Freitag, 6. Mai 2016

"Der Einbeinige!! Da ist er wieder!"

Mittlerweile ist Berlin ja im Frühling angekommen. Besonders heute ist das zu spüren. Man kann die dicken Sweaters und die Plastikhaut der Winterjacke zu Hause lassen....Die Schultern auseinanderfalten und nicht mehr hochziehen.
So schön!
Und dann ist auch noch frei, schulfrei! 
Das ist schon eine ganze Portion Glück.
Minna sitzt oben im Veganz-Café der Marheinickehalle und ist dabei, die letzten Euro vom Gutschein der Klasseneltern vom letzten Jahr wegzuessen.

Dieses Jahr habt Ihr mir doch wieder einen geschenkt! Ich fühle mich Euch sehr verpflichtet, VIELEN DANK!

Deshalb hab ich mir vorgenommen, wenn ich hier bin, dann wird auch mal wieder gebloggt.

Bei einem schönen veganen Bauernsalat (tierfreundlich) in Maisschale (ökofreundlich), dem zum Glück vorhandenen WLAN und einem passenden Getränk kann es jetzt losgehen!





Fühle mich inspiriert, als hätte ich in Prickelbrause gebadet. Warum?

Minna war beim heutigen Berliner Creative Morning. Dank des Brückentags zu Himmelfahrt war das mal ausnahmsweise möglich. Sonst nicht wg. Schule.

Die Creative Mornings gibt es in über 150 Städten weltweit. Es gibt da immer einen Vortrag, ganz tollen Kaffee und Croissants und es beginnt zwischen 8 und 9 Uhr morgens. Um 10 Uhr ist es beendet, damit die digitalen Kreativen, die vor ihrer Arbeit hergekommen sind, anschließend inspiriert und angeregt vor ihren Computern sitzen können...


Den Vortrag hielt heute Kathrin Passig. Sie sprach über Realität und Wunschdenken beim Crowdfunding.
Es war spannend, mal etwas Neues zu erfahren aus der digitalen Community, abseits von betonierten Schulstrukturen schnuppern in einem Lebensfeld, das nicht das eigene ist und wo andere Gesetze gelten.
Mir zeigt das immer wieder, dass das vordergründig Abseitige in der Pädagogik, in der Bildung, ein kleiner Abstecher, ein Umweg - etwas aufnehmen, das nicht im "Plan" steht, auf die Länge des lebensweiten Bildungsweges gesehen, das Fruchtbarste und Beste sein kann, aus dem ein Bildungszuwachs sich ergibt oder sich schöpfen lässt.

Deshalb ist der ewige Verweis auf Lehrpläne, Testungen (Bulimie-Pädagogik: Fressen und Rauskotzen) so widerlich und abtötend für mich, und vor allem, dass in diesem "Bildungs"Betrieb, so, wie er sich auch heute darstellt, alle so folgsam und hörig sind wie die Lemminge, die alle fein brav die Ordres der Mufti befolgen und nicht hinschauen, wohin sie sich damit bewegen....

Das war heute anders. Minna konnte auch mal "auftanken", Atmosphäre, Wissenssplitter, die in keinem Curriculum planerisch vorgesehen sind.

Freiheit, Dinge wichtig zu finden, die auf eine, vielleicht auch noch nicht selbst verstandene Weise ins eigene persönliche Wissens- und Neigungstableau hineinpassen oder auch nicht, wie sich manchmal auch erst später herausstellen kann.

Das war ein langer Vorspann. Aber jetzt bin ich im Schulgarten angekommen.

Der letzte Post hatte 74 Leser und er musste sein. Er war ein Stück von dem, was viel häufiger sein sollte, was aber unsere Gesellschaft und vor allem die Bewusstseine, die sie geprägt hat, nicht zulassen.

Im Grunde hätten wir alle mehr Freiräume, wenn wir stetig darauf beharren würden, da bin ich mir ganz sicher.


Das Bild ist aus einem Vortrag von Markus Beckedahl auf der re:publica von vor ein paar Tagen. Auch da konnte Minna nicht hingehen. Doch viele Vorträge kann man auch im Netz anschauen.
Den von Carolin Emcke über Hass im Netz hätte ich sehr gern gesehen. Manchmal muss man aber doch persönlich da sein...

Angekommen.



Am 12. April waren wir im Grips-Theater. Der Ort war in Mitte, nicht am Hansaplatz, wo das Grips-Theater traditionell beheimatet ist.
Wir sahen das Theaterstück "Die Prinzessin und der Pjär", ein typisches Grips-Stück. Ich mag dieses Theater sehr.
Das Gespräch am nächsten Tag in der Klasse war vom Ergebnis für mich etwas mager an "Ausbeute" gewesen.
Es ging um Leistungsdruck von Eltern und Schule auf Kinder.
Den Kindern hatte das Stück sehr gefallen, sie fanden, es war zu schnell zu Ende gewesen, obwohl es glatte 60 Minuten gedauert hatte..
Viel mehr war da nicht rauszuholen gewesen - vielleicht - weil sie nicht so unter Leistungsdruck stehen???

Auf dem Heimweg von solchen Veranstaltungen fragen Kinder oft:"Haben wir heute noch Unterricht?" und man muss ihnen erklären, dass DAS der Unterricht war, der Theaterbesuch, die Kunstausstellung und manches Andere.

Die Vorstellungen in den Köpfen, was denn Unterricht sei, sind doch sehr beharrlich.

Diese Aktivität aber dürfte bei allen wirklich als Unterricht durchgehen:

Grammatik. Wir führten unsere sechste Wortart ein und übten, sie zu bestimmen neben den anderen fünf, die da sind Nomen, Verben, Adjektive, Artikel, Zahlwörter. Diese werden stets in lateinisch UND in deutsch bezeichnet. Ein bisschen Verstehen soll für alle ja auch dabei sein. Jede Wortart hat ihre eigene Farbe.

Die sechste Wortart sind die Präpositionen, die Verhältniswörter.



Nach einigen praktischen Übungen, die in der Klasse sprachlich begleitet wurden und als Sprachmuster dienten, malten die Kinder die Gegenstände und ihre Lage auf ein Blatt. Dann bildeten sie Sätze dazu und bestimmten die Wörter dieser Sätze.




Beispiel: Der Apfel liegt in der Schüssel.
             Die Katze sitzt hinter dem Schrank.

Ich persönlich mag Grammatik sehr. Sie schult ausgezeichnet logisch konsistentes Denken.

(Obwohl man das in unserer postmörderischen Lebenswirklichkeit heute kaum mehr zu brauchen scheint und es eher hinderlich ist, in Alltagssituationen auf logischer Konsistenz zu bestehen....Ironie aus.)

Interessant an unserer gesprochenen Sprache ist auch, dass Präpositionen in der Alltagspraxis immer mehr an Bedeutung verlieren:

"Ich geh Kino..."  "Ich habe Rücken."

Kiezdeutsch. Es gibt Linguist*innen und Soziologen, die das prima finden. Mich schüttelt es da. Je simpler die Sprache, desto mehr wird es unmöglich, komplexe Sachverhalte zu begreifen und zu schildern - und unsere Gesellschaft ist verdammt hochkomplex.

Während die einen "Wissenschaftler" solche Simplifizierungen bestreicheln, wird die Realität "da draußen" gleichzeitig immer härter und die sog. feinen Unterschiede, auch die der mündlichen und schriftlichen Sprache, entscheiden mit anderen Faktoren zusammen klammheimlich über Karrieren!

Jede(r) hat, auch in der öffentlichen Schule, ein Recht darauf, Hochsprache zu lernen, so sie/er es denn will.
Daran möchte ich festhalten.

Jetzt muss ich doch noch "irgendwie" zum Einbeinigen kommen.

Unter einem Fenster unserer Klasse hängt ein Besenstiel quer. An ihm sind verschiedene Meisenknödel befestigt, die außen sichtbar herunterhängen. Je nach Knödelart sieht man die Spatzen, Kohlmeisen, Blaumeisen daran herumturnen und emsig wie kleine Bergwerker daran herumpicken.

Im letzten Jahr machten einige Kinder darauf aufmerksam, dass einer der Spatzen nur ein Bein hatte, ein anderer war ohne Schwanz.

Damit der Einbeinige auch eine reelle Chance hatte, zu dem Futter zu kommen, hängten wir nun immer zwei Kugeln nebeneinander.

Aber dann blieb er weg.
Vor ein paar Tagen rief plötzlich ein Kind: 
"Der Einbeinige!! Da ist er wieder!"

Was haben wir uns darüber gefreut!



Dieses Bild zeigt leider nicht unseren Einbeinigen.
Wer hat schon immer im entscheidenden Moment
den Fotoapp... äh, das iPhone parat....

So, jetzt schick ich erstmal diesen kleinen Bericht in den Äther. Fortsetzung folgt.

Und: Vielen Dank, liebe Schülereltern, für den tollen Gutschein!
Das Bloggen machte große Freude und geschmeckt hat es auch!

Herzlich Eure Minna


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