Sonntag, 15. März 2015

Sie leuchtet!


Die vergangene Schulwoche: Bei frühlingshaftem Wetter in der Pause Fußball spielen war sehr beliebt.






Unterrichtsthema Stromkreise in Sachkunde: Seit Monaten stehen in der Klasse die Schuhkartonzimmerchen herum, tapeziert, zum Teil mit schönen Einrichtungen versehen.

Sie sind aber noch nicht elektrifiziert und sollen eine funktionierende Beleuchtung bekommen.

Sie einzubauen, sind ein paar Kenntnisse notwendig.

Um die Eigenaktivität zu steigern (Wozu haben die Kinder lesen gelernt??) und die Kooperation miteinander  zu verbessern, stellte die Lehrerin einige Blätter mit Aufgabenbeschreibungen und Anleitungen zu Experimenten her.

Diese sollten in Dreiergruppen bearbeitet werden, und zwar in eigener, kooperativer Anstrengung.

Die Lehrin stand explizit nicht zur Verfügung, sie steckte sozusagen im Material und war Teil einer Gruppe mit Kindern, die nicht sehr verhaltenssicher sind.

In jeder Gruppe gab es einen guten Leser/Leserin, die/der gegebenenfalls etwas vorlesen konnte, wenn die Dinge zu sehr ins Stocken kämen.

Bewusst hatte die Lehrerin Kinder in den Gruppen zusammengebracht, die sich von sich aus nicht gewählt hätten.
Das löste Erstaunen und schwachen Protest aus.

Aber liegen in solchen Konstellationen nicht auch Chancen? Man lernt die anderen vielleicht einmal von einer anderen Seite kennen oder gar schätzen?

Die zweite Vorgabe war der immanente Zwang zur Zusammenarbeit, Voraussetzung sorgfältige mehrfache Lektüre, um zu verstehen.





 Versuche mit elektrischem Schwachstrom haben einen Vorteil: Gelingen/Misslingen sind anschaulich: Die Glühlampe leuchtet oder nicht.
Das ist eine gute Rückmeldung.




Entsprechend groß war die Freude, wenn die Lampe am Ende aufleuchtete.




Am Ende jeder Lernzeit machten wir eine Rückfrage. Die Kinder bewerteten die Zusammenarbeit innerhalb ihrer Gruppe mit einer Zahl zwischen 0 und 10.




Wenige waren unzufrieden. Das war ein Anlass, nachzufragen, warum hier oder dort die Zufriedenheit ausgeblieben war und anschließend etwas zu verändern oder auf etwas hinzuweisen.

Die meisten Kinder bewerteten ihre Zufriedenheit in der Kooperation mit Zahlen zwischen 8 und 10.





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Zwei Teilungsstunden fanden im Werkraum statt, mit je einer Hälfte der Klasse.
Die Kinder sägten Würfel von Kanthölzern ab, die später zum spielerischen Wortauf- und -abbau im Lese- und Rechtschreibunterricht  genutzt werden sollen.
Es gab sehr unterschiedliche Ergebnisse. Manches Kind sägte einen Würfel ab, andere zehn oder gar zwanzig.
Beim nächsten Arbeiten mit der Säge sollte herausgearbeitet werden, dass manche Sägen auf Stoß sägen und manche auf Zug, so kann man seine Technik verbessern.

Wie gewohnt arbeiteten wir im Deutschunterricht auch an den Lola-Heften und am Schreiblehrgang weiter.
Als wir dabei waren, kamen immer wieder einzelne Schüler und sagten: " X arbeitet nicht, sie malt herum."
Ich schickte sie zurück.

Das war Anlass für ein späteres Gespräch mit der Klasse und einem mit X: Wenn ein Kind eine Regel nicht einhält, aber niemand davon geschädigt wird, ist das kein Grund, es der Lehrerin zu sagen. Sie kann es auch selbst bemerken. Wichtig ist, dass jede(r) selbst die Regeln einhält.

Wenn ich aber geschädigt werde, gekränkt, verletzt oder beleidigt, dann soll ich das sagen, denn dann trete ich für mein Recht auf seelische und körperlich Unversehrheit ein und kümmere mich darum, dass es mir gut geht.

X erklärte mir, dass sie ihren Eltern einen Brief schreiben wolle. Tatsächlich stellte sich später heraus, dass sie bei den Unterrichtsmaterialien schon sehr weit gekommen war.
Sie schrieb also weiter an ihrem Brief und wurde nicht daran gehindert.





Ihre Gedanken waren bei der Familie und bei einem Strandurlaub.





Oft kommen Kinder, die selbst sehr unsicher mit den Regeln sind, um "Fehler" anderer zu - naja, zu verpetzen. Sie sollten mehr auf das achten, was sie selbst tun oder es dem Kind selbst sagen. Diese Möglichkeit besteht ja auch.




Die Woche war schon sehr nach meinem Geschmack,
mir waren mal wieder Ideen zugeflogen und ein paar davon hatte ich umsetzen können. Die Kinder hatten etwas damit anfangen können. Das empfinde ich wie ein Geschenk.

Durch meine kurze, aber heftige Krankheit war etwas bei mir durchgepustet worden.

Ich stand wieder mehr hinter dem, was ich anbot, hatte wieder mehr Ideen, auf deren Erfahrung mit der Umsetzung ich selbst neugierig war.
Ich brauche das, sonst wird mir alles grau.



Im Verlauf des Briefeschreibens
wurde die Fotokiste
entdeckt und ihr Inhalt 
laut kommentiert. 


Noch ein Luftballon, der diesmal in Brandenburg in einem Graben gefunden wurde! Lauras Luftballon.
Ein Drittel der Luftballons der Klasse, die am Lesefest weggeschickt worden waren, hat eine Resonanz gefunden. Das ist ein schönes Ergebnis.





Lilly zeigte uns ihre sehr ansprechenden Kreationen aus gemalten Schmetterlingen oder anderen Tieren auf sehr bewusst gewähltem Untergrund. Sie sprudelt über vor Ideen und setzt sie mit großer Hingabe um.







In dieser Woche schrieben wir noch einen Abschiedsbrief an einen Mitschüler, der umgezogen ist.

Wir bekamen auch Post: Von Karla, die mit uns das erste Schuljahr gemeinsam bestritten hatte. Sie ist nun pensioniert und  genießt die freie Verfügung über ihre Zeit nach einem langen und intensiven Arbeitsleben.

Hallo Karla - wir schreiben zurück!!!
Schöne Grüße an Kinu, den liebenswerten Grund, warum Du zu Hause unabkömmlich bist und uns derzeit nicht besuchen kannst!!!





Jasper hatte mit großer Hingabe ein Pferd gezeichnet - nein, es sind zwei! - Es sieht wunderschön aus.

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Würde so gerne jetzt an den Elektrosachen weiter "basteln", muss aber UNBEDINGT noch den ganzen bürokratischen Anmeldekram für die Klassenfahrt im September hinter mich bringen.
Ça m'énerve!!!

Dieses war der 300. Blogpost. Das Blog besteht seit 2012.

:)))

Samstag, 7. März 2015

Warum war das so sehr schwer?

Wer seinen Hesse gelesen hat, der kennt diesen Satz:

"Ich wollte ja nichts als das zu leben versuchen, 
was von selber aus mir heraus wollte. 
Warum war das so sehr schwer?"

Mit diesen Worten beginnt Hermann Hesses "Demian", und man sollte dieses Buch in jungen Jahren lesen. Danach liest es sich anders und hat seine Würze und seine Anziehungskraft verloren.
Ich verschlang es mit 25 und war gefesselt, fasziniert. Als ich es mit 50 wieder las, hatte es seine Wirkung vollkommen verloren. Es ist ein Buch vom Aufbruch, kein Buch für "alte Säcke".


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Das Gute am Kranksein ist, dass man nachdenken, nachsinnen kann, um mal ein altmodisches Wort zu gebrauchen.
Das hat mit Selbstbemitleiden nichts zu tun. Bisher habe ich noch in fast allen Krankheiten - es waren zu meinem großen Glück wenige - einen seelischen Anteil entdeckt, und die Heilung schritt schneller voran, wenn der aufgedeckt war.

Das alte Programm der Aufklärung: Bringe Licht ins Dunkel, das verscheucht die unguten Geister.

Und ein stetiges Programm der Arbeit am inneren Gemeinwesen, wie Oskar Negt und Alexander Kluge in ihrem "Geschichte und Eigensinn" beschrieben haben.

Da sitzen also die verschiedenen inneren Instanzen zusammen und reden miteinander und wer sich da zu herrisch aufspielt und die anderen beherrschen will, wird in seine Schranken gewiesen, denn keiner ist hier der Boss, das ist eine demokratische Veranstaltung.

Dieser Gedanke gefiel mir: Der Körper, dieser arme unterdrückte Knecht, ohne den aber gar nichts geht, der lange mit sich machen lässt und dann mit Krankheit streikt, so dass der Mensch, der ihm und dem er angehört, wieder einmal zur Besinnung kommen kann, was er da eigentlich die ganze Zeit mit ihm anstellt, der kriegt jetzt mal Gehör und hat eine Stimme.

Die Seele, der so oft von frühester Zeit an Gewalt angetan wurde, weil der Eigensinn (den Hermann Hesse den Sinn für das Eigene nannte) gebrochen werden sollte, weil das Kind von Anfang an Projektionsfläche und familiäres Kapital für seine ehrgeizigen Eltern sein sollte, sie darf sich mal ausweinen, zu sich bekennen.

"Aber Kind, ich will doch nur Dein Bestes!"
"Eben darum. Genau das möchte ich für mich behalten."


Der Geist - hier wird beim Lesenden die meiste Abwehr entstehen. Allein schon bei dem Namen! Widerlich, nicht wahr?

Ja, in geistlosen Zeiten ist der Geist kein wohlgesehener Gast in den Häusern, sogar an der Uni ist er derzeit nicht mehr gelitten.

Hierzu gibt es unter vielen sehr klare Äußerungen von Klaus Heinrich, einem der Mitbegründer der FU oder Konrad Paul Liessmann .

Er, der Geist, mit dem Verstand 

(Ach ja, der gute Kant: Verstand ist die Fähigkeit zu unterscheiden. Und was wohl? Na, das Wichtige vom Unwichtigen und das wohlbegründet. Oha, das klingt nach Arbeit. Da ziehen wir uns lieber ein Filmchen rein?) 

und mit der Vernunft, die das ganze in einen Zusammenhang einordnet, der dem Ganzen einen Sinn gibt.

Oft sagen ja die Leute "denken", wenn sie den Fluss von Assoziationen meinen, in dem sie ständig schwimmen wie der Fisch im Wasser.



Aus: David Foster Wallace:
Das hier ist Wasser.-
Anstiftung zum Denken.
Kiepenheuer & Witsch, 2014

Aber eigentlich ist das noch nicht Denken. Das gäbe bloß das Material dazu.

Denken ist wie das mentale Aufräumen einer Messie-Wohnung, harte Arbeit, aber es macht unglaublich viel Freude, denn es erbringt so viele gute Früchte.

Einer nannte es immer "Happy hours in Theory", und manchmal kann ich spüren, was er damit meinte.

Darum ist dieser blöde, im Wortsinn blöde Alltagsgegensatz: Praxis = gut , Theorie = bäh eine der größten und leider nachhaltigsten Idiotien, die mir je untergekommen sind.

Theorie ist eine andere Form von Praxis und ohne sie sind wir den herrschenden und uns umgebenden, uns bestimmenden Verhältnissen ausgeliefert wie die Seifenblase dem Wind.

Leider ist diese denk- und geistfeindliche Anschauung, Theorie sei etwas Schlechtes und Überflüssiges, in der Pädagogik überaus weit verbreitet. Wozu das führt, sieht man ja.

In einfacheren und vormodernen Gesellschaften wird Denken als aktive Auseinandersetzung mit dem Vorhandenen durch die Konvention ersetzt, diese nimmt den Menschen Anstrengung ebenfalls ab, sanktioniert Übertritte aber mehr oder weniger drakonisch.

Warum das alles jetzt hier? Wo war ich gerade?
Beim inneren Gemeinwesen.

Der Körper streikt, das innere Gemeinwesen lässt die Seele sich etwas ausweinen und geht mit den beiden ins Gespräch. Da sitzen dann auch Ich-Anteile des realitätsgerechten Verhaltens mit den verinnerlichten Konventionen und Elternimperativen in Form eines strengen Über-Ich, freudianisch gesprochen, mit am Tisch und alles wird zur Sprache gebracht, es wird auch geheult und mitfühlend nach allen Seiten sortiert und die verschiedenen Berechtigungen untersucht.
Auch Intuitionen dürfen dabei sein, sie können sehr wichtig sein und ihnen wird gemeinsam nachgespürt, was sie denn an Bedeutungsvollem beeinhalten könnten.
Nichts ist unwichtig. Es gibt keine Hierarchie. Alles wird ausdiskutiert. Bis sich das für alle Beteiligten wieder gut anfühlt.

So gerät das Schiffchen des eigenen inneren Gemeinwesens auf seinen persönlichen Kurs, es navigiert nach den Sternen, die es am Himmel sieht und wird der Klippen gewahr, die unter seinem Kiel lauern.

Und plötzlich hört man die Vögel singen und sieht -- Land!





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Gebote aber haben leider stets eine fatale Wirkung auf mich gehabt, mochten sie noch so richtig und noch so gut gemeint sein 

– ich, der ich von Natur ein Lamm und lenksam bin wie eine Seifenblase, 

habe mich gegen Gebote jeder Art, zumal während meiner Jugendzeit, stets widerspenstig verhalten. 

Ich brauchte nur das „Du sollst“ zu hören, so wendete sich alles in mir um, und ich  wurde verstockt. 

Man kann sich denken, daß diese Eigenheit von großem und nachteiligem Einfluß auf meine Schuljahre geworden ist.

Hermann Hesse und die Schule - ein lohnendes Thema .