Montag, 12. August 2013

Ich hasse die Schule

Heute bekam ich den ersten Dämpfer. War so erschöpft, dass ich erst einmal am späten Nachmittag zwei Stunden schlief!!

Zuerst wollte ich stricken. Ich spürte schon, dass ich sehr erschöpft war. Dann legte ich mich hin und irgendwann schallte das Telefon,  ach ja, muss wohl eingeschlafen sein. 

Danach fühlte ich mich wie ein Marshmallow oder so.
Und der Eindruck von meiner Zeit von halb acht bis fünfzehn Uhr hatte sich gedreht.

Irgendwas in mir wollte nicht. Woran machte sich das fest? Das Lachen klang mir im Ohr. Ich hatte einem Kind zum Toilettengang Handtücher und Seife mitgeben wollen, da war aber noch etwas Anderes in dem Korb, das bei meiner unterstützenden Bemühung klappernd zur Seite fiel...und ein aufbrausendes Lachen auslöste, erst von einigen Schülern, dann wirkte es wohl sehr ansteckend, denn es war sehr laut.

Erstklässler lachen am ersten Tag die Lehrerin AUS. (Das hätten wir uns damals nicht getraut..) 

Ja, ich höre schon, wie man mir sagt: Wenn Du Dich da gekränkt fühlst, dann bist Du nicht PROFESSIONELL.

Ich will auch gar nicht professionell sein, so, wie das immer verstanden wird. Das ist kalt und oft Vorwand für Gemeinheit von der anderen Seite, der Erwachsenenseite.

Ja, es ist gut, dass ich es aufschreibe. Warum nicht ins Tagebuch? Schicke ich meine Flaschenpost also ins Netz und stehe dazu. Ich weiß, dass viele das als peinlich empfinden, wenn man sich Blößen gibt.

Aber wenn ich verletzt bin, dann bin ich verletzt und ich steh dann erst einmal, verdammtnochmal, nicht da drüber.

Wie kann ich einen Anderen, ein Kind, wirklich schützen, wenn ich mich selbst für diese Kränkungen vom Empfinden her unempfindlich mache?

Also, ich will nicht professionell sein im üblichen Sinne, aber auch nicht unmittelbar emotional. Es muss eine vermittelnde Instanz in mir da drin geben, denn das ereignete sich in meinem Berufsfeld. Da muss ich handlungsfähig sein, und zwar in einer der Sache angemessener Weise.

Die Sache, das sind die Menschen, mit denen ich zu tun habe, in erster Linie die Kinder. Die Sache, das ist auch der Lernstoff und der Weg des Lernens für jede(n) einzelne(n).

In meiner ehemaligen Klasse konnte passieren, was wollte, niemand, wirklich niemand lachte mehr, wenn einem Anderen etwas misslang. Na ja, zu Anfang auch nicht....

Nun sehe ich, welch ein langer Weg es dorthin gewesen war, wieviele Situationen, wieviel Nachdenken, diesen éclat de rire, dieses Ausbrechen des vernichtenden Lachens über eine klitzekleine Katastrophe, diesen vornachdenklichen und unmittelbaren Impuls zum Stoppen brachte.

Wieviel Arbeit dahintersteckte, dass es nicht mehr geschah.

Ich hatte nicht hingeschaut, als das Lachen über mich rüberrollte. Jeder, der mal von einer Gruppe ausgelacht wurde, weiß, was ich meine, weiß, wie sich das anfühlt.

Würdest Du einen darauf ansprechen, käme der Satz: Ist doch nur SPAß.

Genau diese "Späße" sind ein Problem.

Was ich durch die Überakzentuierung der Erfahrung des Ausgelachtwerdens vergaß - worüber ich hinwegging, jetzt, was aber verdient, festgehalten zu werden:

Viele Kinder waren so aufmerksam, so sehr dabei bei dem, was wir machten, und diese Kinder verdienen unsere ganze Aufmerksamkeit. Ihnen gefiel das, was wir machten, sie waren dabei, sie waren lebendig und innerlich beteiligt.

Es kristallisiert sich am ersten Tag deutlich  eine Jungengruppe heraus, die untereinander ihre Positionen auf Kosten des Unterrichts festlegt, die sich miteinander auf einem eigenen Planeten befinden und wo die einzelnen von sich aus kein Gefühl für die Situation der großen Gruppe zeigen.

Es sind so etwa sechs Jungen, die sich gegenseitig befeuern. "Hast Du schon wen rausgeschmissen?", fragte mein Mann. Natürlich nicht. Nicht am ersten Tag. Eigentlich mag ich das überhaupt nicht. Wir sind doch erst am Anfang.

Als wir am Ende des Schultages waren, fragte ich die Kinder nach ihrer Befindlichkeit und lobte sie alle sehr. Ganz viele sagten, es sei schön gewesen. Man merkt es, wenn sie Kontakt aufnehmen, den Blick suchen, wie man miteinander in Verbindung kommt. 

Von den Jungs, von denen ich eben sprach, sagten drei:"Ich hasse die Schule!" Ich sagte:"Wie kann das sein? Du kennst die Schule doch noch nicht."

"Doch", sagte ein Junge, "Mein Cousin geht schon lange zur Schule, und er sagt immer, er hasst die Schule." Na ja, dann KANN die Schule ja auch nicht schön sein.... Er hat die harte Äußerung von eben damit etwas relativiert.

10% der Kinder, die die den Unterricht mit ihrem Verhalten beeinträchtigen, erhalten in der Regel 90% der Lehreraufmerksamkeit. Das darf nicht sein.

Wie es Esin einmal ausdrückte, als sie mich nach vielen Jahren besuchte. Ich hatte sie gefragt, was ich nach ihrer Meinung hätte besser machen sollen. Sie: "Du hast Dich viel zu viel mit den "schlimmen Jungs" beschäftigt. Wir Braven waren Nebensache." *_*

Danke, Esin!
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Und jetzt geht es mir schon besser. Das Nachdenken hat etwas erbracht. Ich bin nicht mehr verletzt. Dafür sind die Namenskärtchen für die Fächer und die Klassenliste nicht geschrieben. Aber ich habe meinen Blick, meinen Horizont wieder etwas weiten können und kann morgen wieder offen und freund(schaft)lich hingehen....

Darauf kommt es an. Wir stochern noch im Trüben. Wir haben noch keinen Grund unter den Füßen. Das auch macht die Sache anstrengend. Dafür kann aber keiner etwas.

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