Montag, 17. September 2012

Conny

Eine neue Woche beginnt. Die Erkältung ist noch ein wenig da, wird aber schwächer und das wird bald vorbei sein. Schön, "es" mit nur drei Tagen Fehlzeit geschafft zu haben...Doch man muss Disziplin zeigen: kein Alkohol und: Früh ins Bett, so zu 21 Uhr. Dann ist der Schlaf sehr heilsam.
Gestern wollte ich mich gern erholen, die Berliner Mauern hinter mir lassen und die Lenauer Schäfchen besuchen. Kaffeekanne eingepackt und rauf auf die Autobahn.
Ich war dort allein in der Schäferei, man war ausgeflogen (nach Berlin!). 
Beim Hineingehen musste ich am "Seniorenheim" vorbei, Schaf Conny lag ruhig in der Tür wie immer und genoss den Tag.
Bruno, der Hofhund, war begeistert, als er das Auto hörte, und sein harsches Bellen verwandelte sich gleich in ein freudiges Jaulen.
So sind wir zunächst einmal spazieren gegangen an diesem wunderschönen Septembertag.
Wir gingen zum "Totenpfuhl" , wo er erst einmal ausgiebig badete und ich das Schilf fotografierte, weil einige meiner Schüler das Wort Schilf nicht kennen.
Die Jungsteinzeitmenschen in unserer Lektüre flechten Körbe mit Schilf.
Vielleicht hätte ich Schilf in realiter mitnehmen sollen, aber mit Bruno am Bändel sind solche Dinge gar nicht so einfach zu handhaben.


Als wir wieder "zu Hause" waren, machten wir es uns gemütlich:


Unterm Stuhl liegt Bruno. Ich hatte mehr diese Perspektive und fühlte mich sehr, sehr wohl:


Weshalb erzählt man so etwas? Ich glaube, am Wochenende geht es auch darum, Abstand zu gewinnen, der Vereinnahmung durch die Wochengeschehnisse zu entgehen. Man kommt in eine andere Stimmung hinein, und das ist erst einmal sehr gut.


Leider fand ich später Conny schnappatmend und hyperventilierend vor. Wir verbrachten einige Stunden zusammen und ich wurde gewahr, dass die Sechzehnjährige dabei ist, diese Welt zu verlassen. Sie beruhigte sich zwischenzeitlich wieder, war ganz gelassen, bis ein neuer Anfall kam. Ich spürte, sie macht sich auf den Weg. 

Tiere sind so weise in dieser Hinsicht. Man muss ihr nichts geben, man muss den Prozess nicht abkürzen, ihre Seele löst sich vom Körper und ihr Körper löst sich von dieser Welt.
Sie war ganz aufmerksam, mochte meine Anwesenheit. Dann, nach ein paar Stunden, bemerkte ich, dass sie lieber allein war und verabschiedete mich. Sie hatte keine Schmerzen. 

Man muss das einmal miterlebt haben. Sie ist jetzt auch nicht allein. Die Schäfer sind da. Doch für sie ist das auch neu.

Ich war so weit von den Schuldingen weggewesen wie man sich das nur denken kann und doch so nah, denn Schaf Conny ist eine uralte Lenauerin, sie gehört zum Lenauer Tierbestand, seit ich die Schafe wahrgenommen habe. 

Mit den Jahren ist ein sehr enges Verhältnis entstanden. Ich muss jetzt über Conny schreiben, denn am liebsten wäre ich bei ihr. Aber ich kann nicht schon wieder in der Schule fehlen und morgen ist Elternabend. Doch ertrage ich es, weil wir gestern lang zusammen waren und weil sie so mit sich im Reinen ist wie man nur irgend sein kann. Sie hat ein wunderbares Schafleben, um darauf zurückzublicken - welchem Tier ist das sonst gegeben? Deshalb bin ich mit mir auch im Reinen. Immer noch finanziere ich die Pensionäre der LenauSchule, und ich tue es sehr gern. Wenn jemand Pate werden möchte, das wäre wunderbar!! Jedes Schaf ist anders. Es sind sechzehn geworden mit der Zeit. Immer wieder hat sich einer angehängt...Für 30 Euro im Monat kann man Pate werden und einem Schaf beim Leben zusehen. Man kann auch dort im Ferienhaus wohnen, wie es abgebildet ist. Es ist nicht teuer. Man kann es aber auch sein lassen. : )

Heute habe ich die Sherlock-Holmes-Nummer weiter durchgezogen. Die Ergebnisse der zwei Gespräche am Freitag fokussierten sich auf zwei Jungen. Ich habe alles aufgelistet und in zwei weiteren Gesprächen heute die Zeugensituation klar gemacht. 

Niemand sagt mehr heute: "Ja, klar, war blöd, ich mache es nächstens besser, tut mir Leid." Sondern: "Nein, so etwas macht mein Sohn nicht. Das bilden Sie sich nur ein. Beweisen sie es!"
Deshalb. Wer macht so etwas schon gern, aber es musste sein.

Hatte das Gefühl, bei den Kindern war etwas mehr Selbstbewusstsein da, was ihre eigene Situation betrifft. Sie reagieren anders, wenn sie bemerken, dass man sich für ihre Lage interessiert. Ich bat sie, mit ihren Eltern zu sprechen und die Eltern schriftlich, einmal ihr Kind zu fragen und mit ihm darüber zu sprechen, wie es ihm in der Schule geht, wie es sich fühlt. Immerhin sehen wir uns morgen abend.

Man kann nicht lernen, wenn man ständig Nackenschläge bekommt...Wieso eigentlich immer der Nacken? "Nackenklatscher" wird das genannt. Was hat das für eine Spezifik, für eine Symbolik, dass es ausgerechnet der NACKEN ist? Das ist mir etwas unheimlich, und ich weiß keine Antwort darauf. Dass man von hinten kommt, der andere sich nicht vorbereiten kann? Der Nacken ist die Schnittstelle von Körper und Kopf. Das Wort "Schnittstelle" wirkt jetzt hier etwas unangenehm. Aber schon in der letzten Klasse wurden Kinder mit ausgerechnet diesen Nackenschlägen traktiert, das ist nichts Zufälliges.

Die Übeltäter habe ich bei jedem kleinen Regelverstoß angezählt, sie haben den Stimmungsumschwung schon mitbekommen. Sollen sie auch. Ich adressiere mich im Unterricht an die anderen. Sicher, an sie auch, wenn sie regelgemäß mitarbeiten, aber sie stehen auf dem Prüfstand, sie werden sich nicht so sicher fühlen können wie zuvor.

Heute hat es mir Freude gemacht, gemäß der Aussage einer früheren Schülerin: "Wir Braven waren immer nur Nebensache."..die "Braven" zur Hauptsache zu machen.

Morgen werde ich mit jedem der beiden sprechen müssen. Einzeln. 

Höre gerade am Telefon, wie seelenvoll Conny betreut wird und wie gelassen und "rund" sie in ihrer Situation wirkt. Sie ist wirklich in sehr guten Händen.
Alles Gute, Dir, Conny!

Conny

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen