Samstag, 27. September 2014

Das hab ich in der Ergo auch gemacht - Über Schmerz und Begeisterung


 
 Morgens in einen sauberen Raum hineinkommen.
Einige Kinder haben während der ganzen Woche Tafel und
Tische gewischt, Stühle hochgestellt, aufgeräumt....
Großes DANKE!!!

Wie war sie so, unsere fünfte Schulwoche? Das fragten wir uns im Gesprächskreis am Freitag, der die Woche beendete.

Es gab auch hässliche Dinge, die wir in dieser Woche zu besprechen hatten: X hatte mit zwei anderen zusammen jemanden fortwährend verhöhnt und beleidigt, jemand, der nie einem Anderen etwas tut und der sich auch nicht wehrt, was X wohl als eine Art Einladung begriff.

X zeigte keine Reaktionen, die darauf hindeuten, dass er die Wünsche und Interessen Anderer überhaupt nur wahrnimmt, geschweige denn respektiert.
Er muss in sozialer Hinsicht noch viel lernen. 

Glücklicherweise wird im Gesprächskreis ganz viel angesprochen: Kinder erzählen, wenn sie bemerken, wie sie selbst sich nicht mehr wohlfühlen oder ein anderes Kind in seinen Rechten beschnitten wird.

Das ist nicht petzen. Das ist eine Hilfe. Wir Erwachsene können nur auf Dinge eingehen, die wir erfahren. 

Wir müssen aber auch Zeit geben, Zeit erübrigen, um die Dinge, die falsch laufen, in ein besseres Fahrwasser, in eine bessere Drift zu bringen.
Das ist mühsam und zeitraubend und erfordert viel Geduld.

"Wir dürfen alle Fehler machen, jede(r) und jeden Tag, aber nicht immer wieder die gleichen..."

Wenn dann immer noch die gleichen Dinge passieren, obwohl man schon viel gesprochen hat, muss man die anderen einfach schützen: Wenn sich andauernd beim Umziehen zum oder vom Sport in der Umkleidekabine große Konflikte ergeben und sich einer als der wesentliche Urheber herausstellt, dann zieht der sich eben oben in der Turnhalle um.

Oder bleibt auch einmal vom Sport weg und arbeitet Sachen aus der Woche nach. Oldschool. Eine Tat sagt mehr als tausend Worte.

Das erfordert vom Lehrer/Lehrerin so eine Art Sitzfleisch, eine Hartnäckigkeit, die auch mal zwei Stunden zusätzlich dahingibt, nur, damit Y SPÜRT, dass es den anderen ernst ist mit der Einhaltung ihrer Bedürfnisse.

Da darf man sich dann nicht zu schade sein dazu.
Schön ist, wenn man als Lehrer*in nicht so weit am Ende der eigenen Kräfte laboriert, dass man es sich noch "leisten" kann, Dinge beharrlich durchzusetzen.
Das musste leider in dieser Woche auch sein.

*******
Aber wir erzählen im Kreis auch viele schöne Dinge, Pläne, Vorfreude, was wir Schönes erlebt haben.

Die Kinder haben im Kunstunterricht bei Julia ihre Kraftsteine weiter bemalt. 




 Wir begruben ein Fischlein.....



Einen Stein bemalen
und durch eine Phantasiereise
zum Kraftstein machen...
Kunstunterricht bei Julia.



 Einer der schönen Steine.



 Morgens beim Hereinkommen
DAS finden und denken:
Och, das möchte ich mir
auch basteln!
Kenn' ich doch aus meiner Kindheit....



 Über die größere Achtsamkeit
und dass es nicht so schmuddelig ist
und dass uns das nicht egal ist,
haben wir uns gemeinsam gefreut
und belobt.
(*Auf die eigene Schulter klopfen*)




 Pauline war ein paar Tage krank gewesen.
Als sie wiederkommt, bringt sie ein schönes
Stück vom Herbst mit....



 Steht jetzt leider nur im Schulheft,
der kleine Brief....


  
Am Freitag, dem Tag der Offenen Tür,
gab es Geschwisterbesuch.



Zufällig bemerkt am Freitag: Am benachbarten Computerraum steht die Tür offen und niemand ist drin....o_o

Habe vier Kinder da, und so entdecken wir das Matheprogramm "Mathetiger 1/2" ganz in Ruhe für uns. Der Raum muss ja "bewacht" werden.

Da hat doch jemand aufschließen lassen, ohne dass der Raum betreut ist? Was da alles hätte.....aber wir haben ja nur ehrliche Besucher! :)))


 Ganz gute Aufgaben:
Was alles ergibt "6"?

Von diesen vier Kindern bekomme ich wunderbar genau mit, wie vertraut sie mit dem Computer und der Maus sind, das war sehr interessant.

*******

In Mathematik haben viele in dieser Woche an der Zehnerüberschreitung geübt und verstanden, was "halbieren" und "verdoppeln" heißt.

Die Schreibschrift übten einige individuell. 

Eu-Wörter festigten wir spielerisch gemeinsam als eine Art Repertoire, das wir diesem Laut zuordnen.

Ein Kind, das schon sehr weit vorarbeitet, schrieb an einer Seite mit dem Laut "ng". Auf meine Frage hin wusste sie nicht, welcher Laut das ist.

Das führte zu einem Telefongespräch mit der Mutter, wo mir durch deren Impulse klar wurde, dass der Laut eigentlich beim Lesenlernen nicht zwingend an dieser Stelle ist.
Ich kenne diese Übungen auch mehr aus dem späteren Rechtschreibunterricht.

Muss die Hefte daher nochmal durchgehen und mir klar werden, was während des Leselehrgangs zum Grundprogramm gehört und was wir auf später verschieben könnten.

Die meisten grundlegenden Laute des ABC und ihre Zeichern  haben wir schon eingeführt.

Auch bei der Schreibschrift - Ergebnis eines Anstoßes aus einem spontanen Gespräch mit einer Mutter - kann man gleich auf Varianten zur Vereinfachten Schulausgangsschrift eingehen. Wenn man beispielsweise frankophone Eltern hat, dann sind in der Familie Erfahrungen zu Variationen der Schreibschrift vorhanden und warum soll man alles ausschließen?

Es ist gut, Vereinfachte Schulausgangsschrift zu lehren, zu lernen; man muss nicht mühsam Drehrichtungswechsel und Umwege lernen, die jede(r) flüssige Schreibende sowieso vereinfacht, aber man kann trotzdem Varianten, die als angenehm empfunden werden, zulassen und diskutieren.

Diese beiden Gespräche habe ich als sehr anregend empfunden, ich glaube, sie haben auch zu größeren Entspanntheiten und  Verbesserungen geführt. 
Wenn Eltern mitdenken, dann kann man ja sich austauschen, es gewinnen alle dabei, bloß dass kein spannungsvolles  Entweder-Oder entsteht. Das wäre für die betroffenen Kinder nicht gut.

Der  


ging mir noch lange nach.
"Ein kleines Kind begeistert sich für alles", sagt er "für einen Fussel auf dem Teppich!" Begeisterung ist Humus für das Lernen, meint er, und er hat Recht. Und dann, sagt er: "Und dann..... schicken wir sie zur Schule!..." was den größten Lacher im Publikum ergab, weil er vorher minutenlang die Zuhörer für die Begeisterung des Kleinkindes an kleinsten Dingen be-geist-ert hatte.

Be-Geist-erung. Es steckt "Geist" darin, animus, Psyche, Lebenshauch, Atem, das, was die Dinge, die Menschen, verbindet.

Den Vortrag sollte man sich angehört haben, um zu verstehen, wie krass Schule dem allem entgegenarbeitet....

Der Publikumslacher war also im Hegelschen Sinne "aufgehobener" Schmerz über den Verlust, den man durch/in Schule erleidet.

(Hegel kennt "Aufheben" im dreifachen Sinne, in drei Aspekten: 
Zunächst "aufheben" im Sinne von außer-Kraft-setzen: Der Schulschmerz ist aufgehoben im Lachen, verwandelt. Ohne ihn, ohne seine Erfahrung, wäre das Lachen nicht möglich. 
Dann: "aufheben" im Sinne von bewahren. Er ist in dem Lachen auch bewahrt durch das Wiedererkennen. 
Zum dritten: "Aufheben" im Sinne von "heraufheben", auf eine andere Stufe bringen: Wenn ich über den in der Schule erfahrenen Schmerz wiedererkennend lachen kann, ist er nicht mehr unmittelbar vorhanden, sondern schon in einer verarbeiteten Weise.)

Was war in dieser Woche dazu angetan, solchen Schmerz vielleicht gar nicht erst entstehen zu lassen?
Auf jeden Fall ging das Laubsägen in die richtige Richtung!

Einige Kinder sägten im Vorraum der Klasse, andere arbeiteten an den Heften. Im steten Wechsel: Wenn jemand mit dem Sägen fertig war, rückte ein anderes Kind an ihre/seine Stelle.
Freitag war für die halbe Klasse Laubsägen im Werkraum. Die anderen Kinder hatten Musik.

Im ersten Schuljahr hatten wir Buchstaben gesägt. Alle griffen recht sicher zu. Für niemanden war es nun  ganz neu, wie man die Säge hält, wie man das Sägeblatt schont und wie man vorankommt, ohne dass die Hand weh tut.



Dies alles geschah mit sehr großer Be-Geist-erung.
Ein Junge, der im letzten Jahr keinen einzigen Zentimeter sägen konnte, weil die Koordination von Kopf und Hand nicht ausreichend war, er sägte recht locker einmal quer durch das 40-cm-Holz.
Dass man das Holz um 180 Grad dreht und von der anderen Seite beginnt, wenn man innen an die Höhlung der Laubsäge anstößt - Selbstverständlichkeiten.
Auch ein anderer Junge mit extremen motorischen Schwierigkeiten sägte recht sicher und mit viel Freude.

Das lässt auch bei der Lehrerin Freude aufkommen. Das KANN gar nicht falsch sein!

Es soll eine Blätter- und Blumenpresse entstehen, eine für jedes Kind, eine, die man jedes Jahr wieder aus dem Regal holen kann und die eine persönliche Note hat.

Wo sich vielleicht Freude und Begeisterung materialisiert hat im Ergebnis. Und eigenes Können sich widerspiegelt.

Die Gefühle, die man in früheren Phasen einem Gegenstand gegenüber hatte, die kehren doch später wieder, wenn man ihn in die Hand nimmt oder anschaut, ist es nicht so?

Also haben wir in der nächsten Woche noch etwas Schönes vor: Wir bauen weiter an der Blätterpresse!
Ich freue mich schon darauf!

In der vorletzten Klasse (3. bis 6. geführt) erinnerten wir uns einmal an die Handwerkstechniken, die wir aktiv kennengelernt hatten:

-weben
-sticken
-mit Ton Figuren und Gefäße herstellen
-aus Schafswolle Gebrauchsgegenstände filzen
-drucken mit Lettern
-marmorieren
-Papier schöpfen
-Körbe flechten
-Linolschnitt
-Bilderrahmen herstellen
-ein Schlüsselbrett sägen/malen
-nähen (einen Beutel für Dinge)
......es waren mehr als ein Dutzend.

Ein Junge aus dieser Klasse sagte einmal: "Das hab ich in der Ergo auch gemacht." Er meinte das Körbeflechten.
Na also. Prävention ist die beste Therapie. 

Ich war damals sehr zufrieden mit den Erfahrungen, die wir als Schule mitgeben und ermöglichen konnten (Neben dem üblichen Schulprogramm):

Zwölf Handwerkstechniken, mit denen sie selbst sich ausprobiert hatten.
Eine Klassenfahrt zur Nordsee, nachWyk auf Föhr in der 5.Klasse (Ebbe/Flut, Flora Fauna unter diesen extremen Bedingungen, Geest und Marsch, Eiszeiten als Landschaftsveränderer).

Eine Klassenfahrt in die Alpen nach Berchtesgaden in der 6. Klasse. (Salzbergwerk, Fahrt über den Königssee mit Echo, Wanderung von St. Bartholomä bis unter die Watzmann-Ostwand).

(In der dritten Klasse  waren wir in der Prignitz.)

Das Schönste in den Alpen war gewesen?? Das stundenlange Spielen an einem und das Trinken des kristallklaren Wassers aus einem Bergbach!!!

Für unsere Kreuzberger Kinder war das DIE Sensation. Tagelang trugen sie das Wasser wie einen Schatz in ihrer Trinkflasche mit sich herum.....

Diese beiden Klassenfahrten haben die Kinder mit zwei extremen und wunderschönen Landschaften ihres Landes Deutschland bekanntgemacht: Dem Meer mit Ebbe und Flut und den Bergen der Westalpen.

Das war auf jeden Fall besser als drei- oder viermal auf Klassenfahrt ins Pionierheim nach Brandenburg, wie es unserem Sohn leider widerfuhr.
(Nichts gegen Brandenburg.)


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