Montag, 7. Januar 2013

Schöne Sätze im Präteritum

Vierzehn Tage war frei. Sich selbst gehören. Alle haben es genossen. "Chillen, bis es nicht mehr geht", "Ich bin morgens so um 13 Uhr aufgestanden", "Und die Silvesterbomben, soo: In der Hand hat sie mein Cousin knallen lassen!"

Alle waren zufrieden mit den Ferien. Entspannt und ausgeruht. Ali so geistesgegenwärtig in seinen Beiträgen, so sensibel, nahm gedanklich schon vorweg, was man sagen wollte. 

Tobi musste erst auftauen. Ihm schien die Schule doch sehr im Magen zu liegen. Er sitzt direkt vor dem Lehrertisch. "Willst Du woanders sitzen oder geht das in Ordnung so für Dich?" "Ich will hier sitzen", sagt er, "es ist in Ordnung." Irgendwann kriegt auch er wieder ein Lächeln hin. Und sagt. "Ich konnte in den Ferien gut schlafen." Tobi, ich versteh Dich: Ich auch. Vielleicht kann er während der Schulzeit nur besonders schlecht schlafen? Und wenn ja, warum?

Kleine Texte heute früh, so ein paar Sätze über die Ferien, bevor wir den Stuhlkreis machen und sie vorlesen. So kommt mehr dabei heraus, als wenn man erzählen lässt. Drei Viertel der Schüler sagen dann: "Es war gut!" Und dann ist der nächste dran. Oder: "Ich war viel draußen." Weil sie wissen, dass das der Lehrer gerne hört.

Bastian schleimt: "Ich habe mich in den Ferien soo gelangweilt, ich bin froh, dass die Schule wieder anfängt!" Das lässt ihm hier keiner durchgehen, alle lachen, und er lacht mit.

Manchem geht es vielleicht wirklich so, - und Schule sind ja auch die Freunde, die man sieht - aber in der 6. Klasse, wenn einer so redet, dann gilt das nicht als echt.

Schöne Sätze im Präteritum. Gemeinsames Verbessern von "Ich bin Kino gegangen." 

Peter hat in der Rechtschreibung ALLES vergessen. Es sieht schaurig aus.

Meine Tage-der-Offenen-Tür-Liste der Sekundarschulen, nach Datum geordnet, die mich gestern den halben Tag Zeit gekostet hat, gehen wir gemeinsam durch und markieren die für jeden interessanten Schulen.

"Welches sind Deine drei Wunschschulen?" Sehr realistische Antworten. Jetzt wird es ernst. Die Zeugnisse, die Gutachten, alles bewegt sich mit wachsender Geschwindigkeit  auf die Bewerbungen hin.

"Ich geh Hugo, und wenn das nicht klappt, Carl-von." Soll heißen: Ich würde am liebsten die Hugo-Gaudig-Schule in Tempelhof besuchen, und andernfalls eben die Carl-von-Ossietzky-Schule.

Dann gibt es noch Lina  und Hector (Morgenstern und Peterson).

In Nawi noch der Umweltschutz, die Wertstoffe  und der Müll. Tobi kommt mit einem Stückchen Verpackungsetwas in der Hand: Was ist das? Er möchte wissen in welchen Eimer es gehört. Na? Kannst Du es zerreißen? Versuch mal: Ja. Dann ist es?? "Papier", sagt er. Genau.

Einer fragt: "Was ist eigentlich 'Bio'? Also Gemüse, Eier oder so?" Es dauert etwas länger, wie immer, wenn ich eine solch schöne Vorlage bekomme, doch mir kommt es vor, als interessiere sie das. Man hört zu und einige reden mit.

Die Bücher aus der AGB, die schon etwas über der Ablaufzeit sind: Gabriele bringt sie zusammen mit einigen Kindern zurück und alle kommen geschockt zurück: So ein hoher Überziehungsbetrag ist zu zahlen, es reißt uns allen die Schuhe weg! Es waren etwa vierzig Bücher!

Sie bringen einen Antragszettel für eine Schulkarte mit. Mit einer Schulkarte werden Überschreitungen der Ausleihfristen nicht berechnet.

Ich gelobe innerlich Besserung. Aber am letzten Schultag und auch noch lange in den Ferien war ich sooo fertig gewesen. Das muss jetzt tapfer ertragen werden.

Gruppenarbeiten in Nawi: Was ist der Grüne Punkt? Etc. Rimas kommt so leise, wie er immer ist, an,beugt sich vor, fragt: "Muss ich in der Gruppe arbeiten? Kann ich nicht allein arbeiten?" "Du MUSST!" - "Müssen wir in ganzen Sätzen schreiben?" "IMMER."

Ein schöner Moment, wie alle zusammen die Texte lesen und Probesätze bilden, z.B.: Was ist ein Vertrag? Die Firmen machen mit der Duales-System-Deutschland - weiß der Geier, wer das ist, ich weiß es nicht - einen Vertrag, sie zahlen, dann kommt der Grüne Punkt auf ihre Verpackungen und die Verpackungen werden entsorgt. Wenn man sie in die richtige Tonne schmeißt.

Aber wenn die Verpackungen keinen Grünen Punkt haben und doch in der Wertstofftonne liegen, dann wird sie wohl keiner wieder raussortieren, oder?

Ich finde, dass man dieses System echt schwer kapieren kann.

Lucy kann kurz, knapp und sehr treffend formulieren. Sechste Stunde und alle sind heftig bei der Arbeit:

 

Dann kommt Selena, zeigt mir ihre Flasche und fragt: Ist das auch ein Grüner Punkt? Nee, das ist das PET-Zeichen. Ehrlich, ich habe auch nicht so die Ahnung, was das nun alles wieder wirklich bedeutet....Rückgabe? Pfand? Wertstofftonne? Jedenfalls: Recherche. Morgen am Computer in der Klasse.

Weil der Grüne Punkt aber so geschrieben wird, und es keiner weiß, warum, obwohl wir darüber schon einmal gesprochen haben, versuche ich, ihnen das große G vom Grünen Punkt mittels des großen A des Alten Fritz zu erklären.

Auch über den Alten Fritz haben wir schon einmal gesprochen, er ist der Grund, warum mancher uns Deutsche als "Kartoffeln" bezeichnet. Hier gibt es jetzt einen tour d'horizon via Alter Fritz zum Grünen Punkt und wir halten nach etwa zehn Minuten fest: Das ist ein Eigenname! Es gehört zusammen und meint etwas Besonderes, also nicht irgendeinen alten Fritz und nicht irgendeinen grünen Punkt. So weit, so gut.

Am Nachmittag bei der Korrektur stellt sich heraus, dass Rimas das beste Ergebnis hat, er sollte vielleicht auf ein Gymnasium gehen. Er ist erst seit eineinhalb Jahren in Deutschland. Aber er ist so leistungsbereit und klug. Er kann es im Deutschen noch nicht perfekt machen!
Auf der anderen Schule, wo er ein Jahr war und wechselte, weil er viel geärgert wurde,  da haben sie ihm für ein Jahr keine Noten gegeben. Null.  Jetzt geht er von Null auf Gym? Ist das nicht zu gewagt? Aber an der Sekundarschule ist das Ärgerpotential durch die Anderen zu groß, es ist zu destruktiv. Vermutlich. Das könnte ihn auch abbremsen. Ich glaube, wir riskieren das und werden ihm den Besuch eines Gymnasiums empfehlen...

Auch Mario formuliert gut. Andere haben es zu locker genommen, sie werden sich über ihre Note wundern.

Ich soll nach dem Unterricht zur Kollegin Schulleiterin kommen. Sie deutete kurz an, dass R... Ich frage ihn: "Was war los am letzten Schultag? Ich soll zum Gespräch kommen." "Ach", sagt er, "ich bin voll ausgerastet, der X hat mich provoziert..." X steht dann auch da. "Wir haben aber in den Ferien gechattet und uns wieder vertragen." "Ja?" "Ja, wirklich", sagt R , "Ich hab mich entschuldigt und wir haben uns beim Chatten wieder vertragen." Das klingt doch nicht schlecht.

Später:"Er hat herumgeschrien, dass er ihn umbringen und killen wird." R ist  kein wirklich gewalttätiger Junge. Er ist grundfriedlich, nur, wenn ihn jemand reizt, sieht er rot. Er weiß es selbst. Dann kann es tatsächlich gefährlich werden, denn dann kennt er keine Grenze mehr.

Wir werden das  in verständnisvoller, aber erkennbarer Weise im Textzeugnis erwähnen. Für dieses Mal aber müssen wir nicht strafen.
R ist sehr traurig über bestimmte Sachen. Man sollte einmal darüber reden. Dass er nicht gut Anschluss findet. Das macht ihm viel zu schaffen.

Auch Y, wie ist es ihr ergangen? Am letzten Schultag hatten wir ein Gespräch, sie offenbarte, dass sie sehr große Probleme hat und sie ist sehr tapfer. 
Wir müssten uns einmal unterhalten, wie es ihr in in der Zwischenzeit erging. Es ist mehr als ein elfjähriges Mädchen ertragen kann.

Morgen ist wieder mein "schöner Tag". Unser Besuchstag.

Was mich richtig ärgert: Ich würde sooooooooo gerne mit den Kindern Schlittschuhlaufen gehen. In allen anderen Klassen konnte mindestens die Hälfte der Kinder Schlittschuh laufen. Diese Kinder konnten jeweils ein anderes Kind an die Hand nehmen, das lief  nach einer halben Stunde dann auch. Aber hier??? Sieben können es! Nur sieben! Ein Drittel nur! Es ist zum Heulen. Wie soll das gehen? 

Doch Schluss jetzt: Habe ein schönes Bier vor mir, das geröstete Fladenbrot mit Hummus, das die freundliche Dame im türkischen Laden selbst zubereitet hat; es schmeckt köstlich! Damit ziehe ich mir jetzt den Teil des Tatorts rein, der mir gestern fehlte, weil ich früh schlafen gehen musste. So long! : ) 

Und zu guter Letzt noch Cherrys Sicht auf diesen, ihren Tag:

http://cherrystagebuch2.blogspot.de/2013/01/liebes-tagebuch.html 

 

1 Kommentar:

  1. Schöner Text,ich schreibe gerade mein Text,könnte ein bisschen dauern.

    Gruß Cherry♥

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