Freitag, 23. August 2013

Wegwegweg!

Wir sind die Klasse 1 c und es gibt uns seit zwei Wochen. Das Gefühl für das Wir ist noch sehr schwach entwickelt. Immer wieder zeigt ein Kind auf ein anderes und sagt: "Der Junge da hat..."

Ich bin heute um halb zwei geflüchtet, so wie sich das im Bewusstsein der Bevölkerung für einen Lehrer so gehört.

Ich bin mit den Nerven völlig runter und wollte nur noch wegwegweg.

Meine Arbeitszeit mit Ferienausgleich für diese Woche ist geleistet, trotzdem kämpfe ich mit einem schlechten Gewissen, denn ich sehe mich vor einer ungeheuren Halde von Aufgaben, die noch zu stemmen wären.

Erst, wenn das alles in Ordnung käme, hätte ich ein besseres Gefühl von der Sache und mir selbst in dieser Sache.

Aber das geht nicht. Der Preis ist zu hoch. Ich riskiere, krank zu werden und allerdings habe ich dazu auch keine Lust.

Bis Sonntag um 14 Uhr nehme ich mir jetzt frei.....

Haha. Und was machst Du jetzt gerade, fragt ein Teil meiner selbst den anderen. Du beschäftigst Dich immer noch mit Schule.

Ja, aber sozusagen metamäßig, auf einer anderen Ebene, antworte ich. Ich muss mein forderndes eines Innneres und mein erschöpftes und übermüdetes anderes Innere zusammenbringen.

Dafür das jetzt. Wie es geht, weiß ich auch nicht. Ob es geht...Auch unklar.

Nachdenken über S.

Man schenkte mir einmal diesen Satz:

"Arbeite nie so viel, dass Du keine Zeit mehr zum Nachdenken hast."    Georg Christoph Lichtenberg

Kinder sind heutzutage sehr spontan. Falsch. Manche/viele sind es. Andere wollen genau den Anforderungen der Schule nachkommen. Doch werden sie daran gehindert, weil die Gruppe "Spontan" mit dem Lehrer stetige Interaktionen erzwingt, die die ursprünglich intendierten Unterrichtsinteraktionen unterbrechen, immer wieder verlangsamen, aufschieben oder verunmöglichen.

Der Fluss stockt, die Unterbrechung wird zum System.

Als Lehrer agiere ich auf der Ebene der sachlichen und inhaltlichen Seite. Ich lobe die Aufmerksamen, ermahne die Abweichler, installiere Rituale und Regeln, die mittelfristig eine taugliche Struktur für ruhiges und wenig gestörtes Arbeiten bilden sollen, diszipliniere explizit Kinder, die extrem laut sind oder andere Kinder angreifen, sorge dafür, das niemand verletzt wird oder weint, tröste Weinende....hab ich was vergessen? UND DAS ALLES GLEICHZEITIG!!!!

Wenn ich das vier Stunden lang gemacht habe, kann man mich wegschmeißen. Nichts geht mehr. Ich ertrage den Lärm des Schulhofs nicht mehr, die stickige Hitze in dem verplasteten lebensfeindlichen Gehäuse/Bau....

Seit etwa 15 Jahren gibt es die Urschrei-Spezialistinnen neben den Jungsgrölern. Schwer zu sagen, was schlimmer ist. Hohe Frequenzen bis zur Schmerzgrenze im Fortissimo hochgezogen, ohne Ende, würde ich sagen.

Ich würde meine Schüler stoppen, wenn ich dabei wäre. Für mich ist das akustische Körperverletzung, und ehrlich: Es macht sie auch nicht glücklicher, wenn sie sich hysterisch ausgeschrien haben.

Doch niemand interveniert, so dringen diese Schreie bis hoch in meinen Klassenraum, in dem ich nun allein sitze. 

Vorhänge haben wir noch keine, die müsste ich erstmal selbst besorgen und nähen (lassen??). Daher ist es auch heiß. Die Vorrichtungen für die Vorhänge habe ich bei IKEA gekauft, jemand, den ich gebeten habe, hat sie drangeschraubt.

An den Deckenplatten hängen Vorhangschienen, aber man darf sie nicht bewegen. Dahinter befinden sich die Asbestfussel. Trotzdem sind diese unsachgemäßen Vorrichtungen in der ganzen Schule in Betrieb.

Wie schön, dass Asbest nicht stinkt, nicht wahr??

Ich bin unzufrieden und kann mir nicht helfen. Habe keine Lust, schlechte Dinge zu verhimmeln und positiv zu sehen.

Im ersten Stock hat wieder jemand die schöne Araucarie verrückt, als ob sie ein Möbel wäre. Sie wird daran eingehen, wenn das öfter passiert und ich darf zusehen. Monatelang. Mit solchen Leuten bin ich hier zwangsvergesellschaftet.

Nur weg, nur weg. Ich will nicht mehr. Das Aquarium müsste. Ich KANN nicht mehr!

Dann habe ich ein Gesicht vor Augen mit ernsten Augen, das mich anschaut. Und noch eins und noch eins und... Ach!

Jetzt bringe ich mich erst einmal in Sicherheit. Es muss wieder etwas wachsen bei mir auf meiner seelischen Schulschutthalde. Ich war beide Hofpausen mit draußen. Und dabei viermal mit der ganzen 25er-Gruppe durch die langen Gänge der Schule. UND SIE KÖNNEN ES NICHT!!!

Wer, verdammt, hat diese Raumentscheidung getroffen???

Essen? Trinken? Toilettengang? Nada. 

Gestern hatte ich noch große Schilder gemalt und ein Blatt mit kleinen Bildern. In welchen Wörtern man das /l/ hört oder nicht. Sprechen/hören/sortieren.

Die gemeinsame Phase an der Tafel war eine Katastrophe, das spätere Bearbeiten am Platz war intensiv und angenehm.

Mir fällt wirklich gar nichts mehr ein. Bin leer und ausgelaugt. Dabei war ich gestern um 21 Uhr im Bett gewesen....

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