Donnerstag, 26. Juni 2014

Kleine Dinge wichtig nehmen.

Ach. Die doofen Zeugnisse sind jetzt geschrieben. 
25 Stück. Jetzt noch einmal genau lesen und ausdrucken.
Und damit fallen sie mir von der Seele... und ich krieg auch wieder andere Sachen mit, vom so genannten Leben und von dem in der Schule.

Heute war ein wunderschöner Schultag. Wirklich wunderschön. Anstrengend schon. Nicht zuletzt wegen der WM, die jetzt bei mir auch im Hintergrund läuft. Konzentration beim Lesen, beim Rechnen? Kannst Du derzeit vergessen. 

Aber Anderes Schönes gibt es. Eine Klasse, die voll konzentriert an ihren Schuhkartonzimmerchen bastelt. Einige haben keinen Karton (Nein, ich besorge keinen - ein bisschen Einsatz muss man schon bringen....) und müssen im Lese-Schreibheft arbeiten oder rechnen.

Eine Lehrerin allein mit einer Klasse, alle - na außer Pavel, der nutzt das wieder mal voll aus - alle sonst arbeiten so gut! In der ersten Klasse!!

Das ist Unterricht, wie ich ihn liebe. Alle sind beschäftigt, mit den unterschiedlichsten Sachen und sie bringen sich weiter  und kommen voran. "Kann ich was sägen? Ich will mir Möbel basteln", fragt Noemi, sie bekommt die Laubsäge. Doch wie sägt sie denn da? Das Ding steht hoch in die Luft, sie kommt keinen Millimeter weiter. "Ich weiß noch, wie es geht", meint Claude und er weiß es wirklich noch. 

Wir zeigen Noemi, wie sie es richtig machen kann. Ich schneide mit dem Teppichmesser Türen und Fenster in die Schuhkartons, die Kinder kleben Stoffe hinein, malen Tapeten und kleben sie hinein und verbrauchen meine ganze Bastelklebe.
Leider haben wir keine Tapetenbücher. Ich habe nur Stoffreste von dem Laden "Möbel-Gründler" aus der Blücherstraße, der vor einigen Jahren zumachte.
Er hat mir alle seine Stoffe für Sofas etc. gegeben.

Aber es ist schön, so zu arbeiten. Wunderschön!

In der Pause auf dem Hof kommt Munir. Er erzählt von einem kleinen Vogel, der tot ist.
Wir schauen uns den Vogel an. So ernst geht ihn der Vogel etwas an. Man sollte in der Schule viel mehr Muße und Besinnlichkeit haben. Heute, nach der Herkulesarbeit der Zeugnisse habe ich diese Stimmung und es tut gut, auch Kleines wichtig nehmen zu dürfen. Zum Beispiel zusammen mit Munir.




Völlig nackig liegt das Vogelkind  auf dem Beton der Mauer. Wir legen ein Taschentuch um ihn und tragen ihn in den Schulgarten. Dort legen wir ihn ganz hinten unter einen Strauch, das Taschentuch obendrüber. Das bekommt er geschenkt. 
So ist es besser. Wir empfinden das gleiche. Drei Kinder haben sich dazugesellt und wir sprechen darüber, dass man tote Tiere nicht anfasst und warum nicht und über Anderes in dem Zusammenhang.

Es ist schön, das gemeinsam wichtig zu nehmen. Wir können ihm nicht mehr helfen, aber er hat jetzt einen schöneren Platz und ein Stofftaschentuch über sich.

Pauline hat eine Weinbergschnecke entdeckt, auch sie völlig schutzlos auf dem Hof. Wir setzen sie auch in den schönen wilden Schulgarten.






Sie ist links unten...

In der Hofpause, gegen Ende, alles ist ruhig, eine zweite Klasse macht Riesen-Seifenblasen - Bittebitte, das Rezept!....
...kommt Laura und möchte, dass ich mal mitkomme. Hinter einer Scheibe in einer Rille liegt reglos ein großer Nachtfalter. Als wir ihn berühren, bewegt er sich, schnell das noch verbliebene Stofftaschentuch um ihn herum, er zappelt und wird von uns in einen Busch getragen, wo er herauskrabbelt und sich sicher freut.

 --Halbzeit #usager #wm2014 ---
Ton weg. Auf die Werbung kann ich verzichten.

Laura war es. Sie hat ihn gesehen. Er hatte ganz starr da gelegen und wohl schon aufgegeben. Sie hat ihn gerettet.
Nur ein Nachtfalter (Böller draußen! Oha, 1:0 ), doch für ihn war es der Unterschied ums Ganze, dass Laura ihn bemerkte und ihn wichtig nahm.

Beim Essen. Es liegt viel zu viel am Schluss noch auf den Tellern. "Aber das habt Ihr Euch doch selbst aufgetan!" 

"Also, wenn ich zwanzig leere Teller sehe, dann denke ich mir was Schönes aus...." und bald darf ich zwanzig leere Teller zählen!!
Dann was ausdenken für morgen.




Aber morgen, Kinder, sind es 21 leere Teller....

Wir haben eine Kooperationsübung gemacht, das ging ein bisschen in die Hose. Viele gifteten sich an,  anstatt zu kooperieren. Es scheint sich hier um sehr, sehr schwierige Zusammenhänge zu handeln.
Das müssen wir häufiger üben. Sehr viel häufiger.

Heute früh Claudes Geburtstag mit einem phänomenal schönen Kuchen. Man traute sich gar nicht, ihn anzuschneiden....

Tausendfüßlerkuchen




Hoch soll er leben, an der Decke schweben, dreimal Hoch! 

Ach ja. Schön, wieder schreiben zu können! Die Zeugniszeit "neben" dem Unterricht war schon sehr 
hart gewesen. Aber das hab ich jetzt hinter mir.

Ich hoffe, alle sind gut getroffen. Erstens ist es doof, einen bewertenden Text über einen Menschen zu schreiben. Es macht mir keinen Spaß. Als wir noch in der "Du"-Form schreiben durften, hat es sehr viel mehr Freude gemacht. Das ist lange her. Aber immerhin ein Text und keine Kreuze auf einem Ankreuzbogen oder Noten so früh.

Eigentlich müsste man für die Kinder jetzt noch was Kleines, Verständliches schreiben. Aber nee. Mir reicht es.

Es soll ein aufbauender Text sein, aber auch klar, damit man weiß, was man ändern sollte.

Am Dienstag haben wir Elternabend. Dann muss man doch etwas erklären, wie diese ganzen Sätze so zustandekommen.

Aber ich hab's jetzt hinter mir: Halleluja! Schön, wieder mehr bei sich im Unterricht zu sein, schön, wieder darüber schreiben zu können. Schön, wieder kleine Dinge wichtig nehmen zu dürfen und die Kraft dafür zu haben, die, so klein sie auch sind, auch wichtig sind.

Erleichterte Grüße
Eure Minna

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