Donnerstag, 30. August 2012

Wer ist Hammer, wer ist Amboss?

Heut mag ich nicht so gern schreiben. Das Gefühl, mit dem ich um 15.45h Uhr nach Hause gekommen bin, war nicht soo gut.
War heute um 7h15 am Platz meines Wirkens und war bis 15.30h in Aktion. Macht 8  1/4 h, Pause war nicht.
Aber was? In den ersten beiden Stunden war Mathe. Die Schüler erwarten den Test schon zurück, dabei habe ich noch gar nicht mit der Korrektur angefangen. Wir arbeiteten ganz gut an dem Mathematerial und lösten ein paar Tafelaufgaben als Ausblick auf die nächste Woche.
Dann war Pause. Ich sollte in der 3. und 4. Std. vertreten, weil Lars' Kollegin fehlt und er sollte in seiner Klasse sein. Da ich ein Elterngespräch terminiert hatte, konnte ich es mit unserem Konrektor und Gabriele zusammen regeln: Gabriele würde mit den Kindern Werner Herzogs Film  "Die Höhle der vergessenen Träume" schauen, während ich das Gespräch führte, in der vierten Stunde habe ich die zusätzliche Vertretungsstunde (Danke-Senat! : /), die sollte auch in der Klasse sein. In der 5. Stunde war Teamgespräch und Alis Mutter kam.
Zu Beginn der 3. Stunde rollte Lars mit seinen Materialien in den Raum. Er hatte von der Umstellung gar nichts mitbekommen, war topvorbereitet und hatte alle Sachen dabei!
Seine Erzieherin bekam das mit, rannte los und bot ihm an, dass sie mit ihrer Kollegin zusammen am Wochenplan in der 3. Klasse arbeiten würde, in die Lars jetzt gehen sollte, dann könnte er doch hier weitermachen.
Ist das kollegial???? Aber wie!! Er nahm an und ich rollte den Fernseher wieder weg. Die Kinder mussten sich heute zum zweiten Mal umstellen....

Maries Mutter kam, Marie nahm am Gespräch teil. Was sich da offenbarte, war gar nicht schön. Marie war mit blauen Flecken von der Klassenfahrt heimgekommen. Sie wird ständig von einigen Jungen geärgert, selbst die Mädchen, mit denen sie stets zusammen ist, lachten teils mit, wenn sie ausgelacht wurde.
Sie wollte die Schule wechseln. Ein Waterloo. So ohnmächtig ist man. Dabei passe ich auf wie ein Luchs und denke, so viel entgeht mir nicht. Fehlanzeige. Da hängt wohl einiges schief.
Ich hatte Maries Mutter eingeladen, weil einige Dinge passiert waren zwischen Ali und Marie und Marie hatte "sich gewehrt", darauf hatte Ali immer noch zugelegt und die Dinge waren immer schlimmer geworden. Marie sagte, ihre Mama hätte gesagt "Wehr Dich!" Kann man verstehen. Ali war bis zu ihnen nach Hause gegangen, zusammen mit Mesut, hatte dort geklingelt, gefragt, wo denn der große Bruder sei, mit dem sie ihm gedroht hatte. Es war bei ihr eine hilflose Reaktion auf seine Verfolgungen gewesen, mit dem Bruder zu drohen. Als die Mutter herauskam und ihm den Finger aufs Hemd setzte - Er: "Sie hat mich vorne am Hemd festgehalten, so!" Sie: "Ich habe ihn leicht mit dem Finger vorn berührt."- war er sehr in seinen Menschenrechten schwer beeinträchtigt gewesen. 
An dem Folgetag hatten wir mittags darüber zu dritt gesprochen. Es sollte nicht weitergehen, versprochen, Funkstille, nix passiert mehr.
Am nächsten Tag erzählt Selena, sie und Marie seien mit Marie und ihrem Hund unterwegs gewesen und von Ali und Mesut bis in den Wasserturm, ein Jugendzentrum, verfolgt worden. Am gleichen Tag unseres Gesprächs!!!
Als dann Ali den Buchladen aufmischte und die Klasse belog, sie habe keinen Sport, wo sie doch Sport hatte, hatte ich der Mutter diesen Brief geschrieben. 
Um 12 Uhr kamen Mutter und großer Bruder.
Sie kannte den Brief nicht. Der Einschreibebrief lagerte noch auf der Post. Fast eine Stunde schreiben, eine halbe Stunde auf der Post warten, 4,75 Euro bezahlen, und sie holt ihn noch nicht einmal ab?
Ali kennt keine verbindlichen Regeln. Er kann sehr charmant sein und hatte ein paar Tage durchgehalten. Doch seit gestern kam die andere Seite wieder heraus. Ich sage, dass ich jetzt immer anrufe, wenn etwas passiert. (Warum mach ich sowas? Es macht mich fertig.)
Maries Mutter rufe ich jetzt jeden Freitag an, damit wir uns austauschen können. Marie soll uns alles erzählen. Selbst nichts machen. (Es macht mich doppelt fertig.)

Was aber erfreulich war: Alis Mutter wollte Maries Mutter anrufen und sich entschuldigen. Wir baten sie, Ali zur Hand zu gehen, damit er das macht.

Ich muss mit den Freundinnen reden. das geht so nicht. Aus so etwas KANN man sich nicht heraushalten.
Aber bei den Jungen ist es genauso. Einige ruhige zeigen Verhaltensweisen, die man sonst nicht von ihnen kennt. Sie haben Angst, sie könnten selbst zur Zielscheibe werden.
Gabriele und ich sitzen im Raum, sind noch quasi erschlagen von den Niederträchtigkeiten, die von drei bis fünf Jungen ausgehen.
Da rummst es draußen gegen die Wand, mehrfach. ich raus, Bastian und Hans verschwinden elegant in der Klasse, "Kommt mal her!" Sie haben gegen die Wände getreten, um Taekwondo oder sowas zu üben.
Krass. Eintrag Klassenbuch. Bastian erzählt Lars später, er wolle die Schule wechseln, das sei ja ganz furchtbar hier.
Ich glaube, sie haben eine so große innere Unordnung, dass sie unsere, meine Ordnungsversuche, Regeleinhaltungsversuche, als Einmischung in ihr Privatleben empfinden. So kam es bei mir an. 
Im Moment ist keine gute Zeit. Machtkampf an allen Ecken. Wer ist Hammer, wer ist Amboss. Keine Lust auf sowas. Aber nur für Lust bekomme ich nicht mein Geld. Nur, wenn ich keine Lust habe, habe ich auch keine Ideen.
Könnte Lust bekommen, morgen meine Nebenhöhlenentzündung auszukurieren.
Ich fahre dann noch zu dem Bastelgeschäft in Schöneberg und hole die Knete für morgen. Plastillin.
Dann zurück zur Schule und die gefühlten tausend Kilo Knete abladen. In der Wollwerkstatt tagt eine Gruppe. Die Leiterin hatte mir vor einiger Zeit einen Zehner für die Schafe gegeben, ich sollte ihr eine Handytasche filzen.

Die rechte ist es.
 
 
Rechts sind Vorder- und Rückseite der gleichen Handytasche zu sehen.

Filzte ihr zwei zur Auswahl. Sie nahm sie beide. So sind die Leuz. Eigentlich mag ich sie richtig gern. Doch: An einem arbeite ich mindestens drei Stunden. Für fünf Euro plus Material? Da kommt gar nichts für den Unterhalt der Schafe dabei raus. Es ist zum Verzweifeln. Wie gesagt, heut ist nicht mein Tag. Die goldenen Sterne müssen woanders liegen......
Beim Nachhausefahren mit dem Rad traf ich Manuel, der seit dem neuen Schuljahr nicht mehr bei uns zur Schule geht.
Manuel lachte mich an auf seine zurückhaltende Art, ich stieg ab und fragte ihn, wie es ihm so geht. Es geht ihm sehr gut, sagt er, er kommt gut mit und er fühlt sich wohl. Manuel erzählt nicht etwas, um Eindruck zu machen, er sagt, was er denkt, das kenne ich von ihm. Er ist in seinem Verhalten gänzlich unprätentiös. Dass er sich wohl fühlt, kann ich sehen, an seinem Teint: Er wirkt so entspannt im Gesicht, so frisch, so rosig, und ich kenne ihn  so, wie er oft war, blass,  sehr angespannt,  gestresst. 
Ich freu mich, sage ich zu ihm, ich war immer gern Deine Lehrerin, aber ich freu mich für Dich, dass es endlich mal einfach nur schön ist! Ja, und das stimmt. Ich freue mich sehr, ihn so gesehen zu haben. Er hat nach vielen Jahren seinen Platz gefunden. Wie schön! 
Er war das Ziel vieler Attacken gewesen zusammen mit Markus, der auch nicht mehr da ist.....Ich hatte es trotz großer Aufmerksamkeit auf diesen Punkt nicht verhindern können. Waterloo.

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