Sonntag, 4. März 2012

Gemeinsame Akteure, nicht Kunden

Ich weiß nicht, ob ich jetzt schreiben darf. Habe vorhin in der Schule anrufen müssen, dass ich nicht komme. Jetzt sind die beiden Lehrer der Klasse krank, das tut mir sehr Leid. Ich wäre lieber zur Arbeit gegangen, habe am Wochenende nur Krankenpflege betrieben, tagsüber geschlafen, abends früh schlafen gegangen, getrunken, Vitamine genommen, gesund gegessen und, weil ich dachte, das schaffe ich bis zum Montag, in fleißigster Manier alle Schreibarbeiten der Kinder korrigiert, bestimmt vierzehn Stunden lang so zwischendurch, zwischen dem Ruhen.
Kein Privatleben, gar nichts. Trotzdem habe ich es nicht wegbekommen. Wenn ein Lehrer fehlt, steigt der Druck auf den zweiten Lehrer, da zu sein. Man spürt das. Es ist so wie ein persönliches Waterloo, wenn man dann auch krank ist. Und was macht Kerstin, die Studentin?? Nächste Woche kommen ihre Profs gucken. Alles das geht einem im Kopf herum.

Dass ich an diesem Wochenende so viel geschrieben habe, tat eher gut. Danach hatte ich das Gefühl, es ist draußen, es steckt nicht mehr in mir drinnen. Ich kann es mir von außen anschauen, es schädigt mich nicht mehr so wie vorher. 

In einem Schultag wie dem Freitag stecken so viele Reize, wie ich sie nicht verarbeiten kann. Wenn ich das nicht kann, fühle ich mich, wie unter einer Lawine begraben. Da ist das Schreiben helfend, hilfreich und gesundend. Dreißig Jahre lang schrieb ich in Tagebücher hinein und manches auch heute noch. Doch besteht hier die Mög-lich-keit, dass es Resonanz gäbe... Es ist doch sicher so, dass es vielen Lehrern ähnlich geht und sie haben keine Stimme. Keine Stimme. Niemand will etwas von ihnen hören. Sie sollen funktionieren. Sie sollen lehren, lehrplanumfassend, differenzierend vom Hochbegabten bis zum Ex-Sonderschüler. Extrastunden? Gehen auf Vertretungen drauf. Keine Förderlehrer in Zeiten wie jetzt. Fortbildungen? Am Wochenende oder nachmittags. Zusätzlich.

Nun gut, ich schreibe das als Kranke, man muss mich heute und morgen vertreten. Ich habe viel Erfahrung, wie es ist, krank zur Schule zu gehen. Ich habe viel Erfahrung darin, meine Infektionen meist gar nicht erst zum Zuge kommen zu lassen und, wenn sie denn kommen, fehle ich lieber in der ersten Zeit zwei Tage und fange das Ganze so auf als zum Arzt zu gehen, der schreibt mich erst einmal eine Woche lang krank.
Was ich wunderbar finde und wofür ich dankbar bin: Unser Stellvertretender Schulleiter hatte nicht den Anflug von Genervtheit oder Vorwurf, als ich heute früh anrief. DANKE!

Der Freitag war zu übermächtig für einen geschwächten Körper gewesen. Ich hatte die Infektion schon Tage vorher gespürt und war dagegen angegangen. Z.B. abends um neun Uhr im Bett gewesen. Salate gemacht, Vitamine geschluckt.

Was mich aber kränkt im Sinne von krank macht, ist, wenn ich von außen nur mit Ansprüchen überfrachtet werde und die Betreffenden ihren Anteil am Geschehen nicht erkennen. So empfinde ich es bei Peters Mutter. So empfand ich es zeitweise auch bei Meryem. Das ist der liberale Anteil an der Geschichte: Man muss seinen eigenen Anteil an der Situation erkennen, wie sie sich zum Schlechten entwickelt hat, Versäumnisse, Unwissenheit etc. Dann aber muss man auch willens sein, sozusagen mit Bordmitteln aktiv an der Verbesserung des Zustands mitzuwirken, bevor man teure Helfer herbeiwinkt.
Das vermisse ich oft. Ich fühle mich dann wie ein Teil der Auslage eines Selbstbedienungsladens, in dem z.B. Eltern herumschweifen und sich als Kunden die schicksten Angebote heraussuchen. Und zu Hause bleibt alles, wie es ist. So etwas geht doch nicht. Da ist etwas ganz faul im Staate Dänemark. 

Das macht mich krank. Der flehende Blick, der von Peters Mutter zu Meryem ging, als sie um die Schularbeitshilfe vom Jugendamt  bat, kaum, dass das Wort aus meinem Mund gekommen war. Ihr Wort,  ICH  solle Peter auch sagen, dass er früher ins Bett gehen soll.

Ja, es ist so, ich kann auch noch viel verbessern. Man muss es versuchen. Jeder muss es versuchen. Wir sind im sozialen Bereich nicht Kunden. Wir sind Akteure. Wir müssen zusammenarbeiten, nicht überall Menschen Schuld für Misserfolge unterschieben und sie damit gefügig machen wollen im Sinne der eigenen Bedürfnisse. Wir müssen gemeinsam das Bessere tun.
Wo ist die Lobby für solche Gedanken?

Doch leider hat das Schlechte viele Vorbilder. Da ist ein Altbundespräsident, der auf der ganzen Linie versagt hat, zumindest nicht erfolgreich war in seiner Tätigkeit. Im Umgang mit Handlungen aus seinem früheren politischen Leben hat er zu hundert Prozent versagt, als Politiker und als Mensch. Doch nichts davon kommt an ihn heran. Keine Bescheidenheit, nirgends bei ihm. Er will die Apanage, Ehrensold genannt, vollumfänglich, er will den Großen Zapfenstreich, die Soldaten müssen aufmarschieren für ihn, er will Büro und Chauffeur, obwohl bestimmt niemand eine Rede mehr von ihm hören möchte. Die Sicherleute wird er wirklich brauchen, wenn er so weitermacht. Er wird also jährlich als 52-Jähriger eine halbe Million an Steuergeldern verzehren.
Ich meine, so ein Mann sollte ein Vorbild sein. Aber er ist ein Exempel für das, was schlecht läuft in unserem Staat.
Wieviele Leute haben wir noch, die arbeiten, die Steuern zahlen? Wer erwirtschaftet das ganze Geld, das an beiden Rändern der Gesellschaft verbraucht wird? Wie lange kann man diese Mitte der Gesellschaft mit diesen Negativbeispielen noch narren?



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