Mittwoch, 26. Februar 2014

Im Prokrustesbett der Schulinspektion

Ich hörte einmal Radio, da war ein Kabarettist, er meinte, heute würden die Leute so Begriffe wie "Prokrustesbett", die er früher oft verwendet hätte, nicht mehr verstehen. 
Hmm. Echt, ist das so? Wenn ja, wäre es schade.

Nicht, weil es schön wäre, in einem Prokrustesbett zu liegen, sondern, weil es nicht schlecht ist, für manche unangenehmen Sachen einen Begriff zu haben, der etwas von dem Elend, das einem widerfährt, abbildet und zur Sprache bringt.

Als Prokrustesbett oder Bett des Prokrustes bezeichnet man redensartlich eine Form oder ein Schema, in die etwas gezwungen wird, das dort eigentlich nicht hineinpasst.


http://de.wikipedia.org/wiki/Prokrustes

Was ging bei uns so ab in der letzten Zeit? Zunächst hatten wir die Schulinspektion, unsere zweite innerhalb von gut fünf Jahren. Im "Vorfeld" richteten sich viele Aktivitäten daraufhin aus.

Mich nervt so ein vorauseilender Gehorsam. Wollen sie Schule sehen, wie sie IST oder eine blankgewichste Version - schöner Schein, was nun?

Die Ergebnisse werden veröffentlicht werden - interessiert es mich? Eher nicht. Ich akzeptiere die Voraussetzungen nicht: Marktförmiges taugt nicht als Kriteriengeber zur Situation von Bildung als intersubjektivem Geschehen zur Vorbereitung auf die Zukunft. 

Der "heilige" Markt ist nicht alles im Leben eines Menschen. Für Kapitalisten vielleicht, aber nicht für normale Menschen. Es sei denn, man möchte der OECD dienlich sein, die ja auch nur ein übernationaler Zusammenschluss unter Wirtschaftsaspekten ist und dann kommt so etwas Ärgerliches wie PISA heraus.

Es nervt mich, wenn Bildung nur als Arbeitsmarkt- und Ausbeutungsressource gesehen wird und nicht als etwas, das jemand sich für seinen Lebensweg in den "Tornister" packt, um damit höchstmöglich gut durch die Fährnisse seines individuellen Lebens zu kommen, privat, beruflich und gesellschaftlich.

"Qualitätsmanagement", wo man hinschaut. So wird alles, weil die Computer heutzutage so große Rechenkapazitäten haben, in Bedeutungsprotonen zerhackt  und quantitativ aufbereitet.



Dann liegen Auswertungen von Kollegen"interviews" auf dem Lehrerzimmertisch mit Mittelwert und Standardabweichung, wobei das bei der geringen Antwortenzahl bei manchen Fragen ein Witz ist, dass man Mittelwerte und Standardabweichungen berechnet. Aber wen kümmert das? Wen interessiert Statistik? In diesem Dunkelfeld kann man alles mit allem korrelieren lassen und sich dann einen  Reim darauf machen. Ob das der Wahrheitsfindung dient, ist mehr als zweifelhaft.

Ob man der Sache oder den Menschen damit Gewalt antut, ist wahrscheinlich eine Frage von gestern, und Beamte interessiert so etwas schon überhaupt gar nicht. Sie sind so brav und folgsam,  dass das zu erwachsenen mündigen  Menschen, die andere zur Beteiligung in der Demokratie hinführen sollen, schon gar nicht passt.

Aber man fragt nicht nach dem Sinn, man macht das einfach, die Menschen haben sich dem allem zu unterwerfen. Einstmals war es die wahrscheinlich weltberühmte Universität Landau, die das alles einmal durch den Wolf drehte, wohl, weil es Stellen einbrachte, von denen man leben konnte, egal, ob es sinnvoll war oder nicht....

Am Morgen des ersten Tages stellten sie sich dem Kollegium vor. Meine Beiträge auf der Schulseite hatten sie vorher auch inspiziert und für unwert befunden, aber das war nicht weiter verwunderlich. Stört auch nicht groß. Das Internet ist demokratisch und hat Platz für viele Ansichten, die Schulaufsichten dort  nicht kontrollieren können.

Eine Dame war in der Grundschule tätig, noch, teilweise. Ein Herr kam vom Oberstufenzentrum, Fachrichtung Sanitärtechnik, was ihm großes Hallo einbrachte mit dem Wunsch, er solle doch bleiben, weil unsere Toiletten so elendig st....- obwohl ich glaube, dass es bei uns weniger an der Technik des Sanitärwesens liegt als an der Technik des Reinigens, die in unseren Schülertoiletten nicht gut funktioniert.

Eine Dame kam vom Gymnasium und ein Herr, ehrenamtlicher Elternvertreter, der von Berufs wegen
UNTERNEHMENSBERATER war (Sic! Honi soit, qui mal y pense...) So werden unsere Schulen gesehen. 

Roland Berger is looking for you. 

DAS ist für mich der Skandal, aber es erregt sich niemand über diese Kategorienfehler, und mit Beamtenkollegien können Sie jeden Blödsinn umstandslos durchziehen.

Sie, alle vier, traten nicht so großinquisitorisch auf wie die letzte Riege, aber wir waren die zu Begutachtenden, sie die Begutachter, und das ließen sie uns trotz aller professionellen Nettigkeit auch spüren.

Irgendwann an diesem Montag wollten zwei Inspektoren eine Förderstunde von mir sehen, ich bat sie in die Klasse. Es war Mittagspause, ich war gerade ein wenig am Entspannen. Die Förderstunde war im Plan verlegt, ich bat sie, sich zu setzen. Zwei nette Leute!

Das erste, was die Dame äußerte, war Anerkennung für die Gestaltung des Klassenraums.
Sie meinte, sie und ihre Kollegen hätten nicht so oft die Gelegenheit, sich positiv über Klassenräume zu äußern, aber hier....

Das taute mich so sehr auf.... Wir sprachen noch ein wenig über den Raum als Faktor in der pädagogischen Situation in der allerallerangenehmsten Weise, und der Herr Elternvertreter-Unternehmensberater war ebenfalls ein überaus angenehmer und netter Gesprächspartner.

Ich war sehr angetan davon, dass sie das überhaupt BEMERKTEN und hatte also mit meinem Feindbild zu kämpfen. ;)

Es war seit dem Besuch einer Humboldtuniprofessorin, die ein Studentenpraktikum betreute, das angenehmste pädagogische Gespräch seit langem, das muss ich zugeben!

Oha! Jetzt lobe ich auch noch die Schulinspektoren! Aber Ehre, wem Ehre gebührt! Das Leben ist komplexer als alle Vorstellungen oder Klischees von ihm. 

Und so hatte ich vor dem Mittwoch nicht mehr so den Groll und die versteckte Angst, wenn sie kommen würden.

Sie kamen am Mittwoch gleich zweimal zu uns! Einmal reichte ihnen wohl nicht.
Egal. Ich hab sie einfach weggeblendet und meine  Sache gemacht.

Mir ist es auch egal, was sie schreiben. Man muss jeden Tag versuchen, so guten Unterricht zu machen wie möglich und ob da ein paar Leute sitzen oder nicht, das darf dabei nicht entscheidend sein.

Insofern hab ich das Ding dieses Mal doch ganz gut überstanden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen