13.2.2012

Nachdem ich zwei Tage fehlte und ein paar andere Kollegen auch in ihrer Vitalität stark eingeschränkt sind, sollte ich heute in einer vierten Klasse zwei Stunden vertreten. Es machte mir nichts aus, denn ich habe ein paar schöne Faltarbeiten auf Lager und man sieht immer wieder, wie wichtig der aktive Umgang mit den Händen ist.

Es ging darum, eine Schachtel mit Deckel zu falten. Allen Kindern fiel natürlich als erstes mein rotes Auge auf. Dann aber gingen sie auch nicht mehr darauf ein. Es wurde ein bisschen vom Wochenende erzählt, man war auf dem Eis oder am Computer gewesen.
Die Kinder waren wohl froh, dass ich sie nicht mit Schreiben nervte, sie machten sehr gut mit. Aber ein Drittel war sehr ungeschickt, verstand nicht, faltete nicht exakt und es war gut, dass die, die es verstanden hatten, umhergingen und die anderen unterstützten. Am Ende zweier Stunden waren alle Kästchen fertig und wurden bemalt. Das war angenehm.

Als ich in "meine" 5. Klasse kam, konnte ich eine neue Schülerin begrüßen. Toll, ein Mädchen! Jetzt sind wir acht und zwölf Jungen. Sie ist sehr nett und auch hübsch (!), und prompt waren einige Jungs unglaublich aufgedreht. Unglücklicherweise stand gerade die Fragestunde in Sexualkunde an. Ich wollte Fragen beantworten, die auf Zettel aufgeschrieben worden waren.
Das haute voll rein, es war nicht das günstigste Einstiegsthema für ein neues Kind. Doch es kommt immer darauf an, wie man etwas macht und sie hat gut mitgemacht.
Das eine wichtige Ziel des Sexualkundeunterrichts haben wir schon erreicht: Man kann darüber reden, ohne dass alles in Kichern und Toben untergeht. Ich habe auch bei den Zehnjährigen noch "Peter, Ida und Minimum", den schwedischen Comic, benutzt. Der ist sehr klar, kindlich, liebevoll und respektvoll. Für ältere Kinder bleiben aber noch viele Fragen unbeantwortet. Es war auch nur als ein Einstieg gedacht, um eine Art Gesprächsfähigkeit herzustellen. Seit Jahr und Tag lesen wir es mit verteilten Rollen und zwar aus Prinzip lesen Jungen Mama und Ida und Mädchen Papa und Peter. Zuerst ist da viel Kichern und Grölen, dann pendelt sich das sehr gut ein. So war es auch hier.
Wir sind nun in der Lage, uns den Fragen zuzuwenden. Während ich antworte, entsteht bei vier Jungen ein Zettel-Schreibsturm, es werden bestimmt zwanzig Zettel beschrieben und hergereicht. Aber ich hab ja noch die vom vorigen Mal, z.B.:
Warum hat eine Frau in der Schwangerschaft Stimmungsschwankungen?
Was ist Liebe?
Wieso wollen Männer und Frauen immer ins Bett gehen?
Kann ein Junge Jungfrau sein?
Kriegen Schwule Kinder?
Hier war eine große tour d'horizon nötig über sexuelle Präferenzen, die Frage, was zu tolerieren ist, was früher als pervers galt, wie man das heute sieht.
Es geht um den Punkt Gewalt und Selbstbestimmung in Liebesdingen, das Zauberwort "Nein" und dass es unbedingt einzuhalten ist und um die Weisen, wie homosexuelle Paare auch Eltern sein können.
Gestreift werden mögliche Perversionen, Fetischismen, Gewalt, Sodomie, Pädophilie.
Eine Frage bezieht sich auf die männliche Anatomie, im Verlauf der Antwort komme ich auf die Tatsache, dass der männliche Samen das Geschlecht des Kindes bestimmt, dass bei jedem von uns eine Art Samen den Wettlauf gewonnen hat, auf den Orgasmus, den Samenerguss und die Masturbation zu sprechen. Vorher hatten wir über die weibliche Regel gesprochen. Ich hatte erzählt, dass bei mir auf dem Gymnasium eine Biologielehrerin gewesen war, die ich sehr gemocht hatte, sie hatte uns gesagt: Mädels, dass Ihr Eure Regel habt, freut Euch drüber, Euer Körper reinigt sich jeden Monat, die Männer haben das nicht, deshalb sterben sie auch früher!"
Ich sage den Kindern, dass ich denke, dass das nicht stimmt, aber es half mir damals, die Tatsache, dass ich monatlich meine Regel bekam, besser anzunehmen.
Über Schwangerschaft, Geburt und den wunderbaren Augenblick, wenn Frau ihr Kind nach großer Anstregung zum ersten Mal in den Arm nehmen kann - un-ver-gleich-bar!!! hatten wir schon früher gesprochen.
Irgendwann war die Luft dicke, es war zu spüren, es reicht für heute. Ein Blick in die Runde, die sich auflöst: Auch Kinder, die nicht jede dieser Fragen selbst gestellt hätten, wirkten nicht belastet. Mehrmals hatte ich gesagt: Gut, letzte Frage, dann hören wir für heute auf! Und immer: Nein, weiter, meine Frage zuerst...
Eine dreiviertel Stunde hatten wir über das alles gesprochen und dabei auch viel gelacht, aber es war eine heitere Art von Lachen gewesen, die es leichter macht, über das alles zu sprechen.
Die hardcore-Fragen habe ich mir für das nächste Mal aufgehoben. Da muss ich erst einmal darüber nachdenken...Manches vielleicht doch nur in geschlechtsgetrennten Gruppen?..
In der Stunde danach lasen wir im "Friedrich" weiter. Es war bedrückend. Friedrichs Vater, Beamter, war entlassen worden, mit 32 Jahren. Als die Mutter des Erzählers fragt, warum, sagt Friedrichs Mutter weinend mit Betonung auf jeder Silbe: "Weil wir Juden sind."
In der 5. Stunde ist Rechtschreiben in den altbekannten Bahnen. Ich diktiere Emmely und Lilly den ersten Teil eines Prüfungsdiktats. Cherry und Bastian bekamen ihre Diktate zurück, es waren ein paar Fehler mehr geworden als gedacht und nur "Dreien" geworden.
In der 6. Stunde, Fördern, arbeiten Mario, Tobi und ich uns durch den Kabelsalat und den Dreck am unbrauchbar gewordenen Computertisch hindurch, wir bekommen alles sauber und das Ding zum Laufen, ich komme aber in den Klassenblog nicht hinein, weil das Passwort angeblich nicht stimmt...Na ja.
Danach war ich noch im Schulbuchverlag, Ideen sammeln, und das war's für heute!