Montag, 24. September 2012

Die Sache mit dem Chi

Dieser Montag war sehr schön. Es ist ein wunderbares Gefühl, ausgeruht zu sein. Man kann alles gut an sich herankommen lassen.


Doch, wie ein jüdisches Sprichwort sagt: "Der nächste Tag beginnt am Abend vorher." Da kann ich nur zustimmen. Jetzt, wo es immer früher dunkel wird, macht es mir Freude, "mit den Hühnern ins Bett zu gehen." Ich habe einmal gelesen, dass der Körper beim Dunkelwerden Melanin produziert, einen Stoff, der den Körper für den Schlaf vorbereitet. Das soll über die Augen gehen. Die Dämmerung führt dazu hin, wenn man dann aber elektrisches Licht anknipst, ist dieser Effekt weg.

Dann stellt sich der Körper wieder auf Aktivität um. Da die Augen an der Produktion körpereigener Stoffe so stark beteiligt sein sollen, trage ich fast nie eine Sonnenbrille. Umgekehrt macht auch die Sonne viel mit uns. Wenn wir Sonnenbrille tragen, wähnt sich der Körper im Schatten und produziert z.B. nicht so viel Vitamin D zum Schutz der Knochen. Sonnenbrille nur beim Abends gegen Westen mit dem Auto fahren, beim Wandern im Schnee oder auf einem Schiff auf dem Wasser. Und das auch nur, wenn es stundenlang dauert. Eigentlich finde ich alle Farben ohne Sonnenbrille viel, viel schöner! Viel echter und näher. 


Früher habe ich auf diese Dinge nicht so geachtet. Erstens, wenn man Kinder hat, dann kann man auf diese Dinge nicht achten. Zweitens hat man immer sooo viel vor, da ist man ganz anders "drauf" und muss so viel schaffen, da kann man nicht auch noch Rücksicht auf seinen Körper nehmen. Der hat zu funktionieren und Schluss! Das tut er ja dann meistens auch so bis zum etwa 50. Lebensjahr. 

Man denkt natürlich immer, das bleibt so, wie man es aus jüngeren Jahren gewöhnt ist. Auch Mitte 40 merkt man schon etwas, aber das lässt sich in der Regel gut überspielen. Schlafentzug beispielsweise.

Erst, seit der Körper Grenzen setzt, überlege ich, wie ich mit der Kraft, die mir (noch) zur Verfügung steht, haushalte.

Habe einmal gelesen, es war ein chinesisches Buch, dass man, wenn man sein Chi, seine Energie, sinnvoll einsetzt, dass man dann fünfmal weiter kommen könnte, als wenn man schlecht damit umgeht. Das tröstet etwas.

Wenn ich sehr über meine Grenzen gehe, sozusagen energetisch im Dispo stehe, dann habe ich oft Nierenschmerzen. Das ist ganz seltsam, weil es immer heißt, die Nieren würde man nicht spüren. Ich spüre sie. Sie warnen mich. Und das ist gut so.

Heute war ich teuflisch gut ausgeruht. Habe gestern "Nein" zum Tatort gesagt. Das will was heißen, wenn man seit Schwarzweißfernseherzeiten Tatort schaute. Habe "Nein" zum Alkohol gesagt. Habe "Nein" zum elektrischen Licht gesagt. Bin mit Katzi vor 21 Uhr ins Bett, habe noch ein wenig, gaaanzganz wenig Twitter verfolgt und mich dann auf die Seite gelegt.

Wann ist man ausgeschlafen? "Wenn man keinen Wecker braucht", sagte einmal ein Schlafforscher. Ich brauchte keinen, war eine Viertelstunde vorher wach.

Also ehrlich - irgendwelche iPhone-Apps, wo der Wecker in der REM-Phase oder grade nicht in dieser klingelt, ich glaub, das braucht man alles nicht wirklich. ; )   

Da machte es mir auch rein gar nichts aus, als plötzlich in der ersten Stunde ein Geschrei und

Geheul losbrach: Alis Saftflasche war im Rucksack, auf Tisch und Fußboden ausgelaufen und das 
Malheur hatte ein Maß erreicht, wo nur noch ein Profi helfen konnte, damit es nicht den ganzen Tag klebrig unter den Händen und Füßen knirscht....Der Profi war natürlich ich. Aber wenn man sich nicht aufregt, ist das auch schnell gemacht

So war unser kleines Matheding nur für fünf Minuten Pause  unterbrochen. Alle konnten essen, außer ich. Man kann auch mal auf ein Pausenbrot verzichten. Ali hat vier Wochen lang den ganzen Tag gefastet, und wenn Dilgo nichts zum Essen findet, muss er auch mal ein bisschen warten. Kein Problem.
Relativ gutwillig schrieben die Kinder die ganzen Regeln über das Bruchrechnen in ihr Heft, so weit wie wir jetzt gekommen waren.

"Je größer die Zahl im Nenner, desto kleiner der Wert des Bruches." Wie nennt man solch eine Relation? Der eine Wert wird kleiner, wenn der andere größer wird - gegenläufig?
Aber es ist klar, warum: Wenn ich die Pizza auf acht Leute verteile oder den Lottogewinn auf hundert, kommt für den Einzelnen weniger heraus, als wenn es nur zwei wären.

Dann waren wir beim Kürzen. Fereba meint: "Das verstehe ich nie!" 

Wo sind die Förderstunden, die das auffangen könnten?? Habe mir heute etwas überlegt: Wenn eine andere Lehrersperson jetzt mit Fereba wohin geht und übt, dann braucht sie lange, um zu wissen, wo für sie das Problem steckt. Wenn also die nächste Mathestunde ist und da sollte jemand zum Fördern  langskommen, dann: Wird diese Person das Rechnen der Klasse beaufsichtigen und Fereba und ich werden uns eine Übungszeit gönnen! Wir wissen gleich, wo wir ansetzen müssen....Wie macht man aus wenig mehr oder aus nichts etwas? Vielleicht so?
Da ist das Problem. Fereba ist so ein typisches Mathemädchen. Sie hat die Flinte schon ins Korn geworfen, bevor überhaupt geschossen wurde. Damit ist es dann aber auch schon zu ihren Ungunsten entschieden....

Dann hatte ich zwei unterrichtsfreie Stunden und konnte den Erdkunde-Test vorbereiten, der heute geschrieben werden sollte. Es gelang nicht so gut wie ich es mir erhofft hatte, also optisch.

Einige Kinder hatten zu Hause gut geübt. Das hatte man vorher sehen können. Sie hatten sich immer wieder alles angesehen. Tobi ist immer sehr gut vorbereitet. Auf die Frage:"Wie übst Du so?", sagt er: "Ich stelle mir den Atlas mit der Karte so weit von den Augen weg, dass ich die Wörter nicht mehr lesen kann, dann lese ich mir vom Zettel die Namen aller Gebirge und Flüsse einzeln vor, zeige drauf und gucke dann, ob es stimmt!" Klasse!

Nachher muss ich das nachsehen. Bin zu sehr gespannt. Dann können wir morgen einmal die Kinder mit den guten Ergebnissen erzählen lassen, wie sie geübt haben.

Tobi ist immer sehr genau. Es fällt ihm schwer, sich aktuell in den Unterricht einzuschalten. Schriftlich bereitet er sich aber ungeheuer gut vor.

In der Regel hat man eher die Durchwurschtler. Sie probieren es einfach mal, vielleicht wird es ja nicht so schlimm. Aber vorher üben???? Neee! Kein Gedanke daran! Ich glaube, wir haben schon oft erklärt, WIE man es üben kann. Daran liegt es nicht. Die Schwierigkeit liegt wohl eher darin, DASS man vorher übt, wo man doch .... und .... und .... machen könnte, was sehr viel mehr Spaß macht.

Zum Schluss übten wir noch ein wenig Rechtschreiben, denn "die Luft" war eigentlich raus für den Tag. Die Kinder hatten ja durchgearbeitet mit Englisch zwischendurch.

Bastian und Ali hatten sich gefetzt. Bastian sagte:"Er hat mich provoziert." Ali: "Er hat sich gleich so aufgeregt, obwohl ich doch gar nichts..." (Ich glaube ihm eher nicht...) Sie saßen einträchtig nebeneinander, als sie das erzählten. Ihr Streit lag für sie lange zurück. Sie hielten es wieder nebeneinander aus. Aber Ali hatte wieder einmal...."Du hast immer dasselbe an. Du bist arm!" gesagt....Darüber musste noch gesprochen werden. Wir sind alle "arm". Niemand ist reich. Mancher gibt sich eben mit vier Hosen und ein paar Sweatshirts zufrieden, für einen anderen ist schicke Kleidung wichtig. Wir sind alle nicht reich und alle haben wir genug zum Leben. Das ist doch schön. Der eine gibt sein Geld hierfür aus, der andere dafür. Dieser Spruch wird ab jetzt nie gesagt werden - hallo, Ali? "Ja, klar." Mal sehen.
Und jetzt auf zum Korrigieren, ich MUSS wissen, wer geübt hat.....

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Also, so einen Test gab es ja noch gar nicht. Es sind ganz starke gute Arbeiten dabei und eine 5 und sechs Mal eine 6! Alle, die geübt haben, haben gute oder akzeptable Ergebnisse. Die "Wasserscheide" war wohl der geleistete oder mangelnde Einsatz.

O.K., ich gebe zu, es war schwer. Aber es war zu schaffen, wenn man sich Mühe gab. Wenn man sich Mühe gab, konnte man doch die Hälfte schaffen und eine "4" bekommen, nein?

Zum Beispiel Tobi: 


 

Er hat, wie gesagt, intensiv geübt. Die Dinge fallen ihm überhaupt nicht in den Schoß. Er muss sie sich hart erarbeiten. Doch er hat den Willen dazu. Hier hat er die zweitbeste Arbeit der Gruppe geschrieben- als Lohn für eine sehr große Bemühung und die Leistungsbereitschaft, die er zeigte.
Deshalb glaube ich insgesamt nicht, dass die Arbeit ZU schwer war. Schwer ja, aber zu schaffen. Das Arbeiten an den Modellen plus die persönliche Bemühung mit dem Auswendiglernen haben gute Ergebnisse erbracht.
Anderes Beispiel: Mario: Er hatte einen Übungszettel mit den Namen der Flüsse und Gebirge dabei, geschrieben von seiner Mutter. Vielleicht war das schon der Fehler? Er ist in der 6. Klasse. Aber er hatte sich nicht klar gemacht, WO diese Gebirge liegen.
Während zweier Stunden Tage zuvor bei der Gruppenarbeit saß er teilnahmslos da und knetete rote Knete, die wir gar nicht brauchten. Alle meine Bemühungen, ihn in die Gruppenarbeit hineinzubekommen, prallten ab "Ich kann das doch nicht" - "Setz Dich näher heran, schau zu und lass Dir von den beiden eine Aufgabe geben!" "Zeigt Ihr ihm ein Gebirge, dass er das Namensschild schreiben und dranstecken kann?" "Ja, hier schau mal...." Es passierte nichts. Er wollte nicht mit den beiden arbeiten. Er wollte, dass ihm die Lehrerin das noch einmal extra erklärt. Dabei kann man es mit etwas Aufmerksamkeit selbst verstehen. Die beiden anderen haben je eine "4" geschrieben, er eine "6" mit Tendenz zur "5", weil er ein kluger Junge ist. Doch es fehlt die Bemühung.
Nach der Pause schäkerte er mit Mädchen aus der Nachbarklasse, stellte ihnen Beine im Gang. Kurz darauf, kurz vor der Arbeit: "Kann ich ein anderes Mal schreiben, mir ist so schlecht..." "Wem wirklich schlecht ist, der stellt keinem mehr Beine," war die Antwort."Du schreibst heute."
Die Mutter wird mich schlachten. Bzw. auf Annullierung der Arbeit drängen, weil sie zu schwer ist.
Peter, Messi, Fereba undRonaldo haben es probiert, es ist nicht berühmt, das Ergebnis, aber man kann damit leben. Eine Bemühung ist zu sehen.
Bei Lucy ging es daneben, aber es sind genug Ansätze da, eine Förderzeit und sie kann es. Hans (alles richtig!), Kasia, Rimas (obwohl erst ein Jahr in Deutschland!!), Selena, Bastian, Tobi und Cherrii haben sehr gute bis ordentliche Arbeiten geschrieben.

Bei Marie ging es total daneben. Sie kommt mit der Aufgabenstellung nicht klar. Luigi hätte ich mehr zugetraut. Emmely - Totalausfall, ebenso Ali, Mesut und Pablo. Aber hier ist klar, warum: Kein Engagement, kein Ernstnehmen, eben Durchwurschteln.
Sie könnten das noch einmal bearbeiten, aber mit dem Atlas. Die beste Note würde dann eine "3" werden.
Dann könnten sie sich verbessern. Werde sie morgen fragen.
Doch Peter, Tobi, Cherrii, Selena, Rimas und Kasia können sehr stolz auf ihre Leistung sein. Sie haben wirklich etwas gelernt und aktiv dafür etwas getan.

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Man sagt oft, die Lehrer gäben zu wenig Empfehlungen fürs Gymnasium, besonders bei Migrantenkindern. Doch darf man nicht nur auf die potenzielle Leistungsfähigkeit schauen. Man muss auch das Potenzial sehen, das jemand einbringt, um eine Situation zu seinen Gunsten zu entscheiden, die Leistungsbereitschaft, den "Biss", eben, wie hartnäckig jemand am Erfolg arbeitet, wie er Verantwortung für seinen Lernweg übernimmt. Erfolg ist zu 90 %  Bemühung. Wer diese nicht zeigt, darf sich nicht wundern, wenn seine Leistungen schlecht oder Mittelmaß bleiben. Wir Lehrer wollen, dass die Kinder, die wir fürs Gymnasium empfehlen, dort erfolgreich sind, bei den Arbeitsweisen, die dort (noch) üblich sind. Das ist das Kriterium.
Das war jetzt sehr ausführlich. Niemand will das sicher lesen. Aber mir hilft es weiter, das Richtige oder weniger Falsches zu tun....
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Auch Cherry hat heute noch etwas aufgeschrieben:

Cherrys Traumtagebuch 24.9.12 

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