Freitag, 24. Februar 2012

Der Freitag ist ein schöner Tag

Der Freitag ist ein schöner Tag: Man kommt erst um halb 10 zur Schule und kann vorher länger schlafen. Dann sind nur zwei Stunden Unterricht und man hat noch genug Energie, mit den kleinen Kindern aus der Schulanfangsphase just for fun Bälle zu filzen....
Dann noch ein Gespräch mit einer Kollegin, schon ist  es 14 Uhr. Schön. Alles gut in der Balance.
Im Unterricht selbst hatte ich vor, im "Friedrich" ein Kapitel weiter zu kommen. Aber vorher wollte ich  im Stuhlkreis über die Gedenkfeier gestern sprechen und die Verbrechen, die dazu geführt hatten.
Das Einrichten des Stuhlkreises ist eine sehr zähflüssige, anstrengende Sache. Es entsteht eigentlich kein Kreis, sondern sozusagen zwei Klammern und es hat dazu zwei weite klaffende Lücken dazwischen.
Wenn ich Kinder auffordere, den Kreis zu schließen, passiert gar nichts. Dann forderte ich persönlich Kinder auf, bis zum anderen Nachbarn nach links oder rechts zu rücken und den Kreis zu schließen. Das Kind setzt sich umständlich einen halben Meter weiter, niemand rückt nach und das ganze Procedere beginnt von Neuem. Die Gründe dafür habe ich noch nicht herausfinden können.

Ich dachte, ich muss also sozusagen bei Adam und Eva anfangen und fragte: "Was ist Ästhetik?" Wir hatten das schon einmal geklärt, was das ist anhand der Tatsache, dass morgens immer neben an Tischen sitzenden Kindern Stühle auf Tischen stehen und es aussieht wie in einer Bahnhofsgaststätte nach Mitternacht...Ja, es geht dabei um das, was schön ist. Wunderbar. Es sieht nicht schön aus, wenn man einen Kreis haben will und man hat zwei Klammern mit halb aufeinander sitzenden Kindern und dazu zwei große, klaffende Lücken.

Warum machen wir einen Stuhlkreis?? Damit beim Sprechen jeder jeden sieht und beim Sprechen wahrnehmen kann. Schön. Vorher legte ich schon fest: Man muss es stets wiederholen: Mädchen/Junge/Mädchen/Junge, was seine Grenzen hat bei acht Mädchen und zwölf Jungen.
Der langen Rede kurzer Sinn: Es schluckt schon viele Kräfte, bevor das Gespräch überhaupt losgeht.

Die Erwähnung der Gedenkminute (und: Warum macht man so etwas?) gestern bringt gleich Wortmeldungen hervor. Pablo muss das Reissäckchen, das er in Händen hält und zu meiner Verzweiflung immer hochwirft, abgeben, es wird als Redesäckchen benutzt. Jetzt muss man keine Impulse mehr geben, das Gespräch überschlägt sich fast. 

Jeder erzählt eine Geschichte von erlebten Neonazibegegnungen, ein Drittel der Schüler hat schwarzgekleidete Glatzköpfe mit "Lonsdale"-Logo, Hakenkreuzen, 18 und 88 , Typen mit Springerstiefeln mit weißen Schnürsenkeln etc. erlebt. Ganz Kreuzberg ist anscheinend voll mit diesen Finsterlingen.
Zwischendurch denke ich: "Hmm, dann müsste ich doch auch schon einmal so einen gesehen haben.." 
Wir sprechen über NSDAP, NPD, Verfassungsschutz, Zivilpolizisten, und auch noch über einen Mann, den viele kennen, der im Hertha-Kostüm in der Gneisenaustraße herumläuft, alle Leute fragt, ob sie Hertha-Fans seien und wenn sie verneinen, ihnen eine Rote Karte zeigt...
Das Gespräch dauert eine Schulstunde. Im Grunde sind die Zuhörkräfte erlahmt, aber die Gesprächspower ist noch da. Abbruch. 
Trotzdem. Es war ein gutes Gespräch, wichtig, um die Geschehnisse um die Ermordungen von Mitbürgern mit türkischer und griechischer Herkunft durch rechtsradikale Mörder einmal gemeinsam zu erörtern. (Die Täter, die mutmaßlichen Täter sind tot oder noch nicht verurteilt.) 
Danach noch den "Friedrich", das geht nicht. 
Also schreiben wir; ich diktiere Sally einen Teil ihres Diktates, bekomme viel davon mit, wie sie schreibt, was so ihre Strategien sind. 
Kerstin baut mit drei Kindern neue Sätze an der Freinet-Druckerei. Anscheinend kann man mit geritzten Bildern auf der Innenseite von Tetra-Packungen auch Bilder drucken. Ich kann nur kein Foto davon bringen, weil ein Junge seinen wirklichen Namen hineingesetzt hat.
Ganz schnell sind wir am Ende der vierten Stunde angekommen, Ende des Unterrichts für heute. 
Mario hatte die Erlaubnis seiner Mutter zur Einrichtung eines Blogs bei blogger mitgebracht, er richtete sich den ein und fachsimpelte mit Selena, die neben ihm vor dem Computer saß, über die graphische Gestaltung der Blogoberfläche.
Zum Schluss hat er sein Passwort liegen lassen, die Lehrerin versteckt es gut für nächste Woche.
Ja, und dann sind wir im Wochenende.

Ich freue mich auf den Besuch des Zuckermuseums am Sonntag zur Vorbereitung, am Mittwoch mit der Gruppe und am Donnerstag den Besuch des Naturkundemuseums mit der ersten Teilgruppe, "um," wie es so schön von Mario hieß, "alles noch einmal in Ruhe zu bewundern."
Mesut hat übrigens heute vorbildlich gearbeitet. Ich bekam drei Mal gezeigt, wieviel er heute "geschafft" hatte. :-)  Sahne.
Ach ja, Ronaldo schwenkt mit einem dicken blauen Ordner mir vor der Nase herum. Prima!

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