Sonntag, 10. Februar 2013

Die Sache mit der Arbeitszeit

Nachdem ich im letzten Post gelandet bin, wo ich gar nicht hinwollte, was aber auch ganz schön war, fange ich nochmal mit dem Gedanken an, mit dem ich anfing. Übrigens sogar im allerersten Post am 8. Feb. 2012 erwähnt: die Arbeitszeit.

Die Lehrer haben ja erkennbar viel Ferien. Das sieht jeder. Ich bin gewöhnt, dass gesagt wird: "So viel Urlaub möchte ich auch haben!" Möchte ich auch jedem und jeder gönnen.

Wenn uns Leute einen Tag begleiten, wenn wir grad mal keinen "Urlaub" haben, dann sagen sie beim Tschüss regelmäßig: "O Gott, das möchte ich nicht jeden Tag machen!"

Da wir diese erkennbar langen Ferien - zehn Wochen! - haben, also vier mehr als der "normale" Arbeitnehmer, kann man uns von "oben" alles Mögliche aufhalsen, denn das passt ja alles noch rein, und wer will das schon kontrollieren.

Deshalb habe ich mir ein Arbeitszeitrégime gegeben. Vorbild ist eine Aktion "Gläserne Schule", 1980, als wir noch alle jung, hübsch und kraftvoll waren.

Eine Handvoll Kolleginnen blieben damals eine Woche lang in der Schule. Wir protokollierten, was wir alles machten. Nach Hause gingen wir wie normale Arbeitnehmer ohne unsere Schulsachen. Fazit: Es blieb unglaublich viel liegen!!! Obwohl wir fleißig gewesen waren - und an allen Stunden gearbeitet hatten!

Das glaubt einem keiner. Doch, wenn man beispielsweise die eigentlich positive "Inklusion" so eben auch noch als Aufgabe aufgedrückt bekommt, dann fängt es an zu schmerzen. Man glaubt auch gar nicht, wieviele Statistiken auszufüllen sind...Ich habe z.B. drei Kinder, deren Eltern die "Berlin-Card" haben. Die vielleicht sinnvolle  Berlin-Card der Eltern ist ein Arbeitszeitklo für Lehrer. Eine Arbeit, die mit der Profession gar nichts zu tun hat. Hier sind wir wieder bei den Beamten. Wenn es nun hieße, wir sollten im Arbeitsamt, o sorry: Jobcenter - die Scheiben putzen, dann müssten wir das wahrscheinlich wohl auch noch tun.

Zuerst habe ich protestiert, habe gesagt: "Ich bin Lehrerin und nicht die Escort-Nutte des Arbeitsamts!" Doch das beeindruckte leider niemanden.

Ich hätte es so "lösen" können: Ich mache einfach keine Ausflüge und Exkursionen mehr, die Geld kosten.

Doch das ist wie mit den Klassenfahrten: Eigentlich dürfte man, wenn man im übertragenen Sinne,  Eier in der Hose hätte, das nicht mehr machen. Man macht es trotzdem. Wegen der Kinder. Denen da oben ist das ganz egal. Ganz egal. Sonst würden sie es anders machen.

Also die Berlin-Card Besitzer müssen sogar für die Ausflüge und Exkursionen kein Eintrittsgeld mehr selbst zahlen. Die Lehrer füllen ein Formular für sie aus. Dann erhalten sie das Geld von der Schulleitung und können für die Kinder beim Museum den Eintritt zahlen. Praktisch, nicht? Fürs Arbeitsamt.

Früher hätte sicher zwei Mal die Woche jemand in der Schule gesessen, der das übernommen hätte...heute müssen es die Lehrer machen. Sind alles in allem so etwa 20 Minuten, ein Formular, ein Schulleitungsbesuch. Pro Ausflug.

Ich empfinde das als unangemessen. Erstens kostet es mich Zeit, die ich gerne mit meinen Kernaufgaben verbringen möchte. Zweitens möchte ich das mit den Graden der sozialen Bedürftigkeit nicht so ganz genau wissen,  aus Gründen der Stigmatisierung, aber auch, weil manchmal die gleichen Leute, für die Du diese Formulare ausfüllen musst, weil sie so bedürftig sind, mit Autos vorgefahren kommen oder mit iPhones herumspielen, dass es einem die Säure in den Magen treibt, wenn man es gerne im Leben ein bisschen logikkompatibel hätte.

Nicht, dass ich ihnen die iPhones oder die BMWs nicht gönne. Aber beides geht nicht. Jedenfalls nicht vor meinen Augen.

Von dieser Art Aufgaben gibt eine ganze Menge. Sie halten uns von unserer Arbeit ab. Wie wir die dann trotzdem machen, ist denen da oben...sagte ich schon...Banane.

Aber mir nicht. Mir ist das nicht egal. Immer habe ich das Gefühl, ich hätte zu wenig getan, obwohl ich privat zu nichts Anderem mehr komme. Das geht nicht.

Daher das Arbeitszeitrégime: Ich rechne mir die Jahresarbeitszeit aus: Wochenarbeitszeitstunden mal 46 Wochen. Da ich auf Teilzeit bin, anteilig zur Vollzeit. Diese Zahl teile ich durch die 40 Wochen, die wir unterrichten statt der 46 im Normalfall. Das nenne ich Ferienausgleich. So arbeite ich dann letztendlich genauso viel wie jeder andere Arbeitnehmer, nur anders verteilt. Dass Unterricht heutzutage vielleicht anstrengender ist als Bögen im Finanzamt ausfüllen, ist quantité négligeable. Ich arbeite also die Arbeitsstunden dieser 4 Ferienwochen zusätzlich vor oder nach, jedenfalls zusätzlich in den 40 Wochen mit.

So ergibt sich eine Soll - Wochenarbeitszeit. Die Ist-Wochenarbeitszeit schreibe ich mir dann täglich dazu auf. 

Gestern habe ich 2012 durchgerechnet. Und was kam heraus?? 120 Stunden mehr als ich bezahlt bekommen habe. Das sind bei 40 Wochen lang  drei regelmäßig  pro Woche mehr als "nötig". Also, ich muss kein schlechtes Gewissen haben, ein "fauler Sack" zu sein........

Nebenbei: Das Schreiben dieses Blogs habe ich mit "Null" verrechnet. Das läuft unter "privat", obwohl es mit der Arbeit zu tun hat.

Wenn man diesen Beruf gut machen will, müsste man von Berufs wegen Nachdenkzeiten, Reflexionszeiten, zur Verfügung haben. Bezahlte Supervision.

Jetzt muss ich mir überlegen, was die Inklusionskinder in Mathe machen, falls die Förderlehrerin, was nicht unwahrscheinlich ist, ausfällt. Für zwei Qualifikationsstufen habe ich es schon durchstiegen. Für die leistungsschwachen Kinder, die nicht mit Dezimalbrüchen und komplexeren Brüchen  rechnen können, weil ihnen die Abstraktionsmöglichkeit fehlt, muss ich mir noch was ausdenken.
Das gilt für alle Fächer....

Als wir anfingen mit der Inklusion, damals "Integration", gab es, damit es keinen Widerstand gab, (oder, weil es sinnvoll ist..) 5 Förderstunden pro Woche und Kind dazu! Als das eingeführt war, schmolz das immermehr ab. Heute gibt es nur noch rechnerisch ca. 1,5, von denen faktisch mehr als die Hälfte wegen Vertretungsunterrichts wegfällt.....

Krass. Aber Hauptsache, diese hoch verschuldete Stadt bekommt noch ein neues, auf alt getrimmtes, romantisches Schloss, für, sagen wir mal, alles in allem eine Millarde, auch, wenn keiner weiß, wozu.

Unsere Politik. Und der Apparat sagt zu allem Ja und Amen.

Deshalb rechne ich meine Stunden aus. Ich will mich, wenn ich "meine" Stunden gearbeitet habe, frei fühlen. Dafür muss dann leider einiges liegen bleiben.

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