Samstag, 11. Oktober 2014

Im Wald ist Platz für alle - nicht nur im Wald!


Unsere 7. Schulwoche in der zweiten Klasse erforderte den vollen Einsatz. Es gab viele Konflikte in der Mädchengruppe. Es gab diese überlauten Jungs, die sich nicht bremsen. Das führt dazu, dass alle lauter werden. Bis die ersten Kinder kommen, die es nicht mehr aushalten.
Einige müssen lernen sich zu steuern, dachte ich und ermahnte mir den Mund fusselig.
Eine Tat sagt mehr als 1000 Worte, besonders, wenn die tausend Worte schon tausendmal gefallen sind und ohne Ergebnis.
Dann darf man nicht mehr argumentieren. Es geht um die Ruhe beim Arbeiten, um die Konzentration. Es geht darum, einen Rahmen abzustecken, in dem sich alle wohlfühlen können.
Es geht um Feinabstimmung mit anderen Bedürfnissen als den eigenen.
Es geht um Rücksichtnahme, es geht um Regeln, sinnvolle, die einzuhalten sind.
Dreimal ermahnt, dann ohne Erklärung von der Situation getrennt, in der sie laut waren. Irgendwann habe ich das Gefühl: Jetzt nimmt er mich wahr. Aha.

Will er ungestört mit seinen Freunden zusammen sein, dann muss er leise sein, sonst sitzt er im anderen Raum. Ohne Wortbeiwerk.

Es zeigt Wirkung.
Puh!


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Eine Kleinigkeit, die keine ist: "Dürfen ich und...?" "Wie bitte?" "Ich und XX wollen..." "Versteh nicht.." Jetzt setzen die anderen ein: "XX und ich!" 
Dieser Unterschied ist einer ums Ganze.
Wer nicht gelernt hat, sich selbst an die letzte Stelle zu setzen, wird wahrscheinlich weniger Andere wahrnehmen und eher im Zentrum seiner Welt als Fixstern stehenbleiben. 

Diese kleine persönliche kopernikanische Wendung ist ein Mosaikstein bei der Entwicklung der Person. Wenn Fünftklässler noch sagen "Ich und XXX", dann schüttelt es mich immer ein bisschen.

Die kopernikanische Wendung- zu erkennen, dass die Welt, unsere Erde,  nicht Mittelpunkt des Weltalls ist, sondern ein Planet unter vielen im Umlauf um die Sonne, ein Staubkorn unter allen Sternen und Planeten im Weltall, sie war für die Menschheit in ihrer Entwicklung wichtig.

Ähnliches vollzieht sich bei jedem einzelnen Menschen. Irgendwann erkennt er (hoffentlich), dass er wohl das Zentrum seiner, aber nicht der ganzen Welt ist und dass die Anderen genauso bedeutsam sind wie er/sie selbst....

Sprachlich drückt sich das aus in "Dürfen Laura, Lilly, Aissa und ich rausgehen?" Das ist dann schon die entwickeltere Form... Kommt aber auch schon vor.

Ein Weiteres ist es, das Wörtchen "Ich will" durch "Ich möchte" zu ersetzen.
Leider ist alles das überhaupt gar nicht selbstverständlich.....

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Herbstblumen mit bemalten Steinen.


"Diese Jahreszeit ist die herbste von allen."
                                         Mascha Kaleko


Lilly und ihre Mutter bringen am Montag das Gebiss eines Hechtes mit. Die Zähne dieses Raubfisches sind beeindruckend.
Dazu den Oberkiefer eines Mischfressers, der vorne Reißzähne, aber auch hinten Mahlzähne hat...
Und die Frage, wann wir unser Naturalienregal in der Klasse einrichten.



Hechtgebiss und unbekannter Schädel mit Oberkiefer


Überraschung: Charlotte hat geübt und trägt "Den Maler Herbst" von Peter Hacks sehr souverän vor.
Laura wollte eigentlich auch vorlesen, möchte aber gerade nicht.
Aimée erkundigt sich noch, wann man denn den Namen des Dichters nenne und ob überhaupt..., um völlig ohne Zettel nach vorne zu gehen und das lange Gedicht auswendig (par cœur) UND mit Betonung vorzutragen.

Uns blieb allen die Spucke weg. Entsprechend stark war der Applaus. Dann!! Geht Laura nach vorne, ebenfalls ohne Zettel und macht ihr das Kunststück mit auswendig vortragen nach!!!
Hammer!



Das war ein wunderschöner Moment.

Dann gehen wir in die Bibliothek und hören und schauen Charlottes (eine Dame in unserer Bibliothek) Bilderbuchkino an.

Sie hat das Bild eines Eichhörnchens in der einen Hand, einen Vorrat von Eicheln in der anderen.

Das Buch heißt:

"Im Wald ist Platz für alle" (Inhalt)

Im Wald ist Platz für alle!

Udo Weigelt / Gianluca Garofalo
Im Wald ist Platz für alle!
Bilderbuch – Großformat

Nord-Süd Verlag, Gossau / Zürich / Hamburg 2002
32 S.; 12,80 €

ab 3 Jahre








Im Wald lebt Friedel, ein Eichhörnchen. Es ist zufrieden und froh, bis - plötzlich Moritz auftaucht und dableiben will.

Friedel hat Angst um seine Vorräte und auch, ob ihn jetzt die Tiere des Waldes vielleicht nicht mehr so mögen, wenn noch ein anderes Eichhörnchen da ist?





Friedel will, dass Moritz weggeht. Es gibt eine Versammlung der Tiere des Waldes. "Der Wald ist groß", sagt das Wildschwein, "er hätte sogar noch Platz für ein drittes Eichhörnchen."


Das ist natürlich etwas, das Friedel gar nicht hören will...




Man kann richtig sehen, wie genervt Friedel ist.




Er packt seine Koffer. Er will auswandern.





Moritz hat seine Wohnung in einem alten Baum mit schönen Löchern genommen. Doch -  Bauarbeiter treten an und sägen den Baum ab!




Der arme Moritz fällt herunter und ist wieder ohne Wohnung.








Jetzt merkt Friedel, dass es Moritz ganz schlecht geht und er kann es ihm gut nachfühlen.....schließlich ist er ja selbst schon am Gehen.



Das ändert alles: Friedel lädt Moritz ein, bei ihm zu wohnen und die Vorräte mit ihm zu teilen.
So werden die beiden Freunde.

Beim Gespräch bemerken wir: Wenn da eine Freundschaft ist und jemand hinzukommt, dann ist es nicht automatisch so, dass es schlechter werden muss oder dass die Freundschaft weniger wird, es kann sogar mehr werden. Mit der Freundschaft ist es nicht so begrenzt wie mit Vorräten von Eicheln, mehr davon macht nicht weniger für einen.

Dieses Buch hatte Charlotte ausgesucht, weil sie um die prekäre Situation in der Mädchen-Fünfergruppe weiß, die immer miteinander konkurrieren, wer mit wem jetzt ganz dicke ist oder wer wem wen ausspannen kann und morgen geht das ganze Spiel wieder von vorne los......

Diesem Problem kann man nicht so einfach beikommen wie dem Lärmproblem....


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Hier sind zwei der schönen Kraftsteine, die die Kinder bei Julia im Kunstunterricht bemalt haben.





Schönes Detail morgens beim Hereinkommen, eine Schäfchenwaage.






Wir richten uns einen Werktisch ein für die Steine, die Herbstblumen, die Blätterpressen, die so langsam Form annehmen.




Die erste ist schon fast fertig, Joyce hat sie bemalt und wir haben schon mal gemeinsam Blätter gepresst. Joyce weiß jetzt, wie es geht, wie man den Deckel abschraubt, zwischen die zugeschnittenen Wellpappen das Blatt legt, aber oben und unten kommt saugfähiges Papier dazu. Dann zuschrauben.
Von da an erklärt Joyce allen, die nach und nach Blätter pressen möchten, mit großer Begeisterung, wie es geht und gibt von ihrem Wissen gerne ab.



Nach und nach werden immer mehr Pressen fertig.




Am Mittwoch haben wir lieben Besuch. Zuerst kommt Antonia, eine frühere Kollegin, die pensioniert ist und regelmäßig als Lesepatin Kinder unterstützen möchte.

Antonia und ich haben schon einmal Klassen miteinander geführt, auch Klassenfahrten zusammen gemacht. Dann kennt man sich! Es war immer schön mit ihr zusammen und ich freue mich sehr, dass sie auch bei uns sein möchte.

Sie macht sich sofort über die Blätterpressen her und schneidet Wellpappe zu, dann hilft sie besonders lange Aissa beim Rechnen.

Wir haben großes Glück: Auch Claudia möchte in unserer Klasse Kinder beim Lesen und bei der Erfahrung von Literatur unterstützen. Sie kam heute zum ersten Mal zu uns. Danach besprachen wir uns etwas und hatten gleich ein paar Schwerpunkte für die kommende gemeinsame Arbeit in der Klasse festgelegt.

Matti, falls Du das liest: Bittebitte, komm auch weiterhin, Du bist für uns, für "die Gang", wie wir das nennen, UN-VER-ZICHT-BAR! :)))





In der Freiarbeit schreibt Lilly diesen Text und malt dazu (oder umgekehrt...)




Wir schrauben uns langsam, aber gewaltig durch die Buchstaben, die noch bleiben, das -ch, das Sp-,-sp- und so weiter.

Wann gucken wir endlich "Madagaskar?"
"Das ist soooo toll!" Am Mittwoch beginnen wir damit. Irgendwann hängt die DVD, verpixelt sich, aber die Stunde ist auch schon vorbei.
Es ist eine Anregung, die aus der Klasse kommt. Wenn man anschließend gemeinsam über das Gesehene nachdenkt, ist das Medienerziehung und auch literarisch von Bedeutung. Heute spielt sich auf diesem Sektor eben nicht mehr alles in Büchern ab.

Wir gucken uns das in Etappen gemeinsam an.
Und reden darüber.






Auf diesem Bild ist zu erkennen, dass Jasper eigentlich einen größeren Tisch braucht. Wenn man immer "in action" ist, bekommt man davon nicht unbedingt etwas mit. Man sollte öfter im Unterricht einfach zuschauen dürfen - in Ruhe.

Aber das ist Wunschmusik. Fast alle Förderstunden der Klasse fielen in dieser Woche aus, weil die Förderlehrer erkrankte Kolleg*innen in anderen Klassen vertreten mussten....

Aber, hey, na klar: Berlin macht Inklusion!
Ein herrlicher Gig mit der Luftgitarre. 




Die erste Seite im Sachkundeheft. Wie benutzt man ein Lineal? Was ist da überhaupt drauf? Das Linienblatt? Überschriften unterstreichen, farbig, also ein wenig gute Heftführung lernen.

Das ging gut, weil jeweils nur die halbe Gruppe da war. Julia übte fürs Lesefest im November herbstliche Instrumentalmusik, sie hatte unsere Unternehmung als Projekt angesagt, dann ist es bei der Durchführung ungefährdet. Mit der ganzen Klasse hätte sie das im Musikbereich der Schule nicht machen können. So kamen wir etwas voran mit Herbstmusik und Heft einrichten.



Am Donnerstag fuhren Mann und ich nach der 2. Stunde nach Neuruppin zur anderen "Gang".




Ein schöner Spaziergang mit Bruno, dem Hofhund, erfreut und erfrischt uns alle drei.

Und dann: Alle Schafe fühlen sich pudelwohl und sind strotzegesund!! Kein Wunder - bei der Pflege!!! Am Tag vorher wurden ihnen allen die Klauen geschnitten.  Das Gras ist grün und frisch. Sie können in den Stall, aber das wollen sie (noch) nicht. Links und rechts vom Stall je eine Weide!!!





Nello, 12,  mit seinen steifen Haxen - aber der Blick ist, als würde er immer jünger! Nello stand im Gehege auf dem kleinen Hof, er war eines der Streichelschafe, die immer kamen, wenn Kinder am Zaun standen und sich streicheln ließen..... Vorbei, vorbei.

Schwarze Katze lässt sich auch blicken.




Und dann auf dem Stühlchen sitzen und sie alle streicheln, ihre Ruhe fühlen, die sie ausstrahlen.
Übrigens riechen sie sehr gut.....

Fläumchen links, die gerade liegt und kaut, gehörte auch zu den Schafen auf dem kleinen Hof damals. In der Mitte liegt Pauline, auch sie ein vormaliges Kreuzberger Schulschaf.

Vorne rechts steht Herr Weiss, aka Herr Zuckermann. Er ist der beste Tröster aller Zeiten. Er schiebt einem den Kopf an die Wange, ob man will oder nicht und dann wird man ihn einfach nicht mehr los. Und dann rülpst er diesen grünen Geruch vom Wiederkäuen direkt vor die Nase hoch. Immer. Einfach "umwerfend". 
Er ist später zur Herde dazugestoßen. Wie, weiß ich auch nicht mehr. Wär aber schade um ihn gewesen. So führt er heute sein Pensionärsleben hier - und trägt die Glocke!





Na ja, und dann mit der schönen gesunden Luft in der Nase wieder zurück in diesen Moloch Stadt.
Der Freitag wartet, mit ihm schließen wir diese siebte Woche ab.

Allen geduldigen Leser*innen ein wunderschönes Wochenende und gute Erholung!

Eure Minna

Boah, das war viel! Ihr tut mir richtig leid....

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