Freitag, 9. November 2012

Herr Dr. Heislbetz

Emmely teilte zu Beginn der ersten Stunde wieder Kekse aus, aber sie bot mir einen an! Um die junge Dame muss man sich also keine Sorgen machen, sie wird sich schon diplomatisch durchs Leben bringen.

Im Stuhlkreis konnte ich dann die klassische Version des "Ei des Kolumbus" anbringen. Sprach über das Wagnis der Unternehmung, den Osten, Indien, im Westen zu suchen, in unbekannten ozeanischen Gefilden.

Ich hatte gestern Recht gehabt. Niemand konnte die Zahl 1492 dem Kolumbus zuordnen. Kasia wusste, warum die Ureinwohner Amerikas Indianer genannt wurden. Das ist doch etwas. Einer fragte: "1789?" "Gute Zahl. Merke sie Dir. Da war die französische Revolution. Beginn der Demokratie in Europa, aber nee -- wann war das mit Kolumbus? MERKT es Euch: Beginn der Neuzeit. 1492. Irgendwer wird Euch das fragen, dann ist es gut, es zu wissen.

Dabei problematisierte ich ein wenig den Begriff der "Entdeckung Amerikas",  das war kein unbewohntes Gebiet gewesen, das man ent-deckte, dies ist, in Erwachsenensprache gesprochen, ja eine recht eurozentristische Sicht. Ja, es ging um Gold und Silber, es ging um Macht für Spanien.
Man brachte Krankheiten mit, die die Ureinwohner zu Millionen dahinrafften, mit Mord und Totschlag dezimierte man die Bevölkerung weiter und importierte sich die Siphilis nach Europa. 

Mit dem Lied: "Ein Mann, der sich Kolumbus nannt' Widdewiddewitt, bumm bumm.." konnte ich noch nie etwas anfangen.
Wir haben auch vier Fünftel der Kinder, die muslimische Wurzeln haben, sie werden die eurozentrische Weltsicht sicher nicht  einszueins teilen. 
Auch die Jahreszählung vor oder nach Christus ist willkürlich und hat mit Europa zu tun, in muslimischen Ländern ist man, glaube ich, derzeit im Jahr 1433.

Oh, wir haben heute vergessen, die Witze zu lesen...Deshalb kann ich hier heute keinen bieten. Schade. Sie suchen immer recht lustige aus.

Dann rechneten wir noch ein wenig, bevor in der zweiten Stunde Verkehrsunterricht bei der Polizei war, die in Gestalt einer Dame kam, die sich mächtig in Gespräche verwickeln ließ - "Was war Dein interessantester Fall?" "Wie viele Polizisten gibt es da, wo Du arbeitest?" "Wie viele Polizisten gibt es in Berlin?" Etwa 14 000. "Was muss man gut können, um Polizist zu werden?" "Wurdest Du oder Deine Kollegen schon mal bei einem Einsatz verletzt?" Die Kinder sorgten schon dafür, dass die Stunde nicht langweilig wurde, und sie ließ sich bereitwillig darauf ein.

Wie bekomme ich die Schüler nur dazu, fremde Erwachsene zu SIEZEN???

Nachher fragte die Polizistin, ob das so in Ordnung gewesen wäre. Aber klar, das machen wir sonst auch nicht anders. Es geht nichts über ein gutes Schwätzchen. Da kommt sehr viel Gutes dabei heraus. Das ist meine Hunsrücker Landherkunft. Da kann man Stunden mit Schwätzchen verbringen, und es ist nie vertane Zeit.

Doch erinnerte ich mich auch an meine eigene Gymnasialzeit. Wir hatten Latein bei Herrn Dr. Heislbetz. Ich verehrte ihn, er war anders als die anderen Lehrer und hatte überhaupt keine Angst, etwas von sich zu zeigen. 
Man konnte ihn leicht zum Erzählen bringen, indem man interessierte Fragen stellte, z.B. wie das gewesen sei, als er mit dem Motorrad durch Kreta fuhr...Und dann war die Stunde geritzt. 
Wir folgten seinen Erzählungen aufmerksam. Er erzählte wirklich gut, unangestrengt, humorvoll, leicht lächelnd, versonnen; ab und zu schauten wir uns an - YEP! Das war wieder gelungen, flugs war die blöde Lateinstunde um. Natürlich hatte er uns durchschaut. Doch er spielte mit, meistens jedenfalls, und wir lernten sehr viel bei ihm, auch Latein.
Herr Dr. Heislbetz war ein Doktor der Philosophie und mit etlichen bayerischen CSU-Größen und jesuitischen Philosophen befreundet. Er war irgendwie anders als die anderen, entspannter, zurückgelehnter, menschenfreundlicher, und das spürten wir.
Herr Dr. Heislbetz. Der Name ist nicht erfunden. Mein erster und einziger Lehrer, dem ich eine Art von Verehrung entgegenbrachte, die mir im Nachhinein sehr berechtigt vorkommt.
Schade. Nach dem Abitur habe ich ihn nie wieder gesehen.

Während die Polizistin sprach, Bastian und Emmely spielten sich dabei sehr in den Vordergrund, korrigierte ich die Mathehefte. Sechs Kinder hatten die sehr einfachen Aufgaben aus der Stunde vorher trotz Helfens nicht wirklich bewältigt.
Sie bekamen in der 4. Stunde eine Förderung bei Frau Herrfurth, wir anderen sprachen anhand des Geschichtsbuches über die neuen Merkmale der Bronzezeit und den Handel und Wandel, der sich damals entspann.

Auf einem Quadratkilometer konnte man mit der Jagd einen Menschen ernähren, mit Viehhaltung sieben und mit Ackerbau 22. Da entstanden Überschüsse, und Handwerke bildeten sich heraus, Handel entstand. Nicht jeder produzierte mehr alles für sich und die Familie als Selbstversorger, Handel zuerst Ware gegen Ware, dann Ware gegen Geld/Gold und das wieder gegen Ware. Von Hand zu Hand, türkisch: elelle, Handel.

Das erinnerte schwer an die ersten Kapitel aus dem ersten Band des "Kapitals" von Karl Marx, wo er den einfachen Warentausch erklärt und, wie es später zum Geld kommt.

Kulturell gesehen spielte die Musik damals in den Ländern des östlichen Mittelmeeres. Wir schauten auf der Geschichtskarte nach, wo es Kupfer und Zinn gab und wie die Handelswege verliefen. "Kennt Ihr die Seidenstraße?" Nein, kannten sie nicht. War auch sicher viel später..

In der dritten Stunde schrieben wir ein Diktat, Frau Herrfurth drüben mit den Förderkindern und wir in der Klasse. 

Von unserer Hausmeisterin habe ich unfreiwillig ein sehr kleines Aquarium mit etwa 20 Black Mollies übernommen. Eigentlich wollte ich die Fische  in die Zoohandlung bringen, aber Selena, Cherry und ich reinigten es dann doch und beschlossen, sie noch nicht wegzugeben. Hoffentlich vermehren sie sich nicht zu sehr.

Wir könnten in der nächsten Woche das 54-l-Aquarium, das wir noch haben, einrichten und sie nach ein paar Tagen, wenn es dann "eingelaufen" ist, da hinein setzen. Das wäre vielleicht auch noch einmal gut zu zeigen, wie man ein Aquarium als funktionierendes Biotop einrichtet.

Die Pumpe ging plötzlich nicht mehr. Neeee! Sie war sehr verklebt. Ich lief gerade durch den Gang, als ich kräftig hineinpustete, und da hing das ganze Zeug an der Wand. Schnell weggewischt, hat keiner gesehen. Hoffentlich.
Danach hatten beide Mädchen ohne Aufforderung sich die Hände gewaschen. PRIMA!!!

Nächste Woche müssen die Führungen gemacht werden, zurNot ohne Lars in den Förderstunden. Dann müssen wir die Höhle abbauen.

Und mit den Aktivisten Pizza essen gehen. Aber jetzt ist erst einmal Wochenende. Schön.  : )


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