Mittwoch, 15. August 2012

Manchmal läuft es anders.


Der Tag lief heute teilweise anders als vorgesehen. Ich hatte heute die beiden ersten Stunden frei. Die Kinder hatten Englisch. Während der freien Zeit organisierte ich mir zuerst einen DVD-Player und schaute mir einen Film über die Frühgeschichte der Menschheit an, den ich mir am  Montag aus der Amerika-Gedenkbibliothek ausgeliehen hatte. Er hatte keine Altersbeschränkung, das hatte mir Mut gemacht. Sachfilme haben oft eine unerträgliche Erwachsenensprache, gänzlich ungeeignet für Kinder - schade!


Dieser Film war am oberen Level dessen angesiedelt, was für unsere Kinder verstehbar ist - immerhin. Ich sah mir die ersten vierzig Minuten an, ob sie für den Unterricht geeignet waren. Sie waren es.

Der Film will zeigen, dass die so genannten primitiven neolithischen Urmenschen sehr wohl eine beachtliche Archtiketur und eine beeindruckende Medizin, also grundlegende zivilisatorische Errungenschaften, vorweisen können und dass alle anderen, mehr gefeierten Zivilisationen und auch wir auf deren Kenntnissen aufbauen. Zum Beispiel soll Gletschermumie Ötzis Kultur vor 5000 Jahren Akupunkturkenntnisse gehabt haben....Manches aber ging auch verloren...

Es war sehr interessant. Im Gespräch im Nachhinein sprachen wir über Muttergöttinnen und Vatergötter und blieben bei Haggar, einer wichtigen Person im Islam "hängen" , Ismaels Mutter, die in der Bibel eine Randfigur ist und im Koran recht bedeutsam. Meine Bildungslücken füllte ich in der Pause mit Hilfe meiner islamischen Religionskollegin auf.

Der Hagar war ich in der Gemäldegalerie im Sommer begegnet, hatte sie zum ersten Mal kennen gelernt und mich über sie informiert.
Es ist interessant, wie viele Geschichten in den drei monotheistischen Religionen
Übereinstimmungen aufweisen, aber aus je einer anderen Perspektive erzählt werden.


Hier sehen wir Abraham, alt und ohne Nachkommen, dem von seiner unfruchtbar gebliebenen Frau Sarah Hagar, "die Fremde", eine Magd aus Ägypten zugeführt wird, um einen Sohn zu zeugen.
Interessant in dem Bild ist das Gesicht der Hagar, sie hat einen gemischten Ausdruck aus Ungläubigkeit und vielleicht Abscheu im Gesicht vor diesem alten Mann, mit dem sie nun das Bett teilen soll..



Sie wird sehr schlecht behandelt, besonders von Sarah, Abrahams Ehefrau und will fliehen, doch sie bleibt, bis die alte Sarah den Isaak gebiert, vierzehn Jahre später, da ist sie 113!! Da schickt Abraham Hagar und Ismael in die Wüste.




Ismael weint, Hagar will es nicht glauben, hat sich in die unmögliche Situation eingelebt und wird nun verstoßen, weil das gewünschte Kind nun doch gekommen ist. Jetzt ist kein Platz mehr für sie und Ismael. Im Koran soll Ibrahim Ismael schlachten, in der Bibel ist es Isaak, der das Opfer sein soll. Hadschar/Haggar ist dem Koran nach an einer Wand der Kaaba in Mekka beigesetzt und wird im Islam sehr verehrt.

**********

Ich musste auch noch erklären, warum ich im Moment so "notengeil" bin und andauernd Noten gebe. Ich will, dass die Kinder später die richtige Oberschulempfehlung bekommen und dass diese auf ganz vielen Informationen fußt. Ich will, dass wir zu einer übereinstimmenden Oberschulwahlentscheidung mit den Eltern gelangen. Hier müssen viele grundlegende Informationen die überschießenden Projektionen und Wünsche begrenzen und ein realistisches Bild ergeben, damit die richtige Entscheidung getroffen wird. Richtig ist die Entscheidung, die auf den Fähigkeiten des Kindes aufbaut und ihm ermöglicht, die Schullaufbahn mit möglichst hohem Abschluss ohne Abbrüche und ohne Versagenssituationen zu absolvieren.

Die Schüler möchten nach Film und langem Gespräch über Gott und die Welt an ihren Referaten über Themen unserer Klassenfahrt weiter arbeiten und es war sinnvoll, es zu tun. Ein Schüler möchte über "Jugendherbergen" schreiben, kein ganz leichtes Thema.


Danach lasen wir noch im 2. Kapitel des Buches "Die Sonne bleibt nicht stehen" von Gabriele Beyerlein. Über ein paar Tausend Jahre gab es die altsteinzeitliche und die jungsteinzeitliche Lebensweise nebeneinander. Das Buch handelt davon, wie ein Junge mit altsteinzeitlicher Lebensweise  und ein Mädchen aus der Jungsteinzeit sich treffen und Freunde werden, dies aber vor ihren Familien mit ihren Vorbehalten gegen die jeweils andere Gruppe verheimlichen müssen. Sie selbst haben auch Verständnisschwierigkeiten miteinander. Das Verhältnis zur Natur unterscheidet sich grundlegend wie auch ganz viele scheinbare Kleinigkeiten.
Das Buch gibt nach meiner Ansicht ein wundervolles Bild der paradoxen Momente von Fortschritt: Man gewinnt durch das Voranschreiten und man verliert auch etwas. Es ist gut, das zu wissen.

Dann waren vier Stunden Unterricht zu Ende, ich fühlte mich sehr ausgehöhlt. Die Gespräche waren sehr intensiv und spannend und die einzige lange Pause war eine Aufsicht gewesen. 

Nach solchen packenden Gesprächen, in die ich mein ganzes kulturhistorisches Wissen packe, z.B. so spannende Fragen, wie es dann kam, dass die Männer in grauer Vorzeit zur Zeit der Verehrung der Fruchtbarkeit bringenden Muttergottheiten irgendwann merkten, dass sie ja irgendwie an dem ganzen Fortpflanzungsgeschehen ja auch beteiligt waren - das heißt, sie wussten es vorher NICHT! - und dann den Spieß umdrehten, auch, weil, wie ein jüdisches Sprichwort sagt: "Du weißt immer, wer die Mutter ist, aber Du weißt nicht, wer der Vater ist..." und es schon Eigentum zu vererben gab - Stichwort Kuckuckskinder (dazu muss man wissen, wie die Kuckucke das machen) - und es dann zum Patriarchat kam.

Das ist sehr gut bei Erich Neumann dargestellt. Wirklich spannend. Ein menschheitsgeschichtlicher Krimi über die Identitätsfindung des Mannes.


Wir sprachen dann noch darüber, wie jung eigentlich die Emanzipationsgeschichte der Frau in der westlichen Welt ist und dass bis vor 200 Jahren auch in Europa noch zwei Äcker heirateten und keineswegs  romantische Liebe die Ursache des Heiratens war. Selbst bei "uns" ist das noch sehr, sehr jung, geschichtlich betrachtet. Dies steht zum Beispiel bei Niklas Luhmann: "Liebe als Passion" sehr spannend beschrieben.



Solche rasanten Gespräche lassen mich erschöpft zurück. Ich bin dann eine Stunde früher gegangen, habe doch in den Ferien soo viele Stunden gearbeitet....Wird aber alles ordentlich verrechnet. : )
                                      *******************

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen