Freitag, 27. Juni 2014

Meh.

Solche Tage möchte man nicht erlebt haben. 

Morgens: Die Unterrichtsteilung für die ersten beiden Stunden gestrichen. Toll. Die Teilung für die 4. Stunde auch gestrichen. Na super.

Drei Teilungsstunden weg. Frau Minna allein zu Haus.
Frau Minna hat heut drei Stunden Unterricht, die erste, die zweite und die vierte. Dann eine Stunde Vorbereitung für die Wolle-und Holz-AG und dann in der 6. Stunde die AG.

Die dritte hat sie frei. Eigentlich. Da ist Freizeit. Sie dachte mal, und die Schule hatte ja auch mal so ein Programm, vor Jahren - Rhythmisierung des Schultages nannte es sich - , dass sich Arbeit und Freizeit nicht am Vor- und Nachmittag stauen sollten, sondern sich abwechseln könnten. So ist es nun in ihrem  Stundenplan auch vorgesehen.

Nach der 2. Stunde schnell runter, noch einen Elternbrief im Lehrerzimmer schreiben....noch gucken, wer heute Hediye vertritt - und: Monsieur oder Madame Niemand ist für die 3. Stunde eingetragen.

Schnell zur Schulleitung, sie selbst will jetzt nicht  durchs Haus laufen und den suchen, der vergessen hat, für Vertretung zu sorgen. Zur Not wird sie die Stunde dann selbst machen.

Die Schulleiterin ruft beim Erzieher-Vertretungsplan-Macher an. Der sorgt nun für Vertretung, die, wie sich später herausstellt, er selbst ist.

Also ab ins Lehrerzimmer, schnell den Brief noch schreiben. Stift holen, hingesetzt, losgeschrieben.

So vorbewusst ein etwas komisches Gefühl, -- aber sie ist konzentriert, es dringt nicht so ins Bewusstsein, bis, -- ja, bis sie fertig ist und das komische Gefühl da unten an der Sitzfläche immer stärker wird - Es ist NÄS-SE! Der ganze Hosenboden und alles darunter ist klitschnass und eklig und man sieht es!!!!

Nein, es ist nicht so, wie es jetzt aussieht: Der Stuhl, eine Art Bürosessel mit Polsterung, ist vollkommen durchtränkt mit etwas. Und sie hat draufgesessen auf diesem Stuhl, der ganz unauffällig in der Reihe der anderen Stühle am Tisch stand....

Sie verliert die Fassung, möchte weinen. Fühlt sich beschmutzt und angegriffen. Sie will so etwas nicht erleben.

Würde jemandem aus Versehen eine Flasche Wasser über dem Stuhl auslaufen, würde dieser jemand dann den Stuhl nicht woanders hinrücken??? Damit sich niemand aus Versehen draufsetzt? Ein Blatt mit einem Hinweis auf den Sitz legen?

Wir befinden uns immerhin in einem deutschen Lehrerzimmer, wenn auch in Berlin-Kreuzberg, wo manches etwas unorthodox ist.

Das wäre ihre Freistunde gewesen, wo sie die Zeugnisse hatte ausdrucken wollen. Und nun?

Sie rannte wohin, wo sie Verständnis suchte,  fand sich selbst unerwachsen dabei, wie so ein kleines Kind, protestierend, klagte ihren Schmerz und ihre Verzweiflung, um - zweimal ein schlecht unterdrücktes Lachen zu ernten.

..............

Als sie ihr Fahrrad rausschob, um nach Hause zu fahren und die Hose zu wechseln, weinte sie wirklich.
Es war zu viel.

Am liebsten jetzt nicht mehr wiederkommen.

Aber man ist ja tapfer, also nach Hause gefahren, geduscht - man weiß ja nicht, was das für eine Flüssigkeit war und möchte auch lieber nicht weiter drüber nachdenken -, Kleidung gewechselt und zurückgefahren.

Am Schulhofzaun die Kinder, freundlich winkend. Wenigstens sie verhalten sich normal und empathisch. Dankbar geht sie hinein.

Sie fühlt sich wieder besser und erleichtert, als würden getrennte Teile in ihr wieder zusammenrücken.
Und WIR sagen Kindern, WIE unmöglich Auslachen ist???

Als sie das später den Kindern erzählt, was ihr passiert ist im Lehrerzimmer beim Briefschreiben, da lacht niemand, und dafür möchte sie sie am liebsten alle umarmen.
(Darf man das als Lehrerin schreiben?)

Da ist man 60 Jahre schon auf der Welt und es gibt Momente, wo es sich sehr sehr fremd anfühlt. Besonders manchmal unter Lehrern. Aber in Firmen wird es auch nicht besser sein.
Normale Erwachsene halt. Haben ganz viel von sich über Bord geworfen und  vergessen.

Klar muss man mit Sachen umgehen können. Das versteht sich, dass man keine Mimose sein kann.
Aber ist es richtig, die eigenen Gefühle gar nicht mehr wahrzunehmen zu sollen? Ist es richtig, sich gar nicht mehr in einen Anderen einfühlen zu wollen? Bestimmt auch nicht.

Wie muss man innendrin gebaut sein, dass man LACHEN kann, wenn jemandem etwas Widerliches zugestoßen ist, er sichtlich darunter leidet und sich offenbart?

Also die 4. Stunde, es wird eine schöne Freiarbeit mit dem Basteln der Zimmerchen aus Kartons und anderen Aktivitäten - Nala bastelt hingebungsvoll - im Elternbrief stand auch, dass jetzt jedes Kind bitte einen Karton haben sollte. Sieben fehlen noch. Das war vor dem Wochenende doch noch wichtig gewesen.

Eine Gruppe von Kindern beschäftigt sich schon mit  der kleinen Beleuchtungsanlage mit Glühlampe, Fassung, Polklemmen und Flachbatterie.
Und gar nicht ungeschickt. 

Das packt einige Kinder aber richtig und so ist es auch gedacht. Das ist wirklich spannend.

Lange hatten sie in der Klasse heute über den Strom in der Steckdose und den Schwachstrom aus der Batterie gesprochen und sie hatte es den Eltern geschrieben, dass sie mit ihrem Kind auch nochmal reden: 

Wir machen unsere Versuche nur mit Schwachstrom aus der Batterie. Haushaltsstrom ist sehr sehr stark und sehr gefährlich!!! Und wie mit dem Haushaltsstrom/Steckdosen umzugehen ist, bitte genauestens besprechen!!!!

Dann war die Hofpause. Noch schnell den doppelten Geburtstagskuchen von gestern aufgeteilt und auf Servietten hingestellt. Nun kommen die Kinder aus der Pause wieder hoch, sie gehen gleich zum Essen. Beim Kuchenteilen entspinnt sich ein kleines Gespräch. Ein Kind zeigt den Effenberg-Stinkefinger und fragt, was das bedeute, ihr Bruder habe ihr das  so gezeigt - jetzt kommt Minna  etwas ins Schwimmen. Ohne einen kleinen Vorlauf Sexualkundeunterricht bekommt man das eigentlich nicht hin.
Irgendwie klappt es aber doch.
Alle finden, dass es ein ziemlich blödes und ekliges Zeichen ist.

Schade, sie muss runter in den Werkraum, die Woll- und Holz-AG vorbereiten und.....öööh!!!

Der Werkraum ist voll mit einem anderen Projekt!!
 "Aber sie weiß doch, dass ich freitags um diese Zeit..."

Nun ist der Punkt erreicht. 
Frei nach Wilhelm Busch:

"Bist Du wütend, zähl' bis vier,
hilft es nichts, dann explodier!"

Klärt die AG-Kinder der 3. Klasse noch auf, dass das wohl heute nichts mehr wird und fährt nach Hause, fragt sich:

"Kennen andere Menschen auch solche Tage? Oder nur ich? Und wenn ja, was mache ich falsch, dass mir solche Tage passieren?"

Das Schreiben hat geholfen, wieder "herunterzukommen". 

In diesem Sinne: Ein schönes Wochenende!

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