Donnerstag, 4. April 2013

Duft der Zeit

Während ich das schreibe, höre ich:

Dillon: Tip Tapping:



und finde es sehr intensiv, empfindsam, minimalistisch und schön, nicht mit so viel BrummBrumm und Täterä und Außenwirkung.

Gewöhne mich neu ein wenig an nichtklassische Musik. Auch nach "uns" wurde gute Pop-Musik gemacht. 

Heute wieder zu Fuß unterwegs gewesen, in Kreuzberg. Zum besten Aquarienhandel Berlins:


Dort darf ich immer unsere unfreiwillige Fischnachzucht hinbringen. Das habe ich vor kurzem gemacht, ein gutes Dutzend Black Mollies waren es. Nun möchte ich Neons dazukaufen, denn wir haben nur noch drei. Vor Jahren waren es zehn gewesen. Drei fühlen sich nicht so wohl, es sind Schwarmfische. Doch es waren nur noch fünf Neons da, ich nahm sie alle.

Auf dem Weg traf ich auf dieses wunderschöne Haus, auf das viel Wahrheit über unser Leben heute kunstvoll gemalt ist:


In der Mitte eine Frau an einem Tisch, vielleicht am Computer, und ringsherum fliegt alles auseinander. Von unten tastet sich schon widerliche Schmiererei hoch, die das Werk in seinen luftigen Höhen aber nicht wirklich erreicht und verschandeln kann. "Kunst kommt von Können und nicht von Wollen, sonst hieße es Wunst", sagten sie früher zu uns. 

Ein paar Schritte weiter ist es noch wunstiger oder schon der schiere Vandalismus:


Und dieses, man will es nicht glauben, ist eine öffentliche Bildungsanstalt, Grundschule genannt . Ich frage mich, wie man an einer solchen Schule lernen kann und soll. 

Etwas Liebloseres habe ich noch nicht gesehen. Wie fühlt man sich als Schüler hier? Und wie als Lehrer? Ich sage es mal ganz ehrlich: Ich könnte hier nicht arbeiten. 

Es lädt zur Gewalt ein. Ich kenne diese andere Schule, eine Sekundarschule, die wir besucht haben, sie entfernen SOFORT jegliche Schmiererei. Wie sie es machen, weiß ich nicht. Wie sie es finanzieren, auch nicht. Sie schweigen sich aus. Zweimal habe ich die Schulleitung schon direkt angesprochen und war voller Lob, aber meine Frage, wie sie das hinkriegen, blieb unbeantwortet. Wie auch immer: Sie schaffen das. Es ist ein kräftezehrender Kampf, ein Geldmittel verschlingender Kampf, aber sie kämpfen.

Hier finde ich, teilt sich für mich mit, man habe schon aufgegeben. In ein solches Schultor hineinzugehen, wäre für mich persönlich unwürdig. 

Ich will nicht über Kollegen urteilen, habe aber einen Schüler, der sehr furchtbar dort geärgert und niederträchtig behandelt wurde und der deshalb zu uns wechselte, weil er es nicht mehr aushielt.

Das wirkt so, als habe man resigniert. In diesem Ambiente kann ich mir nicht vorstellen, würdig und effektiv mit Schülern und Eltern zu sprechen. Würden sie mich überhaupt anerkennen? Welche Autorität hat staatliche Erziehung in einem solchen Gebäude? Der Anblick ließ mich leicht erschüttert zurück.

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Zu Fuß hingelaufen, aber dann schnell mit dem Fahrrad zurück.


So waren es dann insgesamt im Aquarium acht kleine Fische, drei weibliche Black Mollies und noch ein paar sehr kleine, auch Guppies. So ist alles wieder ein wenig unter Kontrolle, jedenfalls einstweilen. Dass die Aquarien nicht überbesetzt oder eher unterbesetzt sind, ist gut. Übers Wochenende oder über die Ferien sind immer einmal ein paar Tage ohne Betreuung zu überstehen. Auch muss ich dann nicht so oft den Filter putzen. Das sind doch alles Extras, die in keinem Lehrplan stehen, so, als sei das mein Hobby.

Aber ich finde es wichtig, so einen lebendigen Punkt im Klassenzimmer zu haben, wo man sich in den Korbstuhl davor setzen und sich in den Anblick der Unterwasserlandschaft versenken kann, und sei es nachmittags, wenn unser Klassenraum für die ruhigeren Beschäftigungen reserviert ist. Sonst ist überall Halligalli.

Als ich die Tür zuschloss, war ich sehr zufrieden. Eine Winzigkeit im Klassenraum besser gemacht. Nur eine Winzigkeit. Aber ich finde das wichtig, sehr, und freue mich daran.

Komme nach Hause und finde mich beschenkt vor.. :)))



In einem Umschlag, von der Post (snailmail!) gebracht, mit wunderschönen Briefmarken vom Gendarmenmarkt, finden sich: 

Ein Buch von Byung-Chul Han: Transparenzgesellschaft.- Ein Artikel von ihm mit dem poetischen Namen: "Duft der Zeit", noch ein Artikel von G. Mattenklott: Literatur als Bildung der Gefühle, eine Handcreme für meine "werkelnden" Hände und eine Karte mit einem herzerwärmenden Text und der "Romanleserin" von Vincent van Gogh.

Byung-Chul Han war mir schon aufgefallen. Ich freue mich auf die Lektüre und auch auf die der beiden Aufsätze! Die Handcreme kann ich gut gebrauchen für meine ewig trockenen Hände und überhaupt....

DANKESCHÖN!!! 

Auch das ist Schule. Meine Kollegin spricht die kommende Schulinspektion an und wie wir uns dazu verhalten wollen. Ja, da sollten wir einmal gemeinsam darüber nachdenken.

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Ich bitte meine Kolleginnen und Kollegen von der XXX-Schule um Entschuldigung, ich will mich nicht über Euch erheben oder Euch schlecht machen. Vielleicht ist alles bei Euch so schlimm, dass für solche Überlegungen keine Kraft ist, vielleicht seid Ihr ganz allein gelassen. Es tut mir Leid.... 
 

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