Habe am dritten Tag ein rotes Auge, es wird immer schlimmer. Doch meine Schüler haben sich jetzt daran gewöhnt. Sie sehen mich wieder ganz normal an, obwohl es etwas kurios aussieht.
Habe vier Stunden gehabt, der Mittwoch ist mein kurzer Tag.
In den ersten beiden Stunden hievten wir uns in die Erdneuzeit. (5. Klasse) Bei den Dinosauriern haben wir uns nicht so lange aufgehalten. Wir schauten uns Bücher an und berichteten, was uns aufgefallen war und erwähnenswert erschien.

Es waren gute Beiträge dabei: Manuel und Bastian fanden Carl von Linnés Einteilung und Systematisierung der Arten in der Biologie und Darwins Reisen und seine Evolutionstheorie interessant. Da konnte ich einiges ergänzen, das waren wichtige Sachen, die sie da gefunden hatten.
Hans und Ronaldo fanden den Faustkeil wichtig, Mario den gewaltsamen Artentod des Dodo durch Seefahrer auf Maritius im 17. Jahrhundert. Das passte nun nicht ganz, war aber auch interessant.
Selena, Cherry und Anna hatten etwas über den Archäopteryx gefunden, das sie vortrugen. Den Rest weiß ich jetzt nicht mehr...
Es ergab sich aber ein schönes Unterrichtsgespräch aus den kleinen Vorträgen.

In den beiden nächsten Stunden lasen wir zunächst in "Damals war es Friedrich" weiter. Viele Begriffe und Wörter sind den Kreuzberger Kindern nicht so bekannt, vieles hat auch ein Zeitkolorit, das man erklären muss.
Es ging um eine willkürliche Mietraumkündigung für die jüdische Familie. Wir sprachen über Rechte und Gesetze, lasen die Zeittafel im Anhang, wo verzeichnet ist, welche Rechte man den Juden Schritt für Schritt nahm und sie so aus der Gesellschaft ausgrenzte.
Es ist gruselig und bizarr, diese Chronologie der Entrechtung aufzunehmen.

Wir hatten uns eine halbe Stunde Zeit gegeben, und als die um war, folgte eine Zeitstunde mit einer Wahlmöglichkeit: Entweder im Rechtschreiblehrgang weiter über oder aus den Büchern über die Urzeit Szenen und Bilder herausmalen oder -pausen, Textteile abschreiben, die als wichtig empfunden werden.
Es war etwa halb und halb verteilt. Eher malten die Mädchen und die Jungs machten Rechtschreibung.

Die Rechtschreibübungen macht jeder nach seiner Fasson. Die Übungen sind vorgegeben, manche Kinder führen nicht alle Übungen durch und schreiben auch kürzere Diktate.
Jeder übt sich durch, macht dann ein Partnerdiktat, bekommt die Fehlerwörter, übt sie noch einmal und schreibt dann das Prüfungsdiktat. Manche Kinder sind bei Diktattext Nr. 4, Hans fing heute mit Nr. 8 an. Es werden viele unterscheidliche Arten von Übungen absolviert. Zuerst liest man die Anweisung. Wenn man es nicht versteht, noch einmal, im negativen Fall ein drittes Mal.
Hat man immer noch nicht begriffen, was das soll, wendet man sich an ein anderes Kind, das diese Übung schon gemacht hat. So bekommt man die Anweisung für sich klar.

Dies stellt mich frei dafür, mit einem Kind etwas zusammen zu machen, eine Übung mit ihm gemeinsam oder das Prüfungsdiktat abzunehmen.
Heute schrieb Manuel zwei Drittel seines Prüfungsdiktates. Morgen geht es weiter.
Andere trafen sich zum Partnerdiktat.

Diese Form der Differenzierung gefällt mir sehr gut. Es ist gewährleistet, dass jeder nach seiner Fähigkeit in Quantität und Schwierigkeit jedenfalls annähernd sich beschäftigt.
Dass einige weiter sind, "zieht" andere etwas mit und macht sie ehrgeizig.

Es ist schön, wenn es Situationen gibt, wo man nicht viel erklären muss, wo man höchstens mal am Gong scheppert (einmal: leiser sein ; dreimal: herschauen und zuhören), damit die Arbeitsatmosphäre wieder hergestellt ist. Denn geistige Arbeit erfordert Ruhe. Es muss auch das Flüstern beherrscht werden oder das ganz leise Reden, wo nur der Nachbar etwas hört und nicht die Kinder einen Tisch weiter.
Ich hatte das Gefühl, dass die Jungs am "Gymmitisch" richtig rangeklotzt haben, die Mädchen sind es etwas verspielter angegangen.
Eine Art Rausschmiss gab es heute: Ich gab bekannt, dass wir eine neue Schülerin bekommen. Großer Jubel bei den Mädchen: Wir sind nur sieben Mädchen, aber zwölf Jungen.
Mesut, mit Kennergestik: "Sieht sie gut aus?" bekam eine geöffnete Tür zum Rausgehen gezeigt. Dann vergaß ich ihn. Nach zwanzig Minuten steckte er seinen Kopf unter dem Gelächter der Klasse wieder durch die Tür und fragte: "Kann ich wieder reinkommen?"...

Die Kinder der 5 a haben sich selbst Namen gegeben, unter denen sie im Netz erscheinen möchten. Wir sind eine Klasse mit zwei "biodeutschen" Kindern. Alle anderen sind Kinder aus Zuwandererfamilien. Trotzdem: Viele wollen Hans oder Peter heißen und eigentlich tut das ja auch nicht so viel zur Sache.
Bastian erklärte Mesut pädagogisch einwandfrei und ganz geduldig einen Sachverhalt Er hat tolle Lehrerqualitäten. Ich bekam es so gut mit, weil ich daneben saß und Manuel diktierte.
Gestern hatte ich mit meinem Kollegen aus der Parallelklasse noch über seine und meine Differnzierungsformen im Unterricht gesprochen, also die Frage, wie man den Lernstoff besser an die Fähigkeiten der Schüler angepasst bekommt. Ich hatte ihn auch nach seiner Meinung gefragt über die Änderung der Sitzordnung nach leistungsstufen, die ich am ersten Schultag den Kinder vorgestellt hatte. Er meinte, man kann es ja mal probieren, wenn es schlechte Stimmung gäbe deshalb, würde man das auch merken.
Das war wirklich ein konzentrierter und guter Lerntag gewesen. Danach hatte die Klasse Sport und ich ging noch in die Wollwerkstatt, um mit einer ehemaligen Kollegin ein Werkstück auszuprobieren, eine gefilzte Federtasche mit Reißverschluss und Innenfutter.
Wir hatten schöne zwei Stunden und kamen ein gutes Stück weiter. ist das nicht auch eine Art Fortbildung? Sie ist nämlich sehr gut im Nähen und so tauschten wir uns beim Arbeiten aus.
Förderstunden gab es heute keine. Alle vier Stunden ein Lehrer 19 Schüler und trotzdem war es sehr stimmig gewesen.
Jetzt noch ein paar Korrekturen und ich werde nicht vergessen, meine Arbeitszeiten in den Kalender einzutragen. Damit ich immer weiß, wann eigentlich schon Schluss sein darf.