusammen das Bild malen. Ja, das fand er gut.


Ich holte die Webrahmen heraus und begann, sie zu bespannen. Da wollte er helfen. Während der nächsten Stunde bespannten wir in vollkommener Eintracht etliche Rahmen, dann ging es zur Pause.




In der Pause hatte ich Aufsicht und arbeitete mich an einer 6. Klasse Mädchengruppe ab, die im Haus herumstanden und nicht raus wollten. Als ich sie fast unten hatte, fiel der einen ein, dass sie unbedingt auf Toilette musste, aber sofort. Das war ihr beim Herumstehen vorher nicht aufgefallen. Sie hatte etwa acht Unterstützerinnen und ich fragte mich danach, warum ich 1500 Worte brauche, damit eine einfache Regel eingehalten wird.
Ich habe mich sehr unbeliebt gemacht.


Danach kaum Zeit, um Schuhe zu wechseln und zur Toilette zu gehen. Oben warteten schon alle, Robert war auch schon da. Wir hatten beschlossen, weiterzumalen, wer wollte, und im fliegenden Wechsel auf die Rechtschreibung umzusteigen.

Doch einige nutzten das schwer aus, um eine sehr ruhige Kugel zu schieben. Robert ging mit Ali in den Nebenraum. Ali ist immer sehr zugewandt, wenn er allein mit einem Erwachsenen ist. Sobald aber einer seiner Freunde dabei ist, holt er die Stacheln raus und es passiert nichts mehr.

Nun hatte ich gar nicht gemerkt, dass Bastian und Murat sich auch nach drüben verzogen hatten, und als die Stunde vorbei war, hatte Ali ein jämmerlich geisterhaftes Etwas gezaubert, das man nicht leicht als ein Bild bezeichnen konnte. Es war die in Farbe getauchte Unlust.


Ich war ein bisschen sauer, weil die beiden anderen sich so klammheimlich verflümt hatten und weil Ali dadurch bei dem massiven Unterstützungseinsatz von mir und später Robert nichts und wieder nichts hinbekommen hatte. Es nervte. ich hatte gut geschlafen, was um halb 10 im Bett gewesen, da sind viele meiner Schüler noch lange nicht im Bett, aber gute Nerven sind die Grundlage von allem in diesem Beruf. Bastian, Ali und Murat hatten dann noch mit halbflüssiger weißer Farbe schneeweiße Flecken in den Gang gezaubert, die sie anschließend sachkundig wegwischten. Leider versäumten sie dadurch etwa 15 Minuten unserer Lesestunde über die Shoah. Absicht?


Dann noch kurz mit Robert gesprochen, damit er es nicht falsch versteht. In seiner zweiten Stunde gingen Pablo und Ronaldo mit ihm in unsre phänomenal gute Bibliothek lesen.
Zur vierten Stunde zu wechseln, war sehr schwer "Och nö, nicht schon wieder Friedrich!"
Picassos blaue Phase, aufgefunden von Anna und Selena.
Ebenfalls: "Schöne blaue Muster" in den Computer eingegeben:



Ich hatte das Gefühl, meine Energien verschwinden im Nirgendwo und haben null Effekte. Da fing ich an zu drohen: "Ich warte jetzt schon 10 Minuten und manche von Euch haben immer noch die Malsachen vor sich, dann arbeite ich mit Euch diese 10 Minuten oder länger in der Pause. Ich zähle ab jetzt die Zeit!"Die blödesten Mittel funktionieren immer am besten. Leider. Ich war ein bisschen sauer, weil ich nicht gern zu diesen Mitteln greife, aber fürs Wohlfühlen werde ich leider nicht bezahlt.

Im "Friedrich" gab es das Kapitel "Der Lehrer". Der Lehrer sagt, alle haben jetzt Unterrichtsschluss, doch will er ihnen noch etwas sagen, aber, wer gehen will, kann gehen. Alle bleiben. Es folgt ein geschichtlicher Abriss der Judenverfolgung als Vorspann zur Mitteilung an die Klasse, dass Friedrich den Unterricht nicht mehr besuchen darf. Als der Lehrer ein bisschen geredet hat, frage ich die Klasse, was sie meint, ob der Lehrer für oder gegen Hitler sei. Peter sagt sofort: "Er ist gegen Hitler." Obwohl es so deutlich noch nicht geworden war. So eine Urteilssicherheit, klasse! Die schwierigen Stellen lese ich, später lesen Kinder einzelne Abschnitte, über Besprechenswertes sprechen wir.
Gegen Ende der Stunde ist das Kapitel zu Ende gelesen und wir verabschieden uns pünktlich in die Pause...Ich weiß nicht, wie schwierig es für ein arabisches, libanesisches und sich selbst als Palästinenser bezeichnendes Kind wie Ali ist, sich mit der Judenverfolgung der Hitlerzeit angemessen auseinanderzusetzen. Es könnte sein, dass das, was wir besprechen, sich  sehr von dem unterscheidet, was er in seinem Umfeld hört. Doch wir leben in Deutschland. Hier ist es Pflicht, sich mit dem Unrecht auseinanderzusetzen, das den Juden widerfahren ist. Eine menschliche und bürgerliche Pflicht und jeder, der hier Bürger sein oder werden will, hat sich hiermit auseinanderzusetzen.
Ich weiß, dass manche meiner Kollegen es nicht mehr machen, weil, es ist zunehmend schwieriger geworden.
Doch es muss sein. Es muss einfach sein. Man muss auch so viel wissen, um sich ein wenig auszukennen. Wer soll das vermitteln, wenn nicht wir? Und außerdem: Damals war es Friedrich. Wer könnte es heute werden oder morgen?
Gerade Ali ist einer, der sich gerne in der Gruppe andere vorknöpft und sie demütigt, oft ist das schon geschehen.
Die Gespräche, wenn wir sie führen, verlaufen prima. Doch weiß man nicht, wie das alles bei den palästinensischen Kindern wirklich ankommt.  Im arabischen Raum sind Hitlers "Mein Kampf" und "Die Weisen von Zion", beides unsägliche Hetzbücher gegen Juden, derzeit mit die meist verkauften Bücher...

Träume

21.2.2012

Wir sitzen heute früh zusammen und warten auf unseren Pancake-Day. Selena sagt zu mir: "Ich habe von Dir geträumt." "O Schreck," fürchte ich, es war bestimmt etwas Schlechtes. Was soll man von seiner Lehrerin schon träumen..."Ja, wir waren irgendwo und da war ein Misthaufen und Du hast aus dem Misthaufen einen kleinen Mensch geholt und den haben wir dann gepflegt und wachsen lassen...""Und wie hast Du Dich gefühlt bei dem Traum?""Na ja, irgendwie nicht gerade so gut."-Hmpf.
Bastian kennt noch einen Traum:"Letztens habe ich geträumt, ich bin bei der U-Bahn auf das Gleis gefallen und die U-Bahn ist über mich rübergefahren". "Bist Du vorher noch aufgewacht? Manchmal wacht man vorher auf, bevor es dann ganz schlimm wird." "Ja, ich bin kurz vorher noch wach geworden, als sie auf mich zukam."
Ich habe da auch noch etwas beizusteuern."Ich träume öfter, dass ich mit meinem roten VW-Käfer eine Bergstraße hinunterfahre und er wird zu schnell, ich will bremsen, aber..."
"GUTEN MORGEN!" Meine Kollegin steht vor uns und unser Pancake-Day beginnt.

Pancake-Day, Buchgeldbefreiung und dicke Autos

21.2.2012

Heute hat uns die Kollegin ein englisches Pfannkuchenbacken vor der Fastenzeit, einen "Panccake-Day" beschert. Wir sahen ein Video, in dem eine englische Familie dafür einkauft. Dann teilte meine Kollegin die Kinder in drei Gruppen ein. Eine Gruppe schrieb das Rezept ab und malte es aus, eine Gruppe schrieb den Pancake-Rhyme ab, lernte ihn auswendig und mit den entsprechenden Gesten vorzutragen.


Sie hatte den Teig vorbereitet und einen Tag ruhen lassen und so zauberten die Kinder nach und nach für jeden einen schönen dünnen Pfannkuchen mit Hochwerfen in die Luft!

Gemeinsam saßen wir an der schön gedeckten Tafel, erhielten Zitronensaft und Sirup darauf, rollten den Pfannkuchen und aßen ihn.
Dann rezitierte jeder das Gedicht.
Eine sehr gelungene, schöne Faschingsveranstaltung. Meiner Kollegin gebührt ein großes Lob...:D

Womit ich so meine Probleme habe: Heute früh kam ich mit meinem Fahrrad nicht gut zum Fahrradkeller hin, weil so viele große Karossen vor der Zufahrt parkten. Als ich mich durchgeschlängelt hatte, rief es fröhlich hinter mir: "Hallo!" Eine Schülerin entstieg einem großen schwarzen Mercedes- oder Audi.

Im Grunde ist es mir egal, welche Autos von wem gefahren werden.
Aber ich finde, dass es nicht zusammen passt, wenn man sich von der Zahlung der Lernmittel wegen Bedürftigkeit befreien lässt und dann mit einem Auto vorgefahren kommt, das mehr gekostet hat als ich im ganzen Jahr verdiene.

Dieselbe Schülerin hatte einmal zu mir gesagt, als wir etwas aus meinem zehn Jahre alten Golf holten: "Du hast aber ein altes Auto..." Meine gute alte Adelaide! Sie tut's doch noch.

Die VERA 3 -Stoppgruppe


 20.2.2012

Die Kollegin verteilt, wie sagt man heute so: Flyer. Sie haben Andreas Gruschka eingeladen, und er kommt. Guter Mann, habe schon viel von ihm gelesen. Er steht in der Denktradition der Frankfurter Schule. Sie ist in der VERA3 STOPPGruppe, sagt sie. Aha. Wieso so ein dämlicher Name? Es würde wohl zu lange dauern, die Dinge so auszusprechen, wie sie sich darstellen. Typisch GEW.
Vor etwa vier Jahren hatte ich einen Text gegen den Unsinn, der sich VERA nennt, geschrieben und der GEW für die Lehrerzeitschrift angeboten. Sie sagten mir nie, dass sie ihn nicht wollten. Sie hatten ihn aber nicht drucken wollen, vertrösteten mich zwei Mal. Beim dritten Mal zog ich den Text zurück und trat nach mehr als 35 Jahren aus der GEW aus. Zu feige waren sie gewesen, mir ins Gesicht zu sagen, dass ihnen der Text nicht zusagte.Und jetzt machen sie VERA3-STOPPGRUPPEN.
Ich bitte um Entschuldigung, aber es klingt einfach nicht gut.
Stelle mir vor, ich werde von jemandem gefragt, ob ich abends noch ein Bier mit trinken komme und sage, Nee, du, tut mir echt Leid, aber ich muss in die Vera3 Stoppgruppe!

Hilflose Helferin

20.2.2012

Anna sitzt heute etwas verstört vor mir. Ich frage sie, ob sie Ärger zu Hause hat. Das ist manchmal so. Dann erzählt sie mir, dass sie woanders war und was sie dort gesehen und erlebt hat und es ist sehr verstörend. Mir wird ganz bedrückend im Bauch, als sie erzählt. Es betrifft die Situation der Kinder in der Familie, wo sie gewesen war.
Jugendamt? Es war schon ein Herr dagewesen, der hat uns die lange Nase gezeigt, fand uns wohl überkandidelt, so behandelte er die Lehrerinnen. Was also tun? Ist ja alles auch nur aus 2. Hand. Doch ich glaube ihr. Aber ich will auch nicht, dass sie in den Fokus gerät und schlechte Erfahrungen damit macht, dass sie sich anvertraute.
Mit der Kooperation der Familie ist nicht zu rechnen. Was also tun? Ich führe ein Gespräch mit meiner Schulleitung, habe mir vorgenommen, es erst einmal genau aufzuschreiben. Dann ein Anruf im Jugendamt, dass ich eine Beratung benötige. Oder bei der Kindernothilfe? Die stehen doch auf seiten der Kinder. Ist das nicht eine sozusagen klassische Situation? Geht das nicht vielen Lehrern so, die helfen wollen? Wie geht man damit um? Die drei Kinder der Familie müssten durch eine Erziehungshilfe vor Willkür und Vernachlässigung geschützt werden. Dem stimmt aber die Sorgeberechtigte nicht zu, das hatten wir schon.
Na ja, ich schreibe es erst einmal auf. Dann werde ich überlegen, ob ich die Mutter einlade und sie mit den Wahrnehmungen des Mädchens vertraut mache. Aber ich will auch nicht, dass dieses Mädchen in Schwierigkeiten kommt.

Erster Tag von Kerstins Praktikum. Sie war vor zwei Jahren schon da und möchte noch einmal ein Praktikum bei uns machen. Wir unterhalten uns sehr gut und freuen uns, dass wir wieder miteinander zu tun haben. Sie  muss eine Unterrichtseinheit planen und durchführen, bekommt auch Dozentenbesuch dabei. Ich sage ihr, dass ich kein Didaktikgenie bin, weil mir das alles zu enggeführt ist, so L macht dies, SS machen das etc. Das ist mir zu behaviouristisch, zu sehr Pawlowscher Hund, für mich nicht erträglich. Ich sage ihr meine Grenzen. Will nicht, dass sie zu viel von mir erwartet. Aber ihr ist das nichts Neues, sie kennt das schon. Doch ist es einfacher, wenn es um das Orientierungspraktikum geht. Ich liege auf Kriegsfuß mit dieser traditionellen Didaktik, sie ist so kontrollsüchtig und verunmöglicht damit das Beste, was es in Schule gibt, offene, sachbezogene Interaktion. Aber Kerstin weiß darum.

Wir haben wieder eine Fragestunde in Sexualkunde.
-Warum stöhnen Frauen beim Sex und Männer nicht?
"Woher wollt Ihr wissen, dass sie das tun?" Na ja, bei offenem Fenster im Sommer und so oder Filme.
-Was ist "Ficken"?
-Was ist ein Porno?
-Hattest Du schon mal Liebeskummer und wie war das da?
-Wieso hängen auf Toiletten Kondomautomaten?
-Ich habe in einem Laden einmal Kondome gesehen, die sollten Geschmack haben, Banane und so, WIESO DENN DAS???
.....usw. usw.

Es geht gut, darüber zu sprechen. Freikörperkultur. FKK.Schwulsein. Männer, die wie Frauen sich benehmen. Nur Mesut musste ich rausschmeißen, er fing an, sich wichtig zu machen und vernehmlich von "Arschficken" zu reden. Grenze.
Aber wir sind ja überhaupt mit Gesprächen gut in Übung.

Danach nochmal Rechtschreiben. Mit Kerstin zusammen geht es sogar, ein bisschen in unterschiedlichen Bahnen zu arbeiten. Also, zu differenzieren. (Zwei Förderlehrer krank)Drei Förderkinder arbeiten an ihrem Stoff ganz intensiv zusammen. Ich diktiere ein Prüfungsdiktat fertig. Wieviel man von den beiden Mädchen mitbekommt, wie sie schreiben, wie sie sich verbessern. Wunderbar. Die anderen üben oder diktieren sich gegenseitig.Mesut sitzt nachher noch mit dem Wörterbuch an seinem Prüfungstext und verbessert. Hmmh! Sahne! :D

Danach das Gespräch mit Kerstin, wir sammeln Ideen für ihr Praktikum. Sie sagt, die Klasse habe sich sehr gut entwickelt, man würde die Arbeit spüren, die darinnen steckt. Das ist schön zu hören.
Zum Schluss ordnen eine Kollegin und ich noch Webrahmen und bereiten vor, dass sie in der nächsten Woche mit einer Klasse weben kann. Es ist erstaunlich, meint sie, wieso so wenig von Hand in der Schule gearbeitet wird, sie meint sticken, häkeln, nähen, laubsägen.
Ja, das frage ich mich auch immer.
Bastian hatte heute seinen guten Tag. Er war sehr witzig, spielte sich zwar oft in den Vordergrund, aber nahm sich auch streckenweise zurück.
Um 15 Uhr war ich zu Hause, nun erst einmal entspannen...

"Ist das eine Blaumeise? "

16.2.2012


Unser Besuch im Naturkundemuseum heute war ein voller Erfolg. Zwei Stunden hatten wir drinnen verbracht und niemand hatte gefragt:"Wann gehen wir?"
Doch darauf deutete früh am Morgen nichts hin. Wir hatten uns versammelt, gefrühstückt. Ich war noch eine Erste-Hilfe-Tasche holen. Als ich wiederkam, stürzte Selena weinend aus dem Raum. Murat hatte ihr eines der Reissäckchen an den Kopf geworfen. Er beteuerte, es sei nicht mit Absicht gewesen, aber wenn es ihm Leid getan hätte, hätte man ihn doch tröstend an Selenas Seite gefunden, nein? Die Säckchen eingesammelt.
Die Heftchen ausgeteilt, die ich gestern geschrieben und heute kopiert hatte. Es stehen Fragen zu den Exponaten und zu den Texten im Museum drin.
Ich hatte mit meinem neuen i-phone am Sonntag Fossilien und Texte fotografiert und konnte so am Computer etliche Fragen zusammenstellen, die ich handschriftlich in einem Heftchen zusammenfasste.
Einige Schülerinnen hatten Klemmbretter dabei. Wir lasen die Fragen und ich bat die Kinder,sie wie ein Puzzle zu betrachten. Wenn ihnen etwas auffiel, sollten sie sich erinnern und es aufschreiben.

Es sollten aber Gruppen zusammen unterwegs sein. Alle sollten sich unterstützen. Auch wenn jeder aufschreibt, zählt die Arbeit der Gruppe. In jeder Gruppe waren leistungsstarke und -schwächere Schüler. Außerdem Kinder, die sich untereinander nicht selbst gewählt hätten. So lernt man sich manchmal beim Arbeiten von einer anderen Seite kennen. Die von mir so genannten "Infernalischen Fünf" hatte ich gut auf alle Gruppen verteilt.
So kamen wir am Museum an. Es ist ja nicht weit. Alle waren begeistert von dem, was sie sahen, aber sie mussten sehr genau lesen, um mit den Fragen weiter zu kommen.
Jede Lehrerin hatte zwei Gruppen so in ihrer Nähe, aber irgendwann liefen alle Kinder überall herum, und das war auch gut so.

Selena kam aufgeregt angerannt: "Komm sofort mit, da hinten sind Lungenfische, lebendige! Die werden da gefüttert." Ich ganz schnell hin und tatsächlich! Ein Herr stand daneben, vor ihm eine Oberstufenklasse und hielt einen Vortrag über die Lungenfische. So ein Glück! Wo sie doch meine Lieblingsfossilien sind. Ich erinnerte mich dessen, was mein Sohn einmal gesagt hatte: "Wenn Du ein i-phone hast, dann brauchst Du keinen Fotoapparat und keine Videokamera mehr." So nahm ich fünf Minuten Lungenfisch mit akustischer Vortragsuntermalung auf und denke, das werden wir uns im Computerraum noch einmal ansehen.
Es gab noch eine tolle Installation, abgesehen von den Saurieranimationen: Ein Bild der Kontinente der Erde und unten einen Knopf, den man entlang einer Leiste der einzelnen Erdzeiten schieben konnte.
Schob man den Knopf voran, bewegten sich die Kontinente bis zu dem Bild, das wir heute kennen.
Klasse! Mario schob langsam den Knopf, sprach die Namen der Zeitalter dazu und ich nahm es als Video auf.
Ich hatte auch mal eine DVD "Genesis" gekauft. Es war ein effekthascherischer Schrott gewesen, den man keinem Schüler zumuten kann, daher hatte ich die DVD in unserem Mietshaus im Treppenaufgang ausgesetzt.
Mit den Fotos und den Filmchen können wir noch einmal ein prima Gespräch führen.
Die Hefte und ihren Inhalt werden wir morgen besprechen.
Mario sagte, als wir wieder alle zum Ausgang zurückgingen:" Weißt Du, was schade ist?" "Nein.Was denn?" "Ich konnte, weil ich alles ins Heft geschrieben habe, nicht die Sachen bewundern!"
Mario, Du Ausbund von Weisheit! Wie sehr das stimmt, was Du sagst!
Hätte ich nichts vorgegeben, hätte Mario die Ausstellungsstücke mit Muße anschauen können. Vier oder fünf andere Kinder hätten das auch getan. Aber fünfzehn wären durch die Räume getigert, hätten aus Langeweile gestört, wären beim Museumspersonal angeeckt und nach einer halben Stunde angekommen: "Mir ist so langweilig. Wann gehen wir?"
Das war heute nicht zu hören.
Als wir wieder in der Schule waren,zitierte ich Mario und bot an, noch einmal mit ein paar Kindern hinzugehen, denen es womöglich genauso gegangen war.
Wer wollte vielleicht mit? Es hoben sich alle Finger....Aber jetzt war ja auch eine andere Situation als vor dem Ausflug.
Wir waren schließlich noch schnell durch die Ausstellung mit den Tieren in der Stadt und die Vogelfederausstellung "federflug" gestromert.


Ali meinte so gegen Ende, warum er nach den Pflanzen der Karbonzeit suchen müsse. "Die pusten wir jeden Tag durch den Auspuff -"Na und?", meinte er - und heizen mit ihnen unsere Wohnungen. Da ist es nicht falsch, wenn man ein paar Namen von ihnen kennt."