Liebe
Eltern!
Wenn
ich unser weihnachtliches Beisammensein für 15.30 Uhr ankündige,
dann meine ich 15.30h.
Ist
Pünktlichkeit nicht etwas, was Ihre Kinder jetzt und später auf der
Arbeit beherrschen müssen? Warum leben Sie Ihrem Kind
Unpünktlichkeit vor?
Ich
meine nicht, dass es mal nicht gelingt, ganz rechtzeitig zu sein. Es
kann Gründe geben. Jeder kommt mal zu spät. Es sollte aber keine
Gewohnheit sein! Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige,
sagt das Sprichwort.
Es
wäre auch ganz wunderbar, wenn Sie zum Fest Ihres Kindes kommen, wenn Sie dann die Lehrerin, die es in Wochen minutiös vorbereitet hat,
gegebenenfalls eines Grußes würdigen könnten, vielleicht auch ihr
ein Lächeln schenken (ist optional) und nicht grußlos und mit
steifer Miene an ihr vorbeischauen oder ihr den Rücken drehen
würden.
Von
Eltern unbegleitete ältere Brüder mit Verhaltensunsicherheiten, die
während des Nikolaus-Auftritts im Vorraum mit anderen Kindern tollen
und toben, möchte ich auf einem Fest nicht so gern sehen.
Es
waren auch sehr nette ältere Brüder mit ihrer Mutter da, das meinte
ich nicht.
Mir
ist es sehr unangenehm, Menschen sagen zu sagen zu müssen, was sie
eigentlich selbst wissen müssten. Das ist mir sehr, sehr unangenehm
und macht mir überhaupt keine Freude.
Auch
nicht, dass der große Bruder sich von mir "angemacht"
fühlt, wenn ich die Dinge zurechtrücken muss, weil die Eltern
abwesend sind und er kein Gefühl für ein angemessenes Verhalten
hat.
Der
Lesepaten-Nikolaus kam aus seinem Rechtsanwaltsbüro, er hat gar
nicht wirklich frei bekommen, er raste durch die Stadt, stand in
seinen Maßklamotten irgendwann da, streifte die Nikolaus-Kluft über,
verlas die Sätze im Himmlischen Buch und verteilte die Geschenke.
Das machte er gern und das machte er gut. Dann raste er zu seinem
Arbeitsplatz zurück. Was da um ihn herum geschah, nahm er sportlich.
Ein
aufmerksames Verhalten der Kinder ihm gegenüber und auch von Eltern,
die ihre Kinder vielleicht mal selbst ermahnen, wenn sie dabeistehen,
hätte dem Nikolaus Respekt gezollt für seinen Einsatz und ihm ein
besseres Gefühl gegeben und mir auch, ehrlich gesagt, denn ein
Nikolaus fällt nicht einfach so vom Himmel, der wurde vorher
ordentlich organisiert, und das sollte man durch Aufmerksamkeit
honorieren.
Dass
Mutter neben der Tür steht, während ihr Kind draußen tobt und
gekränkt ist, wenn die Lehrerin sich vor die Tür stellt, damit
nicht dauernd Kinder rein- und rausrasen, während der Nikolaus da
ist, kriege ich nicht so richtig auf die Reihe.
Auch,
dass Mutter ihr jüngeres Kind mit einem anderen plaudern lässt,
geräuschvoll einen Lolli auspacken lässt, und nebendran lesen die
Kinder in voller Konzentration und mit Lampenfieber ihr Märchen vor,
ist irgendwie in meiner Welt nicht verständnismäßig vorhanden.
Und
ich will mich daran auch nicht gewöhnen!
Ich
glaube, dass ich die zivilisatorischen Mindeststandards schon
einhalte, und wo mir das nicht gelingt, merke ich das oft selbst oder
man kann es mir auch sagen und dann entschuldige ich mich ernsthaft
und versuche, es in Zukunft besser zu machen.
Wieso
wird, wenn ich solche Mindeststandards gewahrt haben will, mir das
als ein feindseliges Verhalten ausgelegt? Haben wir keine Ansprüche
mehr aneinander?
Oder
nur noch an die Lehrerin, aber nicht mehr an uns selbst?
So.
Das
musste sein. Es frisst mich innerlich auf. Ich bin nicht die
Servicetante, die man mit schlechtem Verhalten abstrafen kann, und
Sie sind nicht die Kunden.
Ich
bin die Lehrerin Ihres Kindes und will mit Ihnen freundlich,
sachgerecht und menschlich angenehm und verbindlich zusammenarbeiten,
auf dass Ihr Kind für das spätere Leben vom Wissen und Verhalten
her angemessen vorbereitet wird, und zwar in Zusammenarbeit von
Schule und Elternhaus.
So.
Ich
erzähle es am Abend meinem Mann. Dann sage ich
ihm: Weißt Du, ich verstehe nicht, warum mich das so angreift.
Ich
bin an dem Nachmittag unseres Festes so vielen freundlichen Eltern
und Großeltern begegnet, die mit mir geredet haben, die kamen und
sagten, wie gut ihnen die Vorführung/die Vor-Lesung gefallen hatte
(Ist natürlich auch optional ;), wie toll sie es fanden, dass ALLE
Kinder mitgemacht hatten und die auch nochmal Danke gesagt haben.
Hier und da ergab sich noch ein kleines schönes Gespräch und dafür
macht man das doch alles!
Das
waren viel mehr Eltern. Viel viel mehr Eltern.
Wieso
nervt mich das Andere so?
Mein
Mann sagt: Na ja, es ist wahrscheinlich wie mit dem Trinkwasser. Man
braucht es, man schätzt es, aber ein Tropfen Motoröl macht 1000
Liter Wasser ungenießbar.
Plötzlich
wird mir besser. Ich bin also nicht falsch drauf, will mich ja auch
auf das Schöne und das Richtige konzentrieren, auf das, was uns alle
gemeinsam weiterbringt.
Aber
er versteht mich, dass ich erstmal so reagiere. Ich fühle mich
verstanden.
Dann
sagt er noch etwas Gutes: Es stört Dich so, weil es nicht
symmetrisch ist. Gewaltfreie Kommunikationen sind symmetrisch, das
heißt, das, was der eine sagt, könnte der andere auch sagen. Es
gibt keine Hierarchie, kein Oben und Unten.
Es ist
immer ein dummes Gefühl, der zu sein, der unten ist, denke ich. Ich bin jetzt 62
Jahre, ich muss jetzt noch lächeln und mich Verhaltensweisen
gegenüber fügen, die ich in meinem privaten Bereich niemals dulden würde.
Aber
ich kann im Interesse der Zusammenarbeit zum Wohl des Kindes kein
klares Wort sagen, immer muss ich lächeln, freundlich sein, nerviges
Verhalten ignorieren, an mir abgleiten lassen, kontrafaktisch darüber
hinweggehen, und nur, um die Gesprächsbasis zu erhalten im Interesse
des Kindes.
Und
das kotzt mich manchmal an. Da fühle ich mich wie jemand,
der durch Zufall in einen seltsamen Zirkus hineingeraten ist und jetzt als dummer August irgendwie da durchhalten muss.
Menschen,
die vielleicht weniger über Verhalten nachgedacht haben, dürfen
mich vorführen, kränken, mit mir schlecht umgehen, weil ich in der
neoliberalen Servicewüste Schule als Lehrerin an sie drangekettet
bin.
Ich
darf das aber nicht. Ich darf das noch nicht mal erwähnen oder zum
Thema machen.
Ich
bin aber nicht Jesus. Ich bin Minna.
Na ja,
in einem halben Jahr seid Ihr mich los. Aber das hier musste mal
raus.
Viele
Dank an alle Eltern, die dieses Fest zu einem gelungenen gemacht
haben, durch ihr Interesse, ihre Empathie, ihre Resonanz, ihre
Geschenke, die sie gepackt haben, obwohl ihr Kind am Auslosetag
fehlte (!!<3), durch einfach alles, wodurch man morgens
leichtfüßig zur Schule tanzt, ohne sich zu fragen: Warum mache ich
das? Weil es einfach schön ist! Weil es wichtig UND schön ist!
Mit
Ihren Kindern, mit allen Ihren Kindern, ist es übrigens immer schön.
Und wenn mal nicht, dann reden wir darüber und dann mögen wir uns
wieder.
In
diesem Sinne: Bleiben wir dran! Frohes Fest, wenn Sie Weihnachten
feiern oder Frohe Tage hinein ins Neue Jahr!
Ihre
Minna
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