Mittwoch, 5. September 2012

Häuptlinge- und Indianerspiele

Nun versuche ich mich einmal, an den heutigen Tag zu erinnern. Der Mittwoch. Habe schon so dreißig Seiten im "Mann ohne Eigenschaften" gelesen, und das war eine große Entspannung.
Es ist wichtig, "abzuschalten", in einen anderen Modus überzutreten. Das gelingt nicht immer gleich gut. Gut ist es, ein Buch zur Verfügung zu haben, in dem man rasend gern liest. Dann ins Bett legen und dann fallen einem irgendwann die Augen zu, nach einer halben Stunde erwacht man wieder als ein anderer Mensch als der, als der man eingeschlafen ist.
Es ist wirklich nicht in Ordnung, dass ich über gestern berichtete "Nerds" - schönes Thema! und erwähnte doch nicht, dass irgendwann Kerstin da war, die Druckerei aufbaute und mit Cherrii und Bastian druckte, einfach so. Mann, was bin ich ihr dankbar dafür!!! Sie macht es einfach so, es ist nicht zu glauben.
Matti, der auch kam, ihm musste ich beichten, dass ich es noch nicht geschafft hatte, die Grundgesetze zu bestellen. Er meinte, er macht das dann mal und verschwand mit mehreren Schülern in die Bibliothek zum Lesen. Ja, es ist so: Der Dienstag ist der Tag, auf den ich mich riesig freue. Wenn Matti und Kerstin kommen! <3  <3  Und..

Nun müssen nur noch Thekla und Louise gesund werden, sie vermisse ich auch sehr. Louise hatte einen Fahrradunfall, muss sich auskurieren und Thekla muss sich von einer Operation erholen. Gute Besserung für Euch beide! Ich freue mich so und die Kinder auch, wenn Ihr wieder da seid!!! <3  <3

Es ist wunderschön, wenn Menschen sich für uns interessieren, die es nicht müssten. Deshalb ist der Dienstag mein Lieblingstag der Woche!

Also, was war heute? Jedes Mal, wenn man berichtet, dann geht trotzdem unglaublich viel verloren. Eigentlich passiert sehr viel an einem Tag, auch sehr viel Schönes, das sind so kleine Dinge, und die zerrinnen einem wie Wasser in der Hand. Ich bewundere Menschen, die sie behalten und aufschreiben, z.B. Fräulein Krise.


Es ist so lebendig. Ich müsste mir hin und wieder etwas notieren, aber ich verliere mich immer so in der betreffenden Situation, dass mir vieles entfällt.

Also heute. Mittwoch. Die ersten beiden Stunden hatte ich frei. Es war Englisch. War um 7 Uhr da, nein: Binär 111 !
Ging in die Klasse, öffnete erst einmal in den Gängen alle Fenster, auf zwei Stockwerken, dann die im Klassenraum, dann eines im Freizeitraum, der liegt schräg gegenüber, da kann die Luft zirkulieren.

Es ist nötig, das Plastikhaus zu öffnen. Die Wandfarbe heißt übrigens Latex und es ist verstreichbare Plastiktüte. Atmet null, kein Luftaustausch, lässt den Atem stocken. Vielleicht bin ich auch nur besonders empfindlich. In der Evolution der Zumutungen sterben solche wie ich dann aus. Survival of the less sensitive, um es mal sehr höflich auszudrücken. Mir fiele da auch noch Anderes ein.

Vor kurzem las ich einen Artikel über Schulinspektionen. Wir hatten die ja auch mal da. Saßen so in der Klasse, 20 min, mit Ankreuzbögen und wir bekamen keine Rückmeldung, nicht persönlich, aber insgesamt eine nicht so dolle Beurteilung.

Ich wüsste wirklich gern, auf was die Wert legen.
Die Kriterien. Das muss man doch irgendwo nachlesen können, oder? Aber das sind auch nicht die Art Texte, die ich eigentlich liebe...

Ich habe ihnen einen Text präsentiert, den könnte ich ja hier einmal einstellen. Er war sehr hart. Ich wurde dann zur Dienststellenleiterin zum Gespräch bestellt und musste mir einen Rechtsanwalt zur Seite holen, um ihnen Eindruck zu machen. Ich glaube, ohne den RA wäre die Sache nicht so glimpflich abgelaufen. Vor ihm hatten sie den Respekt, den sie vor mir allein nicht hatten. 

Ich hatte ihnen zeitgemäßes totalitäres Verhalten vorgeworfen, so in Soft-Version, worauf sie an meinem Demokratieverständnis zweifelten und das Ganze sich in etwas gefährliche Zonen bewegte... 

Die ganze Sache hat mich ca. 500 Euro gekostet, aber es hatte sich gelohnt. Ich hatte mich nicht verstellt, nicht gebuckelt, hatte ihnen eine Antwort gegeben. Das hat mich stärker gemacht.

Die kommen nächstes Jahr wieder. Hi, vielleicht schreibe ich auch für Euch... Schulinspektion.

Ich habe nichts dagegen, wenn inspiziert wird. Man kann über alles reden und sie dürfen mich auch beurteilen. Aber das Verfahren ist so, dass wir keine Stimme haben, es rollt über uns hinweg, es ist nicht dialogisch und wir sind erwachsene Menschen mit einer Berufshistorie. Ich finde das nicht angemessen. Ich lasse nicht so mit mir umspringen.

Und dann wird alles quantifiziert. 0101010101010101
Das ist ja sinnvoll, wo es sinnvoll ist. Aber hier ist es nicht sinnvoll. Es ist ein ganz gemeines Top-Bottom-Verfahren, geht von oben nach unten und wir sind für sie nur Flitzpiepen, über die die, die sich beizeiten aus der Praxis davongestohlen haben, richten. 

Wie überhaupt ja jeder fähige Mensch in ihren Augen sich aus der Praxis der "Indianer", wie uns nennen, in die Sphäre der "Häuptlinge" davonmacht und aufsteigt. Jeder, der "unten" bleibt, ist für sie ein Idiot, nicht gleichberechtigt und doof. Was soll man mit solchen auch reden.

In toto: Sie verachten uns. Gelebter Zynismus.

Ich tröste mich immer damit, dass ich mir sage, Menschen, die so ticken, die können gar nicht glücklich sein, nicht in den privatesten Momenten...Die Rache der kleinen Lehrerin.
So geht das aber  nicht. Nicht mit uns!

So ist das aber bei Senatens. Sie infantilisieren uns, behandeln uns wie Kinder, nur weil wir den Beamtenstatus haben. Deshalb sollen wir uns ducken und das Maul halten. 

Dabei könnten wir so schön unseren Mund mal wirklich aufmachen. Was diese Zeitungen, diese Hofberichterstatter vom "Tagesspiegel" und der "Berliner Zeitung" schreiben, das sind alles Potemkinsche Dörfer. Nur Pappe, dahinter ist nichts als das blanke Grauen.

Der schöne Schein reicht ihnen allen. Inklusion. Ha! JÜL! Ha! Ganztagsschule! Ha! 

KeinGeldkeinGeldkeinGeldseit30JahrenkaumLeute
eingestelltDurchschnittsalter55aberwirwissenja,wo
dasGeldhingehtwiehießderTypLandowski,nunBER
achBerlin,rotzfrechundgroßeTönespuckenundgar
garnichtsdahinterzumHeulenistdasneinichbinnicht
besoffen.

Eigentlich hatte ich ein anderes Thema. Mein Mittwoch. In den ersten beiden Stunden korrigierte ich den Mathetest. Na, ich habe so fünf, sechs Kinder "geschafft". Noch ein bisschen Bürokratie - die Hälfte hat ihr Buchgeld nicht bezahlt bzw. keine Papiere vorgezeigt, dass sie es nicht bezahlen müssen, 30 Minuten für die Mahnschreiben.

Das wären zwei Korrekturen gewesen.
Und dies und das. Bibliothekskartenanträge für den 12.9. kopieren, später austeilen. Man glaubt nicht, was man alles als Lehrer für einen Kleinkram regeln muss, der in der Berufsbeschreibung eigentlich nicht vorgesehen ist.

Elternversammlungszettel abheften, Liste führen, schauen, was die einzelnen mitbringen, das muss ich dann organisieren und zusammenführen. Soll ja auch ein bisschen nett sein am Dienstag.

Schauen, ob der Brief an Bastians Mutter im Schülerbogen hängt - tut er. Hier Pflanzen gießen, Fische füttern, da etwas ordnen usw.

In der 3. Stunde erst mal Eintrag ins Mitteilungsheft für die Eltern:"Bitte 8 Euro für die Jahreskarte BVG mitbringen, falls Sie nicht Berlin-Card-Inhaber sind!" Berlin-Card-Inhaber zahlen zahlen gar nichts mehr, das ist ein weiterer Antrag, der bei der Schulleitung einzureichen ist. 

FUCK! Bin ich die Hilfstussi vom Arbeitsamt? Ja, Minna, von Frau Leyens Gnaden. Dabei ist sie gar nicht vom Bildungsministerium. Doch im System stört das keinen.

Dann Weiterarbeit an den Referaten. Habe eine Liste mit Stichworten entwickelt, die die einzelnen Gruppen durchgehen, helfe hier und da, "Wo ist Galapagos?", tönt es plötzlich. Sie haben es dann selbst gefunden.

In der 4. Stunde schauen wir einen Lehrfilm über Leben und Überleben in der Natur. Dort kommt Galapagos auch vor. Ich muss Wissen schaffen, zu Hause finden Gespräche kaum  statt, nicht solche Gespräche. Es ist kaum auszuhalten, wie wenig die Schüler wissen. Sie vermissen es auch nicht, das ist noch schlimmer. Mein Gott, wenn sie irgendwann mal aus ihrem Kreuzberg-Ghetto rauskommen...Solche Filme sind sehr gut geeignet, besonders, wenn man nachher darüber spricht. 

Lucy macht es sich mit einer Caprisonne auf dem Sofa bequem und wird von mir aufgestört. Das ist ein Lehrfilm, Lucy!!!

Pause, Aufsicht.

5. Stunde Lesen in der Steinzeitlektüre, nein, sie handelt von der Steinzeit, 6. Stunde Rechtschreibübungen. So langsam müsste ich mal einen Aufsatz anleiern. Vorgangsbeschreibung hatten wir. Was jetzt?

In meinem Fach liegen zwei dicke Hefte mit Lernzielen, was die Schüler am Ende der 6. Klasse alles können sollen. Herzkasper. Schon wieder.

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 Zeit: 7 Uhr bis 14 Uhr : 7 Stunden (Bloggen nicht mit dabei.)

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