Samstag, 15. September 2012

Was braucht man im Maschinenraum?

Zugegeben: Das war gestern etwas ungeordnet. Für mich, die ich mich in meiner Schwäche Hegels "schöner Seele" verwandt fühle - das meint er übrigens sehr abwertend - und zum Romantisieren neige, ist das schulische Leben oft wie ein Spaziergang auf lichten Höhen, plötzlich abgelöst durch eine unfreiwillige Fahrt mit der Geisterbahn.

Dann schüttelt es mich so durch, dass ich am liebsten weglaufen möchte. ("Wärst Du doch Bibliothekarin geworden..") Entweder man ist robust, dann wird man nicht so viel bemerken. Oder man ist empfindsam, dann trägt es einen manchmal aus der Kurve...

Trotzdem liebe ich diesen Beruf, und ich bin noch nicht fertig mit ihm. Wahrscheinlich gibt er mir auch vieles, das ich gar nicht zu schätzen weiß, weil es so nah ist.

Eben las ich einen Artikel. Am Schluss dieses Artikels stehen ein paar schöne, sehr sanfte, sehr hilfreiche Gedanken:

Es gibt zahlreiche Wege, die Welt zu erkennen, darunter Erfahrung, Heuristiken, Modelle, Theorien und Intuition. In einer Rede zum sechzigsten Geburtstag Max Plancks, des Begründers der Quantentheorie, sagte Einstein: „Zu diesen elementaren Gesetzen führt kein logischer Weg, sondern nur die auf Einfühlung in die Erfahrung sich stützende Intuition.“ Intuition ist ein einfühlendes Verstehen des Anderen, eine Form der Verschmelzung des Verstehenden mit dem Verstandenen.
Und wie gelangt man zur Intuition? Steiner schrieb: „Die Verehrung weckt eine sympathische Kraft in der Seele, und durch diese werden Eigenschaften der uns umgebenden Wesen von uns angezogen, die sonst verborgen bleiben.“

Ein einfühlendes Verständnis der Welt

Begegne ich einem Menschen und tadle ich seine Schwächen, so raube ich mir höhere Erkenntniskraft; suche ich liebevoll mich in seine Vorzüge zu vertiefen, so sammle ich solche Kraft. Gelegentlich muss man nicht nur jedes intellektuelle Urteil zum Schweigen bringen, wenn man anderen Menschen zuhört, sondern auch jedes Gefühl des Unmuts, der Ablehnung oder der Zustimmung. Wer in der Lage ist, selbst scheinbar lächerlichen Unsinn ohne jede Kritik anzuhören, der lernt (vielleicht), sich in einen anderen Menschen hineinzuversetzen. Das ist nicht leicht.
Vor die Wahl zwischen weiterem wissenschaftlichem Wissen oder Intuition gestellt, entscheide ich mich für die Intuition. Ich wünsche mir ein einfühlendes Verständnis der Welt.

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/modelle-die-sich-schlecht-benehmen/f-a-z-kolumne-von-emanuel-derman-der-geist-hat-sehr-wohl-bedeutung-11888932.html

Einstein: ....die auf Einfühlung in die Erfahrung sich stützende Intuition...

Wichtig sind mir auch die Zeilen des letzten Abschnitts, aber die Zeilen davor geben einen guten Zusammenhang dafür.

Hier ist also ein Weg, mit dem umzugehen, was ich gestern erlebte. Es geht dabei auch nicht um mich. Ich könnte mich abwenden. Wegsehen. Es geht um die Menschen in der Schule, die ihr ausgeliefert sind, die Kinder. Täglich müssen sie da hin. Viele Stunden lang. Ihr Kosmos des Erlebens, ihre Erfahrungen, sind andere als die der Erwachsenen dort.

Schlimm für mich war erst einmal der Schock, wieviel Gewalt in der Gruppe, für die ich erziehungsberechtigt bin - ! : ) - aktuell herrscht, von der ich so keine Ahnung hatte. Besser wäre es aber zu sagen, kein Wissen hatte. Eine Ahnung hatte ich schon. Worauf sie gründete? Wenn einzelne Menschen Verhaltensweisen zeigen, die, wie wir früher sagten, nicht auf ihrem Mist gewachsen sind, die nicht zu ihnen passen. Das Sensorium hierfür ist Intuition.

Jeder weiß, wie ein Maschinenraum aussieht, nicht wahr?
Habe mir viele Bilder von Maschinenräumen angesehen, aber dieses hier schien meine Situation am besten widerzuspiegeln....

Es hat mich auch nicht losgelassen. Nicht nach dem Schreiben gestern, wo alles sehr unvollkommen "aufs Blatt" gerotzt ist. Das von einem angemessenen Umgang noch meilenweit entfernt ist. Der Grund wahrscheinlich: Das lässt sich nicht aufs Eis legen. das geht am Montag weiter. Ich muss auf die Höhe des Geschehens kommen, um das Richtige zu tun. Was das Richtige ist? Da gibt es sicher keine Rezepte. Das ist für jeden Lehrer anders. Trotzdem gibt es Schnittmengen.
Die Erfahrung, die es zu bearbeiten gilt, ist:
Schule ist für viele Kinder tägliche Leiderfahrung. Andere trainieren, wie man erfolgreich und ungemaßregelt übergriffig ist. 
Nicht jeder ist mutig. Auf jeden Fall nicht mit 12 Jahren. So versuchen sich viele durch Entsolidarisierung in der Situation zu behaupten, um nicht "gemeint" zu werden, um nicht zur Zielscheibe zu werden.
Hier fängt man an, Dinge zu bemerken, die schief laufen. Zum ersten Mal ging mir bei dieser Situation die "Klingel":
Messi hatte, als ich ihn ermahnt hatte, hörbar und abfällig "Deutsche!!" gesagt. Gespräch, Muttergespräch, entschuldigt hat sich bis heute keiner. Das nur nebenbei.
Am gleichen Tag hörte Gabriele, wie Tobi, im Spiel mit Messi, zu jemandem "Deutscher!" sagt. Es war ebenfalls abfällig. Nun ist Tobi der Letzte, der von sich aus so etwas sagen würde. Wirklich. Es passt nicht zu ihm. Es passt überhaupt nicht zu ihm, es passt nicht zu seiner Mutter, es passt überhaupt gar nicht: Er ist so offen zu jedem Menschen!
Dann fragt man sich. Warum macht er das? Und hat den ersten Faden in der Hand: Er macht das, um sich unter etwas unterzuordnen. Weil er Angst hat. Deshalb macht er mit. Da ist also etwas spürbar, was nicht offen sichtbar ist. Was ist das?Das ist der erste Faden.
An diesem Punkt horchte ich zum ersten Mal auf. Es ist ein paar Wochen her.
                                                                 

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