Montag, 27. Februar 2012

Grrr!!!

Um kurz nach 3 Uhr nachts war ich wach. Im Traum hatte ich mich schon für einen Wettbewerb fit gemacht, den ich machen musste, damit die anderen Traumbewohner mit mir zufrieden waren, aber ich hatte das eigentlich gar nicht gewollt, trotzdem hatte ich versucht, wie ein Profisportler mich locker zu machen. Viertel nach drei. Überall im Körper Spannung, lässt sich nicht wegfühlen, wegatmen oder sonst etwas. Hatte gestern im Anti-Krebs-Buch von Servan-Schreiber gelesen, vielleicht beschäftigte mich das auch. Habe Angst, nach vierzig Jahren Vertröstung aufs Leben nach dem Berufsleben kurz vor oder nach der Pensionierung todkrank zu werden. Darf man so was auch mal sagen??? Das hätten "sie" gern, dann könnten sie sich die Rente sparen..

Das Gespräch mit Meryem gestern, unserer Sozialarbeiterin, verlief sehr gut, klärend, und ich war mit Hintergrundinformationen gut und ausreichend versorgt, so dass mir das Gespräch am kommenden Freitag mit der Mutter seelisch nicht mehr so belastend erschien und auch sachlich angemessener geführt werden kann. Ein Gespräch zu führen, um ein Gespräch angemessen führen zu können...

Es war auch so eine-Morgens-im-Bett-liegen-und-nicht-schlafen-können-Situation gewesen, wo mir diese Idee gekommen war. Es war eine gute Idee gewesen. Meryem hatte es nicht verwunderlich gefunden, dass ich Informationen brauchte, um mich in allen Dimensionen des Gesprächs richtig verhalten zu können, nicht nur in meiner Sichtweise darauf. Sie hatte mir Tee angeboten, wohlschmeckenden Pfefferminztee, und ich hatte dankbar angenommen. Es war 13 Uhr gewesen, ich bemerkte da, dass ich seit 6 Uhr morgens nichts mehr getrunken hatte...

Das, was ich ihr sagen konnte, was sie mir sagte, ist sicher nicht zum Rezitieren geeignet. Das Gespräch bewegte sich so, dass ich sozusagen in der Sache "Fleisch auf die Knochen" bekam. Die "Knochen", das ist der Tenor meines Textes von vorher. Ich bin ihr dankbar dafür. Sie hatte kollegiale Zeit für mich. In einer Pause hatte ich noch eine anstrengende Aufsicht geführt, in der anderen hastig meinen Kartoffelsalat heruntergeschlungen. Ich esse nicht in der Schule. Erstens bin ich Vegetarierin. Ich habe keine Lust, zwischen lauter aus Körpern herausgelösten widerlich riechenden Masthähnchenschenkeln zu sitzen und ein seit Stunden warm gehaltenes Gemüse zu mampfen. Wenn es denn Gemüse ist und nicht nur Kohlehydrate. Bei uns wird nicht mehr gekocht. Nur noch in der Mikrowelle warm gemacht. Seit Sommer. Obwohl wir eine tolle, voll ausgestattete Küche haben. Die Küchenfrauen sind sehr nett. Sie können nichts dafür. Aber ich kann diese Fleischgerüche nicht mehr so gut riechen. Für mich ist es eklig. Ich will mich auch nicht für besser erklären als andere, will respektieren, wenn andere essen, was sie mögen, aber ich will dann nicht dabei sein.

Während eines Schultages gehen die persönlichen Bedürfnisse, Essen, Trinken, Ruhen, völlig unter. Alles ist komprimiert in viel zu wenig Zeit. Eine Atmoshäre von Rastlosigkeit und Stress. 
Deshalb nahm ich die ruhige Gesprächssituation, die Meryem schaffte, so dankbar an.
Also, nachdem ich im Traum auch wieder nur gekämpft hatte - wofür bloß eigentlich??, lag ich schlaflos da.
Als um vier Uhr die ersten Vögel anfingen zu singen, also so vor einer halben Stunde, da dachte ich: Wenn die Vögel jetzt wach sind, kannst Du auch aufstehen. Immerhin war ich am Vorabend sehr früh ins Bett gegangen.

Ich bin immer noch nicht da, wo ich eigentlich hin will: Erstens, dass ich mich fühlte, als habe ich mich abends nicht gewaschen, weil ich über meinen Schultag noch nicht nachgedacht hatte. Zweitens, weil ich gestern nicht nachdenken wollte, weil es so...gewesen war. Laut, verschwatzt, unaufmerksam, unordentlich, einfach unangenehm.
Mein differenziertes Rechtschreibkonzept fährt jetzt vernehmlich an die Wand, weil die Erzieherin nun schon in der dritten Woche fehlt. Sie hatte im Unterricht oft geholfen. Die Vertreterin taucht im Unterricht nicht auf. Vielleicht muss sie gar nicht...Zwei Förderlehrerinnen fehlen, die eine, weil sie krank ist, die andere, weil sie diese in ihrer Klasse vertreten muss. Mit einem Lehrer pro zwanzig Schülern ohne jegliche personelle Unterstützung kann ich die Differenzierung in dieser Form einstellen. Dann geht es nur noch im Gleichschritt Marschmarsch. Ich will das nicht, habe mich lange gegen die Einsicht gesträubt. Aber ich kann nicht z.B. ein Prüfungsdiktat diktieren, das gerade dran ist und ohne das das Kind nicht weiterarbeiten kann und gleichzeitig andere Kinder in ihrem Lernen betreuen.

Wieder mal in den Abgrund gefallen, der da klafft zwischen den schönen rosa Worten unserer Amtsbehörde im Tagesspiegel und der traurigen Realität.

Ich lass das jetzt liegen und mache frontalen Input mit differenzierten Übungen. So. Ja. Geht nicht anders. Bin nicht Jesus. Habe meine Grenzen. Bin nur eine kleine, alte Lehrerin.

Ja, Ihr tollen Schulinspektoren, Ihr würdet das sicher alles viel besser machen. Oder Ihr Schulräte. Klar könnt Ihr das besser! So vom Schreibtisch her.

Ali habe ich gestern gesagt, von mir aus kann er Autoverkäufer werden. Ich mach mir nicht mehr den Kopf für ihn heiß, wenn er gleich bei jeder Kleinigkeit die Flinte ins Korn wirft. Danach hat er noch einmal etwa drei Zeilen geschrieben. Er war müde bis zum Umfallen nach dem Wochenende.

Als ich am Nachmittag die Tierschutzlehrerin des Tierheims sprach, die beim vorigen Mal mit ihrem Hund in die Tierschutz-AG gekommen war, sagte sie mir, Ali und Murat hätten sich lautstark vor Pollo gemacht und die Distanz zum Hund nicht eingehalten, sie habe nichts machen können, sie seien nicht ansprechbar gewesen.
Pollo ist ein sehr friedlicher Hund. Er arbeitet ja auch mit Frau P. Aber so kann es kommen: Zwei dumme Jungen hampeln vor einem Hund herum, fuchteln oder fassen ihn an und er schnappt zu. Dann großes Geschrei, was für eine Bestie er ist und er wird getötet. Man sagt wohl euphemistisch  "eingeschläfert". Und wer war "schuld"? Ntürlich der Hund.

Die Erzieherin, die zur Vertretung da ist, sagte, am Vortag sei Bastian ganz frech gewesen, habe sie beleidigt. Mich auch gestern. Da flog er aus der Klasse heraus. Er ist so geltungssüchtig, sucht immer die Bühne.

Aus der zweiten Pause kam Manuel weinend, begleitet von zwei Jungen. Fünf Jungen aus der 6. Klasse hätten sich auf ihn geschmissen und ihn verprügelt, als die Hofaufsicht schon weg war. Komisch. Ich gehe immer, wenn ich hinten Aufsicht habe, als letzte nach vorne...Ich will mich nicht groß tun, aber wenn andere das auch machen würden und nicht beim Klingeln als erste verschwänden, dann müsste ich heute nicht groß das nacharbeiten. Das dauert bestimmt wieder eine Stunde. Und die Botschaft an diese Kinder ist: Wenn Ihr so etwas macht, geht es nicht so einfach durch. Es wird Ärger geben, wo die Einsicht fehlt. 
Kein Wunder, dass ich nicht zum Korrigieren komme...
Beim Schreiben merke ich, wieviel Aggression und Verzweiflung in mir ist. Ich als Sisyphos, lieber Herr Camus, bin kein glücklicher Mensch!
Wo ist die Supervision, liebe Schuloberaufsichtsbeamte? Natürlich eine innerhalb des Stundendeputats. Das gehört zu einer Arbeit wie der unseren dazu. Am Wochenende, liege Amtströger,  mache ich die nicht. Stellt Euch vor: Da habe ich frei.


Im letzten Jahr habe ich mit 4/5 des Stellenanteils über 1600 Jahresarbeitsstunden gearbeitet. Mir braucht keiner sagen, ich müsste mehr arbeiten.
Ja, ne, jetzt ist mir besser. 
Il est cinq heures, Berlin s'èveille..

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