Donnerstag, 16. August 2012

Die Höhle der vergessenenTräume

Wie kamen wir bloß wieder da drauf? Im Nachhinein weiß man das gar nicht mehr. Wie, bitteschön, auf den letztendlich doch erschossenen Rudi Dutschke, auf die BILD-Zeitung, auf die Rudi-Dutschke-Straße nah beim Springer-Verlag, auf das Wort "Charisma" und somit auch auf Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, auf ermordete Führungspersonen, auf die Studentenrevolte, den Kommunismus...Mein Gott, sie sollen doch etwas WISSEN, zum Beispiel, dass man sich hier in Berlin auf geschichtlichem stark getränktem Boden bewegt, der erzählt, wo auch immer man sich aufhält und natürlich Straßennamen auch!

Ah ja, die Kinder hatten sich gewundert über eine etwas hektische Situation gestern vor der Schule mit BZ-Reportern und ich hatte ein wenig wenig Wertschätzung gegenüber diesem speziellen Pressemedium gezeigt, weshalb sie fragten, warum.
So kamen wir auf Rudi Dutschke und die BILD-Zeitung.

Hintergrundwissen, heute vielleicht nicht mehr selbstverständlich voraussetzbar: Z.B.:

http://www.detlev-mahnert.de/dutschke-bsz.html 

Drei Kugeln auf Rudi Dutschke, ein blutiges Attentat, wir haben genau gesehen, WER da geschossen hat..(Wolf Biermann)

 (Hallo, ich hab nicht indoktriniert, ja?)

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Dann begannen wir mit der Mathematik, machten uns mit ein paar Tafelübungen für die Bruchrechnung flüssig und vertieften uns in dieses wunderbare Rechenmaterial:
                                  
Als ich merkte, dass viele versuchten, die Aufgabenlösungen eher zu erraten als die wunderbare Möglichkeit zu nutzen, durch Legen mit den ausgeschnittenen Teilen die Bruchgrößen und -verhältnisse stärker zu verinnerlichen, hielt ich ihnen einen kleinen Vortrag über den doppelten Sinn von "begreifen". Das half etwas, mehr mit den Händen zu tun gemäß diesem genialen Tweet, dessen Bedeutung für Lernen überhaupt man nicht groß genug einschätzen kann:

Dieses Lernmaterial bietet so viele unterschiedliche Situationen und Anleitung zum "Handeln" beim Lösen der Aufgaben, dass es die reine Freude ist.
Man bemerkt, wie gern die Kinder damit arbeiten. Genial ist auch die durchgehende Selbstkontrolle beim Arbeiten, also sehr empfehlenswert als Eigenarbeit und Selbsttätigkeit auf vielen Ebenen fördernd.
Nach der Pause, die eine Pause war, d.h. es war keine Aufsicht zu führen, hatte ich eine Förderstunde, und --F***---, ausgerechnet in der Kunststunde soll ich Kinder zum Schreiben oder Rechnen entführen???
So blieb ich noch zu Beginn der Stunde und konnte der Einführung des Kollegen Lars folgen, der mit sehr anschaulichem und gut vorbereitetem Material Tiere, in Höhlenmalereien und die Höhlenmalereien selbst präsentierte, was dann auch ein sehr informatives und lernintensives Gespräch über steinzeitliche Tiere ergab.

Danach begann die praktische Arbeit des plastischen Herstellens eines Tieres so wie es auf einer Felswand auch auf unebenem Grund abgebildet wäre.
Lars hatte eine tolle Idee gehabt: Anfang November, zu unserem Lesefest, werden wir eine Höhle mit urzeitlichen Malereien herstellen, unten in unserem langen Kellergang,  die Kinder werden Führungen anbieten, unsere Gäste durch die steinzeitliche Höhle führen (mit der Taschenlampe) und Erläuterungen geben.
Die Idee war so mitreißend, dass ich mich gleich bereit erklärte, mitzuarbeiten. Lars entwickelt mit den Kindern die Höhle, ich sollte dann mal Ideen für die "Führungen" entwickeln....
Er erzählte mir von einem Film des Werner Herzog über die Höhle von Chavaux in Südfrankreich.

Als die Kinder zu arbeiten begannen, ging ich mit Fereba in den Nebenraum rechnen. Fereba ist eine ganz ruhige Schülerin, sehr fleißig, aber mit großen Schwächen in Mathe. Da ich die Klasse in Mathematik ja jetzt erst kennenlerne, muss ich mich da auch langsam herantasten. Wir rechnen also ein paar Aufgaben - wieder die Scheu vor der grafischen Lösung, auch, glaube ich zu bemerken, die negative Rückkopplung, die aus erlittenen Misserfolgen resultiert und die einem ein Brett vor den Kopf stellt oder alles in eine Nebelwand hüllt. Ich kenne das von mir selbst, allerdings noch nicht bei einfachen Bruchrechenübungen. ; )
Als ich es bemerke, spreche ich es an: Ja, da ist schon ein negatives Verwirrsystem in Gang gekommen, so dass Fereba nicht über die Fähigkeiten aktuell verfügt, die sie unter günstigen lernbiographischen Voraussetzungen aber doch mobilisieren könnte.
Das ist ein sehr typisches Mädchenproblem. Unsere Rechnungen bekommen einen schönen Fluss, eine Art "Drive", sie traut sich mehr zu und hat schöne Resultate.
Damit wird sie in den Kunstunterricht entlassen und ich schlüpfe schnell in den Computerraum hinein, um nach dem Herzog-Film zu forschen.
Hier ist er, sogar mit Trailer. Konnte nicht widerstehen, habe ihn sofort bestellt.
Ich hatte heute nämlich keine Vetretungsstunde.
Nochmal in die Klasse zurück, wo sich Schönes tut:



Danach Pause, mal was essen und trinken und in der 5. Stunde ist Teamgespräch.
Am Morgen hatte mich eine Mutter angesprochen, Mutter eines Schülers, den ich von der Wollwerkstatt her kenne. Sie macht sich Sorgen, ihr Sohn wollte heute nicht zur Schule gehen, er hatte etwas mitbekommen, das ihn geängstigt hatte. Der Mutter hatte ich versprochen, herauszufinden, was es gewesen sein könnte und mit ihrem Sohn zu sprechen. Das musste jetzt noch geleistet werden. Das Gespräch mit Mesut war sehr aufschlussreich.
Erwachsene hatten sich vor der Schule stehend laut aufgeregt. Ich erinnere mich noch, wie ich als Kind auch die Dinge 1:1 genommen habe. Wenn sich jemand erregt, dann dachte ich, muss es doch so sein, denn sonst würde er sich doch nicht so aufregen.. Die Stimmung war Mesut unter die Haut gegangen, wie man so sagt, ohne, dass er verstanden hatte, worum es ging. Es musste aber etwas sehr Schlimmes sein, er meinte, eine Vergewaltigung oder so, und bekam Angst.
So sprachen wir eine Weile zusammen und trennten uns dann. Die Kollegin erlaubte auch gleich, dass er mit hinausdurfte. Er fühlt sich wohl in seiner Klasse und in der Schule, aber der Vorfall gestern hatte ihn sehr erschreckt.

Danach machte ich mich nach Hause, denn die Schilderung des Vorfalls durch die Erwachsenen an der Schule hatte mich auch erschreckt und auch, wie wenig Mancher angemessene Formen zu finden weiß, mit unterschiedlichen Standpunkten umzugehen. Das ist sehr belastend.
Eigentlich bin ich ja jetzt privat - aber war das eben hier privat? Doch eher nicht. ABER JETZT!
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