Schon
sehr lange hatte ich den Gedanken, mit der Klasse einmal das
Buchstabenmuseum zu besuchen.
Buchstaben
sind magische Zeichen. Sie sind meist schwarz, es gibt in unserer
Sprache nur 26 davon, und je nachdem, wie sie angeordnet sind,
entstehen, wenn sie auf einen kundigen Kopf treffen, Bilder und
Wörter und auch Seelenzustände in eben diesem.
Das
ist doch eine verrückte Sache, oder? Das, was man so lesen nennt.
Deshalb
ist der Erstleseunterricht auch so spannend, denn man bemerkt als
Lehrer(in) genau diesen Punkt, an dem das Kind sein Universum um das
des Umgangs mit Buchstaben erweitert.
In Berlin gibt es auf den Straßenschildern
dieses besondere "Ess-Zett",
hier noch als solches zu erkennen.
Diesen ganz besonderen Buchstaben ß
gibt es nur im Deutschen.
Das
ist wie eine Geburt: Zurück geht es nicht mehr. Nur noch nach vorne weiter.
Aber
was sich einem hierdurch alles erschließt....!!!
Es
gibt in Berlin ein kleines privates Museum, das von enthusiastischen
Menschen aus Liebe zu den Buchstaben unterhalten wird, das Buchstabenmuseum.
Persönlich
war ich noch nie dagewesen, aber ich empfinde es immer als ein
persönliches Manko, dass ich, die Leseratte und Bücherliebhaberin,
nie weiß, in welcher Schrift ein Buch gedruckt wurde, das ich gerade
in der Hand halte.
Ein
quasi existenzielles Manko, würde ich sagen. Vor Jahrzehnten fand
man manchmal auf der Rückseite des Titelblattes eines Buches noch den Namen der Schrift,
heute nicht mehr.
Das
Buchstabenmuseum ist ein eher kleineres Museum mit sehr, sehr vielen, außerordentlich interessanten Exponaten. Es liegt in den Räumen
eines ehemaligen DDR-Supermarktes in Berlin-Mitte nahe der
Jannowitzbrücke.
Wir gingen mit halber Klassenzahl hin, also mit
12 Kindern heute.
Die
anderen Kinder gehen in zwei Wochen, denn am nächsten Dienstag ist
Fasching, und das soll mit einem rauschenden Fest in der Schule
gefeiert werden.
Wir
waren zu früh da, und die Kinder vertrieben sich die Zeit mit Fangen
spielen und dem Auffinden von vielen Nelken, die sie eifrig sammelten
und untereinander verteilten, an denen sie dauernd schnupperten und
die alle den Weg mit in die Schule fanden und später wohl nach Hause
finden werden.
Leider
wurde beim Fangenspiel auch ein ordentlich großes Hundehäufchen
breitgetreten, dessen Geruch uns fortan nicht verließ...
Die
Kinder entdeckten das Burger-King von gegenüber und wollten, dass
ich sie zum Schmausen einlade, was ich aber nur für den Fall
versprach, dass der Museumsbesuch ausfallen würde. So konnte ich
wenigstens den skandierenden Sprechchor "Bur-Ger-King!" beruhigen.
Frau
Hoepfner, Museumspädagogin im Buchstabenmuseum, kam und bat uns herein. Sie erklärte uns, dass viele
der Buchstaben im Museum dreidimensional seien und klärte mit den
Kindern diesen Begriff.
"Überall
in Berlin begegnen Euch große Buchstaben", sagte sie, "kennt Ihr welche?"
"Ja, das M von McDonald's", meinte Jasper und zeigte das M mit der Hand
in der Luft. "Es ist rund und rot."
Andere Kinder nannten das U der U-Bahn (blau und weiß), das S der S-Bahn
(grün).
Jonina
kannte das H der Bushaltestelle und auch seine Farben: grün und
gelb.
"Gegenüber
ist ein 'LIDL'", meinte Frau Hoepfner, wie sehen denn da die
Buchstaben aus?"
Die
Kinder wussten, dass das 'i' schräg steht und dass die Buchstaben in
gelb, blau, rot gehalten sind.
"Das
sind die Grundfarben. Wer weiß denn, was die Grundfarben sind?"
Während
P. es sich zu einem ersten Nickerchen im Sessel bequem machte, sagte
Jonina: "Das sind die Farben, aus denen man alle anderen Farben
mischen kann."
Aimée
ergänzte: "Aus den anderen Farben kann man aber die Grundfarben
nicht mischen, sie lassen sich aus gar keinen anderen Farben
mischen."
Mir
war nicht so bewusst gewesen, dass das LIDL-Logo einen schrägen
Buchstaben hat, aber viele Kinder zeigten ein erstaunlich gutes
Beobachtungsvermögen.
"Diese
Buchstaben erzählen eine Geschichte", sagte Frau Hoepfner und fragte, was für ein Laden denn das LIDL sei, was man dort alles bekommt: Nichts Besonderes, Exquisites, sondern die Grundsachen zum Leben. Das sollen die drei Grundfarben ausdrücken.
So etwas denken sich Gestalter aus, sie suchen Formen und Farben, die zu dem Gegenstand passen und ihn den anderen Menschen verständlicher machen. Solche Leute nennt man Gestalter oder Designer.
Die Buchstaben sehen verschieden aus, weil sie so gestaltet worden sind.
Dieses R gehörte zu einer DRuckerei
in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts.
Wir schauen uns ein besonderes R an und gucken, was an ihm so besonders ist. Es ist aus Metall und schon sehr alt, es hat eine Kante oben.
Alle unsere Buchstaben in Druckschrift bestehen aus geraden Strichen, Kreisen oder Teilen von Kreisen und aus Punkten.
Jetzt sehen wir ein ganz anderes R. Es ist golden, hat einen Schwung nach vorne.
Das goldene R sieht auf dem Foto
silbern aus.
Rechts sieht man das
kringelige E mit den Serifen.
"Zu welchem Geschäft könnte so ein R passen?" Die Kinder tippen auf Kleider oder Schmuck.
Das R ist von einem Autohändler, von Daimler-ChRysler. Es ist aus Chrom, aus Metall, glänzend, geschwungen, wie wenn man mit Schwung und schnell fährt.
Welches R ist wohl älter, welches jünger? Keine Frage, das runde R ist jünger, man konnte es schon geschickter schmieden, das Metall warmmachen und langziehen.
Ganz früher ritzten oder meißelten die Menschen die Buchstaben in Holz oder Stein, sie waren dann eher gerade.
Ganz früher ritzten oder meißelten die Menschen die Buchstaben in Holz oder Stein, sie waren dann eher gerade.
Jetzt sehen wir ein ganz besonderes E und machen uns Gedanken, was es vom uns bekannten E unterscheidet.
Der Besuch im Museum ist schon eine besondere Seh- und Beobachtungsschulung, der der fast alle Kinder begeistert und genau mitdenken, aber auch eine gemeinsame Entwicklung von möglichen Bedeutungen, die man mit den einzelnen Zeichen verbinden kann... Frau Hoepfner klärt sehr behutsam und anschaulich die Dinge im Dialog mit den Kindern.
Wir sehen jetzt noch ein anderes E , es ist auch aus Metall, aber es hat noch etwas, das die anderen Buchstaben nicht hatten. (Vorletztes Bild rechts)
"Diese Häkchen." - "Ja, die nennt man Serifen. Es gibt Buchstaben mit und ohne Serifen."
Klasse, was die Kinder heute alles durch Anschauung und gemeinsames nachdenkliches Entwickeln lernen!
Dass es nur zwölf Kinder sind, tut auch einiges dazu, dass jedes Kind, wenn es denn mag, zu Wort kommt und sich beteiligen kann.
Es war eine intensive Führung von mehr als einer Stunde Dauer.
Den zweiten Teil machten zu einem erheblichen Teil die Leuchtstoffröhren aus. Morgen geht es damit weiter!
Zum Abschluss heute ein wunderbares Buch:
Nadine Roßa : ß Eine scharfe Type
Sehr lesens- und anschauenswert!!!
Zum Abschluss heute ein wunderbares Buch:
Nadine Roßa : ß Eine scharfe Type
Sehr lesens- und anschauenswert!!!
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