Samstag, 17. November 2012

Hätten wir doch noch ein Jahr mehr!

Donnerstag, 15.11.12


 


Zwei Tage lang nichts geschrieben. Das ist nicht einfach, wenn man später am Nachmittag noch einen Termin hat, danach den Faden wieder aufzunehmen. Die Erholbedürfnisse sind zu groß.

Aber jetzt. Zuerst konnte man bemerken, dass die neuen Jugendzeitschriften wie die Bravo, die es immer noch gibt, erschienen waren....



 Jungen und Mädchen hängen gleichermaßen - und gemeinsam über dem Heft, man verliest (Liebes)horoskope...



Welche Intensität dabei zu bemerken ist - man könnte als Lehrer neidisch werden. 

 (Übrigens: In dieser Woche kam fünf Tage lang NIEMAND zu spät!!!)


Doch irgendwann schlägt die sadistische Lehrerin zu. Wir haben gestern einen Multi-Media-Vortrag gehört. Was ist das, ein MULTI, MEDIA, VORTRAG?

Multi? Multivitaminsaft...heißt "viele. Media? Medien? Medium? Das medium-Schnitzel? Mittel, Medium heißt Mittel, Medien in der AGB: Bücher, CDs, etc. Sie sind Mittel, um etwas aufzunehmen, Vermittler.

Was also ist ein Multi-Media-Vortrag? Ein Vortrag mit vielen Medien: Projektor, Leinwand (Kuppel), Tonvortrag, Bilder, Musik. Das sind also die vielen Medien.

"Wir haben gestern das Carl-Zeiss-Planetarium besucht. Der Vortrag hieß: "Sterne, Nebel, Feuerräder". Er war für Kinder von 8 bis 12 Jahren gedacht. Was wissen wir noch darüber? Und wie war Euer Eindruck? "Zu leicht, zu einfach, ganz gut." -  "Schön, dann habt Ihr sicher viel behalten können, wenn es einfach war: Was denn?" 

Es kommt --- nichts.

Doch: Zwei Mädchen können aus ihren Aufzeichnungen vorlesen, die sie im Dunkeln auf dem Klemmbrett gemacht haben. (Die Gymmies...wohlorganisiert...) Sonst - nichts.

"Dann sitzt es wohl noch zu weit hinten drin, und wir müssen es sorgfältig herausziehen. Stellt mal die Tische einzeln....

"ICH WUSSTE ES," brummt Peter. "Nehmt Euch ein Blatt und schreibt auf, was Ihr wisst." -  "Oooch neehhee," tönt es von allen Seiten.

Die Tische stehen im "Testmodus", einzeln. Ruhe kehrt ein, jeder ist zwanzig Minuten lang auf sich gestellt und --- dann machen wir eine kleine Pause. Essen trinken, Bravo lesen, quatschen, weiter geht's!

Lehrerin hat in der Pause die Blätter quergelesen, lässt den Stuhlkreis bilden: 

"Jeder liest vor." Emmely links neben mir streikt schon als erste. "Ich will nicht lesen." Lehrerin wartet. Schweigen. "Ich will nicht lesen." Klar, dass da Sorgen sind, der eigene Beitrag sei nicht wertvoll genug, würde nicht bestehen. Lehrerin wartet weiter. Klasse ist still. Emmely beginnt mit dem Lesen.

Immer wieder wird deutlich, wie wertvoll und stark nonverbale Zeichen sind. Man kann manchmal auch mit Schweigen und Übergehen arbeiten. Natürlich nicht so weit, dass sie weinend hinausrennt. Man muss wissen, wann man aufhört. Aber man muss nicht auf jedes verbale Signal verbal reagieren und es damit aufwerten. 

Emmelies Beitrag ist durchaus stark. Sie weiß es nur noch nicht. Die Zahl ist richtig, der Zusammenhang nicht.
 



Nebenbei zeigt sich, dass Emmelies Rechtschreibfertigkeiten soo schlecht gar nicht sind bei der geringen Übungsdichte, die sie leider immer nur hat...Schön! 

Es zeigt sich auch, welch ein Sturkopf ich bin: Die sog. Tintenkiller sind bei mir striktenstens verboten. Ich sammele sie ein, wo ich sie sehe. Man soll Fehler einmal (!) durchstreichen und die Zahl der Durchstreicher vermindern, durch erhöhte Konzentration. Tintenkiller verleiten zum Herummalen und verlangsamen die Schreibgeschwindigkeit. Man kann fünfzehn Fehler im Text haben, und er sieht makellos aus. ("Der Schein trügt.") Sind nicht nur überflüssig, sondern auch schädlich. Am letzten Schultag können die Kinder sie wiederhaben....und benötigen sie hoffentlich nicht mehr.

Emmely ist ein kluges Mädchen, aber sie geht nicht gut mit ihren Fähigkeiten um. Sie lässt sie brachliegen. (Ich muss mich in diesem Blog nicht  der neuen Rechtschreibung fügen. Vieles darin widerstrebt mir aus ästhetischen Gründen.)
Aber Emmely hat einen eigenen Gedanken drin: "Zuerst dachte ich mir: Wie können die Wissenschaftler das errechnen?" Das ist sehr selten. Sie stellt das Gegebene in Frage. Eine wichtige Fähigkeit.

Gerne würde ich gemeinsam grübeln, wie man das errechnen könnte, aber wir müssen weiter....Jeder Beitrag hat mindestens einen neuen Aspekt. So viele Kinder, so viele Herangehensweisen. Dies wird beim Lesen deutlich. Die Inhalte sind jetzt präsent. Und: Jeder Beitrag war auf seine Weise wertvoll, das ist allen deutlich geworden. Das ist ein wichtiges Ergebnis!

Nun sind wir "reif", die Dinge zu ordnen. Zwei Stunden sind vergangen. Nur keine Hektik! Wer gründlich arbeiten will, muss sich Zeit geben. Skolé = Muße = Schule.



Fereba hat die Ergebnisse des Gesprächs, die im Tafeltext gesammelt wurden,  gut lesbar notiert.

Die Lehrer der Sekundarschule, die ich gesprochen habe, beklagten stets, dass ihre Schüler, die sie von der Grundschule bekommen, in aller Regel nicht mehr ein Blatt gliedern und Texte lesbar aufschreiben könnten.  

So muss auch dieses geübt werden. Dabei ist zu beachten: "Wir schreiben mit Füller, wir zeichnen mit Bleistift." "Unterstreiche Überschriften farbig!" "Halte den Rand ein." Manchmal gebe ich Noten für die Gestaltung. Das zieht "hoch".

Beim Tafeltextanschreiben fragt einer: "Was sollen wir unterstreichen?" Wir untersstreichen dann farbig, was wichtig ist.

Ali meckert etwas kraftlos herum, "Soo viel..." Er war heute wie fast immer, mit dunklen Augenringen und sehr müde in die Schule gekommen.

Vielen Schülern fehlt eine Struktur, es fehlen Rituale, die Sicherheit geben, niemand sagt ihnen anscheinend, dass man bekannte Erwachsene grüßt, wenn man sie sieht, dass man nicht hörbar in der Tasche kramt, wenn einer spricht. Seit der Klassenfahrt verfügen wir über akzeptierte Essensregeln. Nebenbei gesagt: Ich glaube, Kinder mögen Regeln. Sie mögen es aber auch, wenn deren Gültigkeit durchgesetzt wird.

...und schreibt dann ohne weiteren Protest weiter. Seine Schrift ist besser lesbar geworden. Er schreibt schon mehr, ohne in Protest auszusteigen.

Hätten wir doch noch ein Jahr mehr, bevor alle auseinandergehen!!!



 Das alte Beschwerdebuch: Es wird schon klar, womit sich eher Jungen herumschlagen und was die Mädchen bedrückt:












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