Samstag, 7. März 2015

Warum war das so sehr schwer?

Wer seinen Hesse gelesen hat, der kennt diesen Satz:

"Ich wollte ja nichts als das zu leben versuchen, 
was von selber aus mir heraus wollte. 
Warum war das so sehr schwer?"

Mit diesen Worten beginnt Hermann Hesses "Demian", und man sollte dieses Buch in jungen Jahren lesen. Danach liest es sich anders und hat seine Würze und seine Anziehungskraft verloren.
Ich verschlang es mit 25 und war gefesselt, fasziniert. Als ich es mit 50 wieder las, hatte es seine Wirkung vollkommen verloren. Es ist ein Buch vom Aufbruch, kein Buch für "alte Säcke".


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Das Gute am Kranksein ist, dass man nachdenken, nachsinnen kann, um mal ein altmodisches Wort zu gebrauchen.
Das hat mit Selbstbemitleiden nichts zu tun. Bisher habe ich noch in fast allen Krankheiten - es waren zu meinem großen Glück wenige - einen seelischen Anteil entdeckt, und die Heilung schritt schneller voran, wenn der aufgedeckt war.

Das alte Programm der Aufklärung: Bringe Licht ins Dunkel, das verscheucht die unguten Geister.

Und ein stetiges Programm der Arbeit am inneren Gemeinwesen, wie Oskar Negt und Alexander Kluge in ihrem "Geschichte und Eigensinn" beschrieben haben.

Da sitzen also die verschiedenen inneren Instanzen zusammen und reden miteinander und wer sich da zu herrisch aufspielt und die anderen beherrschen will, wird in seine Schranken gewiesen, denn keiner ist hier der Boss, das ist eine demokratische Veranstaltung.

Dieser Gedanke gefiel mir: Der Körper, dieser arme unterdrückte Knecht, ohne den aber gar nichts geht, der lange mit sich machen lässt und dann mit Krankheit streikt, so dass der Mensch, der ihm und dem er angehört, wieder einmal zur Besinnung kommen kann, was er da eigentlich die ganze Zeit mit ihm anstellt, der kriegt jetzt mal Gehör und hat eine Stimme.

Die Seele, der so oft von frühester Zeit an Gewalt angetan wurde, weil der Eigensinn (den Hermann Hesse den Sinn für das Eigene nannte) gebrochen werden sollte, weil das Kind von Anfang an Projektionsfläche und familiäres Kapital für seine ehrgeizigen Eltern sein sollte, sie darf sich mal ausweinen, zu sich bekennen.

"Aber Kind, ich will doch nur Dein Bestes!"
"Eben darum. Genau das möchte ich für mich behalten."


Der Geist - hier wird beim Lesenden die meiste Abwehr entstehen. Allein schon bei dem Namen! Widerlich, nicht wahr?

Ja, in geistlosen Zeiten ist der Geist kein wohlgesehener Gast in den Häusern, sogar an der Uni ist er derzeit nicht mehr gelitten.

Hierzu gibt es unter vielen sehr klare Äußerungen von Klaus Heinrich, einem der Mitbegründer der FU oder Konrad Paul Liessmann .

Er, der Geist, mit dem Verstand 

(Ach ja, der gute Kant: Verstand ist die Fähigkeit zu unterscheiden. Und was wohl? Na, das Wichtige vom Unwichtigen und das wohlbegründet. Oha, das klingt nach Arbeit. Da ziehen wir uns lieber ein Filmchen rein?) 

und mit der Vernunft, die das ganze in einen Zusammenhang einordnet, der dem Ganzen einen Sinn gibt.

Oft sagen ja die Leute "denken", wenn sie den Fluss von Assoziationen meinen, in dem sie ständig schwimmen wie der Fisch im Wasser.



Aus: David Foster Wallace:
Das hier ist Wasser.-
Anstiftung zum Denken.
Kiepenheuer & Witsch, 2014

Aber eigentlich ist das noch nicht Denken. Das gäbe bloß das Material dazu.

Denken ist wie das mentale Aufräumen einer Messie-Wohnung, harte Arbeit, aber es macht unglaublich viel Freude, denn es erbringt so viele gute Früchte.

Einer nannte es immer "Happy hours in Theory", und manchmal kann ich spüren, was er damit meinte.

Darum ist dieser blöde, im Wortsinn blöde Alltagsgegensatz: Praxis = gut , Theorie = bäh eine der größten und leider nachhaltigsten Idiotien, die mir je untergekommen sind.

Theorie ist eine andere Form von Praxis und ohne sie sind wir den herrschenden und uns umgebenden, uns bestimmenden Verhältnissen ausgeliefert wie die Seifenblase dem Wind.

Leider ist diese denk- und geistfeindliche Anschauung, Theorie sei etwas Schlechtes und Überflüssiges, in der Pädagogik überaus weit verbreitet. Wozu das führt, sieht man ja.

In einfacheren und vormodernen Gesellschaften wird Denken als aktive Auseinandersetzung mit dem Vorhandenen durch die Konvention ersetzt, diese nimmt den Menschen Anstrengung ebenfalls ab, sanktioniert Übertritte aber mehr oder weniger drakonisch.

Warum das alles jetzt hier? Wo war ich gerade?
Beim inneren Gemeinwesen.

Der Körper streikt, das innere Gemeinwesen lässt die Seele sich etwas ausweinen und geht mit den beiden ins Gespräch. Da sitzen dann auch Ich-Anteile des realitätsgerechten Verhaltens mit den verinnerlichten Konventionen und Elternimperativen in Form eines strengen Über-Ich, freudianisch gesprochen, mit am Tisch und alles wird zur Sprache gebracht, es wird auch geheult und mitfühlend nach allen Seiten sortiert und die verschiedenen Berechtigungen untersucht.
Auch Intuitionen dürfen dabei sein, sie können sehr wichtig sein und ihnen wird gemeinsam nachgespürt, was sie denn an Bedeutungsvollem beeinhalten könnten.
Nichts ist unwichtig. Es gibt keine Hierarchie. Alles wird ausdiskutiert. Bis sich das für alle Beteiligten wieder gut anfühlt.

So gerät das Schiffchen des eigenen inneren Gemeinwesens auf seinen persönlichen Kurs, es navigiert nach den Sternen, die es am Himmel sieht und wird der Klippen gewahr, die unter seinem Kiel lauern.

Und plötzlich hört man die Vögel singen und sieht -- Land!





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Gebote aber haben leider stets eine fatale Wirkung auf mich gehabt, mochten sie noch so richtig und noch so gut gemeint sein 

– ich, der ich von Natur ein Lamm und lenksam bin wie eine Seifenblase, 

habe mich gegen Gebote jeder Art, zumal während meiner Jugendzeit, stets widerspenstig verhalten. 

Ich brauchte nur das „Du sollst“ zu hören, so wendete sich alles in mir um, und ich  wurde verstockt. 

Man kann sich denken, daß diese Eigenheit von großem und nachteiligem Einfluß auf meine Schuljahre geworden ist.

Hermann Hesse und die Schule - ein lohnendes Thema .

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