Montag, 28. November 2016

Im "Ruhe"stand

Einige Jahre habe ich hier fleißig geschrieben, und es war mir ein Bedürfnis. Während vieler Jahre war ich eine enge Teamarbeit gewohnt, da sprachen wir untereinander über alles, das uns wichtig schien und wir dachten auch gemeinsam viel nach.
Das war schön.
Doch die Jahre vergingen, meine Teamkolleg*innen wurden nach und nach pensioniert. Das Kollegium veränderte sich. Ich kam auch mit Kolleginnen zusammen in eine Klasse, die Teamarbeit nicht schätzten und die jeweilige Schulleitung bestand nicht darauf.
So fand ich mich irgendwann auf mich allein gestellt vor. 
Aus diesem Mangel an Austausch entstand wohl dieses Blog, so als eine Art Flaschenpost....
Es wurde auch gelesen und es gab Rückmeldung, das war sinnvoll und gut.
Nun bin ich seit dem 1.8.16 nach vierzig Jahren als Lehrerin in Rente gegangen.
Ich sehe "meine" Kinder noch manchmal, zum Beispiel auf Ausflügen als Begleitung. Oder wir machen ein kleines Projekt zusammen.
Die Kolleg*innen, die jetzt in der Klasse arbeiten, sind freundlich und entgegenkommend. Sie schließen mich nicht aus.
Derzeit stellen wir noch ein Buch fertig, zu dem jedes Kind einen Beitrag mit der Freinet-Druckerei, mit beweglichen Lettern druckt. Gutenberg-Galaxis...

Ich werde eine Arbeitsgemeinschaft Werken und Wolle anbieten, denn ich habe ja noch die Pensionsschafe, vier davon sind noch echte Lenauer Schulschafe.
So behalte ich ein wenig Kontakt und kann auch noch etwas weitergeben.
Es ist so wichtig, Dinge von Hand herzustellen und sich als Urheber zu wissen.
Ich habe gemerkt, dass ich gerne Lehrerin war und dass ich gern etwas an Kinder weitergebe.
Überhaupt die Gespräche! Die Gespräche mit Kindern gehören zum Besten überhaupt.

Ich will ihnen nicht auf die Nerven gehen, auch muss für mich die Dosis stimmen. 

Andere Dinge werden wichtig. Zur Zeit besuche ich eine Philosophievorlesung an der Humboldt-Universität und lese viel dazu. Das ist so spannend!!!

"Und Du verreist gar nicht?" Eine häufige Frage. Das sind meine Reisen! Es entwickelt sich etwas Neues. Etwas verändert sich und vieles bleibt erhalten.

Allen, die dieses Blog lasen, danke ich sehr!
Bleibt gesund und lasst von Euch hören!

Eure Minna





Donnerstag, 9. Juni 2016

Nicht so aufdrehen.

Vielleicht sollte ich mit meiner Kritik nicht so aufdrehen.
Vielleicht erwarte ich zum Ende von drei gemeinsamen Jahren zu viel.

Vielleicht macht es generell nur ganz wenigen Menschen Freude, von sich aus gedankentätig zu sein, wenn nicht Druck oder Pflicht oder Belohnung, also ausgesprochene Sekundärmotive, dahinterstehen.
Wenn es anders wäre, sähe es in der Welt insgesamt besser aus. ; )

Vielleicht verlange ich deshalb auch zu viel.

Vielleicht belastet es die Kinder, dass sie immer noch nicht wissen, wer mit ihnen später als Klassenlehrerin arbeiten wird.

Wenn sie die Person schon kennen würden und sich darauf auch freuen würden, wäre das sicher für sie sehr schön und beruhigend.

Also sollte ich mal einen Gang runterschalten.



Auch, wenn einige Kinder sich in anderen Zusammenhängen (Sport, Schwimmen) nicht ganz tadellos verhalten.

Auch, wenn es Gründe gibt, so wären sie doch recht schwer für sie zu formulieren, weil sie vielleicht nicht so klare Gestalt haben. Das wissen wir doch auch von uns als Erwachsene.

Im Großen und Ganzen haben wir drei gute Jahre miteinander gehabt und uns wechselseitig ganz gut vorangebracht. 

Die Konzentration und, ja: "Hingabe" an die Sache gestern beim Museumsbesuch - das ist nur möglich, weil die Klasse grundsätzlich eine gute Einstellung zu Sachen hat und eine gute Haltung, sich in sie einzuarbeiten.

Es gab kein einziges Kind, das gestern im Museum nur herumgelaufen wäre und nichts gemacht oder andere Kinder abgelenkt hätte. Alle haben Verbindung aufgenommen und waren tätig. Alle.

Irgendetwas in den anderen Situationen mit diesen Vorkommnissen erscheint ihnen wohl auch widrig, aber die Kinder können es aus sich heraus nicht so  formulieren.

Schluss also mit dem Grummeln.

Das ist ein guter Einstieg in den neuen Tag.

Salam. Schönheit der Schrift und Poesie des Augenblicks.

Mein letzter Museumsbesuch als Lehrerin. Tag 22



Wilde Rosen in der Schulhecke.
Sie duften nicht, aber ihre Farbe ist
überwältigend schön.

Heute bekam ich ein charmantes Kompliment. Ein Schüler sagte beim Hereinkommen in die Klasse: "Deine Frisur steht Dir aber gut!" Hey! DER Junge kommt durchs Leben!




Die Blüte unserer Aquarienpflanze.
Anmutig.

Für heute hatten wir uns den Besuch des Museums für Islamische Kunst 
vorgenommen. Die Klasse 3 c ging zusammen mit Amani, der islamischen Religionslehrerin und Minna zum Museum am Kupfergraben.


Die Führung hieß "Reise durch den Orient". Mit meinem Versuch, Orient und Okzident, Morgenland und Abendland anhand der Sonne zu erklären erlitt ich heute früh Schiffbruch....

Am U-Bahnhof Friedrichstraße stiegen wir aus und klärten gemeinsam, von wem der Bahnhof und die Straße ihren Namen haben.
Wir sprachen über Friedrich II, den Alten Fritz, und wie er den Preußen half, nicht zu verhungern, indem er aus Südamerika die Kartoffel einführte und hier heimisch machte.
Na ja, okay, nicht alles hat er gut gemacht. Aber das schon.






Vorher hatten wir noch Zeit und haben in der Klasse ein paar andere Fragen geklärt. Städte liegen an Flüssen, weil Menschen Wasser brauchen. Städte liegen oft an Stellen, wo der Fluss besonders flach war, so dass man Tiere hindurchführen konnte. So einen Weg durchs Wasser nennt man eine Furt.
Kennt Ihr Städte, die ...furt in ihrem Namen haben? Frankfurt. Schweinfurt. Lachen.
Kennt jemand die Meerenge vor Istanbul in der Türkei? Sie heißt Bosporus. Kannten sie nicht. 

Das ist griechisch und heißt "Rinderfurt". Bous war der Ochse und Poros der Weg.
Ich finde so etwas sehr spannend. Doch war ich recht allein damit, denn der größte Teil der Klasse döste friedlich vor sich hin.....

Böse Frage also:

...."Wie war es denn gestern beim Schwimmen? Habt Ihr gut aufgepasst oder saßen wieder welche auf der Bank??"

Es saßen wieder welche auf der Bank und der Schwimmlehrer hat sogaar geschrien! Stellt Euch mal vor! Das daarf der doch gar nicht....

Ich fing auch fast an zu schreien. 

Nun hatten wir zweimal lange darüber gesprochen.
Am letzten Mittwoch saßen neun Kinder auf der Bank, weil sie nicht zugehört hatten.
Beim Sport am Montag dann wieder vier. Und gestern wieder eine Handvoll.
Hey! Was ist da los??

"Schuljahresende, die Kinder sind müde. Die sind ferienreif," mutmaßte später unsere Erzieherin Katharina.

"Immer diese Entschuldigungs-(un)kultur," nölte ich, "ich will, dass es klappt, verdammt nochmal. Ich will NICHT wissen, warum es NICHT klappt.
Wir Großen müssen uns auch Mühe geben."
Also, das war nicht so der wahre Jakob alles.

"Ach ja, und wie heißt der Fluss, an dem Berlin liegt?" Zwei Kinder wussten es, dem Rest war es auch egal. Ich erzählte noch etwas von der Insel im Fluss und den zwei Gründungsdörfern Berlin und Cölln. Und was ist eine Insel?





Also - wie heißt dieser Fluss?
 Yey: Spree.

Diesen Gedankengängen folgten etwa vier Kinder. 

Der Rest wartete aufs Frühstück oder weißnichtwas, jedenfalls stieg meine Unlust angesichts der trägen Masse vor mir, die an Gedankengängen über Gott und die Welt null Interesse zeigte. Außer etwa vier Kindern, die bei allen diesen Fragen immer mitmachen. 

Sie wissen aber auch aus sich heraus ganz viel. Man spürt, dass sie über alles Mögliche ständig mit ihren Eltern im Gespräch sind. Doch sind sie in der starken Minderheit. Die anderen müssten erst noch wachgeküsst werden wie Dornröschen, aber sie warten nicht wirklich darauf. Sie denken an ihre Fußballkarten, die sie in der Tasche haben und wann sie endlich weiter tauschen können, so in der Art.
Vielleicht ist die EM bildungsfeindlich, weil sie zu viele Energien absorbiert. Im Ernst. Die Kinder sind zugeknallt und zugeschüttet mit kulturindustriellem Krempel, so dass kein Platz mehr ist für etwas Anderes.
Ich werde diese bekloppte EM boykottieren.

Die Mehrzahl der Kinder war einfach nicht so, wie man sich eine Klasse vorstellt. Sie waren einfach nicht so, wie ich mir meine Klasse wünsche. Frust. 


Okay, dann los. Die U-Bahn war voll. Alles ging ganz gut, wir gingen nach Norden und folgten nach Osten der Spree bis zur Museumsinsel.


Dann betraten wir das Pergamonmuseum und gingen am berühmten Ishtator vorbei hoch zum Museum für Islamische Kunst, nachdem wir unseren Kunstführer Stefan kennengelernt hatten.







Oben bekamen alle, die es wollten, einen Turban verpasst.






Stefan erzählte von den islamischen Ländern, vom Orient, und fragte, welche Länder das seien: Die Türkei, Syrien, die islamische Halbinsel. Die Sprachen, die da gesprochen werden, sind und waren persisch, türkisch und arabisch, auch paschtunisch und kurdisch.

Wie ist es denn im Orient? Es ist sehr warm, es gibt viel pralle Sonne und wenig Schatten.
Es gibt viel Wüste. Die Menschen tragen luftige Kleidung und Kopfbedeckungen, um sich vor der Sonne zu schützen.

Die Männer trugen Turbane. Es gibt im Orient große Wüsten und weniger Städte als in Europa. Dafür sind die Städte größer. Kairo in Ägypten hat etwa 10 Millionen Einwohner, Teheran, Persiens, Irans Hauptstadt ebenfalls.
In Persien und der Türkei gibt es auch hohe Gebirge.
Wasser gibt es nicht überall, nur an bestimmten Stellen.

Stefan zeigt uns einen prächtigen Palast aus Jordanien. Er stand mitten in der Wüste und hatte einen großen Garten.
Ein reicher Herrscher hatte ihn bauen lassen.






Kunstvolle Steinbilder sind aus der Mauer herausgearbeitet. Was seht Ihr? Tiere. Fabelwesen, einen Vogel Greif, einen Zentaur, ein Mischwesen mit Tierkörper und Menschenleib.





Und hier? Einen Löwen und einen Ochsen. Was machen die? Sie sind ganz friedlich und trinken gemeinsam aus einer Schale. Wo kann man so leben? In unserer Welt? Nein. Wie heißt der Ort, an dem das so ist? Er heißt Pa-ra-dies.

Es ist eine Paradiesvorstellung, dass alle versöhnt und friedlich und ohne Kämpfe miteinander leben. (Ich liebe diese Vorstellung.)
Sie gibt es im Koran, aber auch in der Bibel.

Die Menschen im Orient lebten auch in Zelten, man nennt sie Nomaden oder Beduinen.
Schaut Euch die Teppiche an.

Amani und ich unterhalten uns über die filigranen Teppiche und das schöne Blau, das man immer wieder sieht.
Wie kamen die Menschen zu solch wunderbaren Farben? Das Blau war wahrscheinlich vom Lapislazuli, einem tiefblauen Stein.

Die Kinder hatten Klemmbretter, Stifte und einen Bogen mit Fragen bekommen. Sie sollten sich ein schönes Objekt anschauen und dazu etwas schreiben, eine Art Steckbrief.





Und schon waren sie komplett eingetaucht und mit Sehen, Wahrnehmen und Beschreiben beschäftigt.








Mit großer Konzentration und in Gemeinsamkeit kamen sie der Aufforderung nach. Welch ein Unterschied zu heute früh! Sie waren richtig gepackt und eingenommen von der Schönheit der ausgestellten Objekte.




Charlottes Steckbrief





Schule des Sehens - und welche Konzentration!


Dann zeigte Stefan uns die arabischen Schriftzeichen und wie sie von rechts nach links gelesen werden und dass die kurzen Vokale dabei fehlen.





"Slm" Salam. Friede.




Er schrieb das Wort und forderte die Kinder zum
Schreiben auf.




Alle probierten es. Rabia schrieb es später so:





Stefan erklärte die einzelnen Zeichen und die Buchstaben. Er meinte, es sei nicht so schwierig, das zu lernen. Amani bestätigte das. Das Arabische ist sehr lauttreu und es gibt festgelegte Zeichen für jeden Laut. So könne man es relativ schnell lernen.





Aalisha kann das gut.





Kleiner Zweifel: Sieht es richtig aus?





Nala füllt gleich ein ganzes Blatt.



Zum Schluss verteilte Stefan bunte Bögen und forderte die Kinder auf, den Steckbrief eines anderen Kindes nach den Angaben auf dem Blatt zu malen.



Diese Arbeiten nahmen wir mit in die Schule. 75 Minuten waren wie im Flug vergangen. Später sagten einige Kinder "Das war schön!", ohne dazu aufgefordert zu sein.
Es war sehr intensiv und kindgerecht gewesen. 

Herzlichen Dank an Stefan!
Er sagte uns noch "Auf Wiedersehen!" auf arabisch.

Ich war vom Kunstgenuss noch so verzaubert gewesen, dass ich meine Jacke an der Garderobe vergessen hatte. Aalisha brachte sie mir, die Kinder lachten und sie klopfte mir mütterlich-freundschaftlich auf den Rücken: "Ist nicht so schlimm...!"
Auf dem Rückweg fragte Aalisha: "Wann machen wir wieder ein Projekt?" Ihr hatte die Projektwoche "Papier machen aus Altpapier" im letzten Jahr sehr gut gefallen.

Schule ist ein Wechselbad.
Manchmal denkt man, es geht gar nichts. GAR NICHTS.
Fürchterlich.
Dann gibt es Momente, da ist man so sehr berührt, verzaubert, hingerissen und eingenommen von der Poesie des Augenblicks, die von den Kindern kommt und die Erwachsene einfach so nicht hinkriegen.

Ja, das werde ich vermissen. :' (

Heute kam das Schreiben. Nach dem 31.7. bin ich pensioniert und keine Lehrerin mehr.
Dann muss ich allein ins Museum gehen.

Mittwoch, 8. Juni 2016

Ein Tag ohne Ecken und Kanten

Mal schnuppern: Den Duft des Tages 23

Es beginnt mit einem Gespräch. Worüber? Später weiß man es fast nicht mehr und es muss aus dem Wust, der sich darauf- und dahintergelegt hat, herausgekramt werden.

Es ging um die Wichtigkeit des Schwimmens, dass man es können sollte und eine Nachricht in den Zeitungen: In Brandenburg war vor zwei Tagen ein Kind in einem Badesee ertrunken....

Es ging auch darum, dass ich die Kinder fragte, warum viele sich in der letzten Zeit so regelfern und so "besonders" verhalten. Ob es etwas gibt, das sie verärgert hat, so dass sie sich zurückgezogen haben? Ich kenne sie so eigentlich nicht. Sie sind lebendig und expressiv, aber nicht grundsätzlich in Gruppen völlig losgelöst von allen Regeln.
(Manchmal bekommt man von Kindern auf solche Fragen tatsächlich eine Antwort, die weiterführt.)

Ich kann deutlicher werden und auch mal jemanden verbal anrempeln, wenn ich die gleiche Sache zum sechsten Mal sagen muss und immer noch nichts passiert ist.

Aber dass ganze Gruppen sich so ausgeklinkt verhalten, kenne ich nicht und es sieht der Klasse eigentlich auch nicht ähnlich, verlangt eigentlich nach einer tiefer liegenden Erklärung.

Ein Mädchen bezieht es aufs Schwimmen und sagt: Es geht alles immer viel zu schnell.

Das Schwimmen am Mittwoch in drei Schwimmgruppen nacheinander ist wirklich bis in die Minute durchgetaktet, das würde mich als Kind auch stören. 
Aber nur fünf weitere Kinder empfanden auch so.

Sonst haben wir keinen stimmigen Grund gefunden, und so sind wir verblieben, dass sie sich heute beim Schwimmen aufmerksam zeigen werden. 

Aufmerksam sein, das muss man manchen Kindern erst deutlich machen, heißt, den anderen zum Beispiel anschauen, während er zu einem redet...

In der zweiten Stunde machten wir Mathe-"Gymnastik", einfach ein wenig üben und die Dinge flüssiger machen.

Antonia, meine Ex-Kollegin,  kam und arbeitete mit der schwächeren Lerngruppe.
Inzwischen kam Johannes' Mutter und brachte zur Anschauung  "Karlchen", ein Skelett, sowie einige Gelenkformen im Modell. Wunderbar!

In der Pause arbeiteten zwei Mädchen mit mir am Aqarium, Jonina und Rabia machen das ganz großartig.

Den Strom ausstellen, bevor man ins Wasser fasst. Wie saugt man den Bodenmulm weg, wieviel Wasser darf man wechseln? Wie füllt man Wasser ein, ohne alles aufzuwirbeln usw.

Wir lassen das kalte Wasser aus der Leitung erst einmal ein wenig durchlaufen, weil es im Aquarium für die Goldis mit 28 Grad C zu warm war. 
Zum Schluss haben wir es auf 23 Grad "heruntergebracht", die Pumpe gereinigt und mit dem Wasser aus dem Aquarium, das ein sehr guter Naturdünger ist, alle Pflanzen der Klasse und des Vorraums gegossen.

Im anderen Aquarium hat eine Pflanze eine wunderschöne Blüte bekommen!!

Dann war die Pause zu Ende, die anderen Kinder kamen hoch und wir hatten viel Freude beim gemeinsamen Reinigen gehabt!!

Da Antonia da war, war es nicht sinnvoll, sich nun im Sitzkreis gemeinsam über den Knochenmann zu unterhalten, so haben wir weiter das Vorlesen intensiv geübt. Antonia und ich bekamen vorgelesen und verbesserten und gaben Hinweise, was gut war und was man noch besser machen kann.

Ich habe auch Audio-Mitschnitte gemacht und so konnten sich die Kinder einmal selbst hören. Sie zeigten sich sehr erstaunt.

Kennen wir unsere eigene Stimme? Fotos werden andauernd gemacht, aber die sinnliche Wahrnehmung der Stimme, das, was das Ohr alles herauszufinden vermag, das ist, um ein falsches Bild zu benutzen, doch insgesamt etwas unterbelichtet.

Danach sprachen wir darüber, was wir bemerkt hatten, was gut am Vorlesen gewesen war und was noch besser werden könnte. Einige Kinder lasen schon deutlicher als gestern, schliffen nicht mehr so über die Endsilben und Endlaute rüber. Johannes betonte wunderbar lebendig!




Antonia, entspannt, nimmt sich Zeit für die Kinder.

Gemein, wie Lehrer sind, kündigte ich einen Klassenwettbewerb an und fragte auch Helena, die Mutistin ist und nicht spricht, ob sie ihrer Mutter zu Hause aufs Handy aufgenommen einmal etwas vorliest, und ob ich das hören darf, ob sie sich das mal überlegen mag...Sie wirkte unentschlossen.

Dann war die dritte Stunde zu Ende.

Die Kinder bereiteten sich aufs Schwimmen vor und gingen.

Ich aß in der Mensa ein sehr schönes Nudelgericht, sitze jetzt beim Friseur und freue mich über diesen wunderbaren kleinen Schultag, der sehr anregend und schön war. 



Gesehen beim Friseur:
Kaffeetassenuntersatz mit Lebensweisheit,
die man auch nicht unterschätzen sollte.
Mit dem launigen Sätzchen sind aber nicht unsere Kinder gemeint!


Manchmal fühlte ich mich so, als sei Antonia mit mir gemeinsam in der Klasse als Lehrerin, so wie es früher während etlicher Jahre der Fall gewesen war.

Alte "Lenauer" Zeiten kamen wieder hoch. War das schön und entspannt gewesen und mit sehr viel Freiheit in jeder Hinsicht, zeitlich und inhaltlich! Weil die Pädagogik zählte und dann kam lange nichts.
Bürokratie schon gar nicht.

Nun ist Antonia seit sechs Jahren pensioniert, aber ich hatte ein paar alte Lenauer Déjà-Vus, die einfach ganz herzerfrischend waren. Danke, Antonia, danke den Kindern!

Ich hoffe, sie haben beim Schwimmen auch gut aufgepasst!

Morgen gehen wir ins Islamische Museum.
Hier ist ein Text über einen früheren Besuch aus dem Jahr 2013:

Islamisches Museum - Besuch 2013

Mittwoch, 25. Mai 2016

Entsorgung der Vergangenheit - Die bunte Tonne




Das ist sie. Die bunte, von Kindern einst bemalte Tonne. Ich weiß nicht, wer sie bemalte, auch Frau Biel, die die Schulschafe Jahre vor mir betreute, kann sich nicht erinnern, wer dieses Gefäß so liebevoll bemalt hat.

Sie erinnert sich aber, dass die bemalte Tonne einst als Sammelgefäß für trockenes Brot für die Schafe im Foyer der Schule stand.

Diese Tonne tauchte 2014 bei Aufräumarbeiten auf. Sie stand schon im Riesencontainer zum Abtransport, als ich unseren Hausmeister bat, sie wieder herauszunehmen und sie aufzubewahren, bis ich eine Verwendung für sie gefunden hätte.






Hin und wieder fragte ich ihn, ob die Tonne noch da sei, und er bestätigte es mir. Dann sagte ich ihm immer, er möge sie bitte behalten, bis ich sie abhole.




Nun war es soweit. Ich hatte Herrn Kunde, dem Schäfer, der die ehemaligen Schulschafe bis heute auf seinem Hof betreut, von der Tonne erzählt und ihn gefragt, ob er Verwendung für sie habe. 

Er meinte, ja, er würde sie gern übernehmen und das alte Brot, das er regelmäßig von einem Berliner Restaurant übernimmt, darin sammeln. Ich freute mich und dachte, sie passt ganz prima auf seinen Hof, wo öfter Schulklassen oder einzelne Kinder die Schafe besuchten.




Heute morgen war ich früh in der Schule. Als ich unseren Hausmeister traf, bat ich ihn, nun die Tonne für mich herauszustellen. Ich wollte sie in die Schäferei mitnehmen.

Er teilte mir mit, dass es die Tonne nicht mehr gäbe, sie sei versehentlich beim letzten Mülltransport abtransportiert worden....

Ich hatte keine Worte mehr. Mir schossen die Tränen hoch und von ganz drinnen im Körper entfesselte sich ein Schmerz und ein Weinen, das nicht mehr aufhören wollte.

Plötzlich merkte ich, dass ich mir eine große Gewalt antun würde, wenn ich das einfach übergehen, meine alltägliche Berufsausübung jetzt in die Hand nehmen und einfach weiter "funktionieren" würde.

Das ging nicht. Ich floh, sagte dem Konrektor noch, dass es mir heute sehr schlecht ginge, ich müsse jetzt nach Hause und war weg, noch bevor die anderen Kollegen kamen und mich so aufgelöst gesehen hätten.






Das ist die Tonne vor dem verwaisten Schafstall. Es war ein dreifacher Schmerz. Zunächst ging es mir um
den Verlust dieses schönen, unter Anleitung von Kindern einstmals außerordentlich liebevoll bemalten Gegenstands, der für mich eine große Wertschätzung der Schafe, der Hühner und der Kaninchen spiegelte, die auf dem kleinen Schafehof damals gehalten wurden.

Dann, dass die Schönheit und Besonderheit dieses Gegenstands sich den heute damit befassten Leuten nicht mitteilen konnte.

Zuletzt, dass mein persönlicher Wunsch so brutal ignoriert, genichtet wurde, so, als sei ich mit diesen Wünschen kein ernstzunehmender Teil dieser Schule. Das war für mich sehr demütigend.

Es ist anscheinend wirklich Zeit für mich zu gehen.

Vorher hatte ich noch die große Gießkanne in der Hand. Die große Monstera-Pflanze im Vorraum von Büro und Schulleitung hatte neue, schöne eingerollte Blätter bekommen, weil sie mit dem Wasser aus den Klassenaquarien gegossen worden war.

Das hatte mich sehr gefreut, dass ich einen natürlichen Dünger für unsere Schulpflanzen entdeckt hatte und ich wollte vor dem Unterricht noch einen Wasserwechsel im Aquarium machen und der Monstera das entnommene Wasser weiter als "Nahrung" geben.
Ich war also guter Dinge gewesen heute morgen und voller positiver Energie.

Durch diese Missachtung, wie ich es empfand, war all diese Energie plötzlich zusammengefallen und weg und ich war ein heulendes Elend darüber, dass alles immer so widrig ist und die Sachen, die mir wichtig sind, den Anderen so unwichtig sind und die Sachen, die ihnen wichtig sind, für mich so widerlich.

In dieser Schule war es mal schön. Ich habe nie die Arbeitstage gezählt. Das war einmal ein lebendiger, wirklich spannender und lehrreicher Ort. Da waren die unterschiedlichsten Individualisten, die ganz viel Energie und Impulse, pädagogisches Denken und Handeln einbrachten und es miteinander teilten und eine Schulleitung, die uns Freiheit und Anerkennung gab und die Schüler und uns vor der Verwaltung und Bürokratie quasi "beschützte".
Wir guckten nicht auf die Uhr und waren auch an Schulferientagen freiwillig da. 

Das war heute eine défaite, ein Scheitern, eine Niederlage. Das Eingeständnis: Es ist eine Einöde geworden. Es ist noch das gleiche Gebäude, aber es lebt nicht mehr darinnen.

Ich will da nicht mehr sein. Meine Zeit dort ist vorbei.
Bei den Kindern werde ich mich entschuldigen, dass ich heute nicht da war.
Sie werden das verstehen. Kinder verstehen das. 
Hoffentlich.
Es tut mir Leid, dass sie heute vertretungsweise durchgereicht werden. Das ist nicht schön für sie.

Aber andere Menschen ernst nehmen können, heißt auch, sich selbst ernst zu nehmen.
Sonst geht das nicht.

Ich weiß nicht, warum die ganz wichtigen und richtigen Sachen zwischen Menschen, die unmittelbar einleuchten müssten, warum die so selten sind und auf die meisten (erwachsenen!) Menschen so abseitig, marginal und vernachlässigbar wirken.
Das werde ich nie verstehen.


Samstag, 7. Mai 2016

Unsere erste Deutscharbeit Teil 2

Na ja, sie ist schon eine Weile her, aber ich hatte versprochen, sie ein wenig zu erläutern.

Es gab drei Schwerpunkte. Der erste war die Groß- und Kleinschreibung (Nomen, Satzanfänge).
Es gab drei kleine Texte. Die Schüler konnten wählen, wieviel sie bearbeiten wollten.

Jede(r) Schüler(in) der Klasse ist einer Leistungsgruppe zugeordnet, da, wo sie oder er sich auch selbst sieht. Man kann immer mehr oder Schwierigeres machen und sich "hoch"arbeiten.

Es gibt zudem Zusatzaufgaben, mit denen man ebenfalls noch Punkte machen kann.

So kann man Schwächen ausgleichen.
Das stachelt den Ehrgeiz und die eigene Leistungsbereitschaft schon sehr an, geht aber auf Kosten einer Übersichtlichkeit und Vergleichsmöglichkeit zwischen den einzelnen Kindern, die man eigentlich von der Sache her auch nicht wirklich braucht.

Wir beurteilen verbal. Das haben Eltern und Lehrerin zu Beginn der dritten Klasse so beschlossen.
Ich gebe ja gern zu, dass das auch mein Wunsch war, aber auch der der Mehrheit der Eltern.

Die Leistungsgruppen werden "Monde", "Sonnen" und "Bäumchen" genannt.
Die Bäumchenkinder benötigen noch viel Unterstützung und bearbeiten einfachere und weniger Aufgaben als die Leistungsmitte, die "Sonnen". Zu den "Monden" ist noch einmal ein großer Abstand in Schwierigkeit und Pensum.

Der Witz in unserer Klasse ist, dass die Leistungsmitte sehr dünn gesät ist und an den Rändern häuft es sich.

Wir haben also die klassische Normalverteilung sozusagen um 180 Grad gedreht. Das macht die Sache etwas knifflig.

Mit den verschiedenen Aufgabenniveaus und -umfängen kann jede(r) seine/ihre angemessene Aufgabenschwierigkeit finden und es kann eigentlich nicht sein, dass es jemandem zu leicht oder zu schwer fällt.

Aus Motivationsgründen ist das wichtig. Motivierend ist eine mittlere Schwierigkeit. Sie hilft, "auf der Piste" zu bleiben.
Zu leicht ist keine Herausforderung, an der man sich ausprobiert, zu schwer ist entmutigend.

Durch die eigene Wahl des Niveaus steigt die Sicherheit der Selbsteinschätzung beim Kind, aber auch die Motivation, Grenzen zu überwinden, voranzuschreiten.







Die "Bäumchen" bearbeiteten bei der ersten Aufgabe einen Text von dreien, die "Sonnen" zwei, die "Monde" drei der gleichen Schwierigkeitsstufe bei der Groß- und Kleinschreibung. Für jeden Text konnte man maximal acht Punkte erreichen.




Hier wird es peinlich: Falsch korrigiert. Hmmh.
Bach, Band, beginnen, begleiten, Berg, blau,
Blumen, braun.
Der Berg war falsch eingeordnet,
der Rest stimmt.


Die zweite Aufgabenstellung war, Wörter nach dem Alphabet zu ordnen. Hier gab es zwei Schwierigkeitsstufen:

Die erste war für alle Kinder. Wörter mussten nach dem ersten Buchstaben richtig geordnet werden.
"Bäumchen" und "Sonnen" bearbeiteten nur diese Wörter, die "Monde" mussten Wörter ordnen, deren erster Buchstabe gleich war und sie mussten den zweiten bis vierten Buchstaben richtig alphabetisch einordnen und so die Reihe bilden. Das war wesentlich schwerer.

Später, im Wörterbuch, muss man das beherrschen, aber da spielt auch Intuition eine Rolle.
Viele Kinder finden mittlerweile im Wörterbuch durchaus ihre gesuchten Wörter.
Es stand auch zum Ordnen ein Extrablatt zur Verfügung.

Die dritte Aufgabe war, den Plural zu einem Nomen zu bilden. Das ist im Deutschen nicht so leicht. Manche Wörter bleiben gleich im Plural, andere haben en -s oder -e, bei manchen (a-ä, au-äu ) ändert sich der Stamm.
Das ist, besonders für die Kinder mit Deutsch als Zweitsprache, nicht so leicht.
Aber wir hatten vorher viele Wörter geübt.
Wieder verschiedene Schwierigkeiten oder Umfang.

Dann konnte man noch eigene Singular-Pluralformen bilden. Dies nutzten nur wenige Kinder.





Schließlich konnte man noch Zahlwörter bilden. Auch das war geübt worden, wurde aber nur auf freiwilliger Basis abgefragt.

Zum Schluss wurde alles zusammengerechnet und ein Tortendiagramm mit gelösten Aufgaben (grün) und ungelöst verbliebenen (rot) erstellt.





So wurde auch bildlich die Lernleistung verdeutlicht.
Einen sog. "Klassenspiegel" zu erstellen, war aufgrund der hohen Differenzierungen nicht möglich.

Es haben aber alle Kinder die Mindestanforderungen erfüllen können. Auch die leistungsstarken Kinder konnten sich ausgelastet fühlen.
Ein Mädchen war nach 18 Minuten mit allem(!) fertig!
Es standen 45 Minuten zur Verfügung.
Warum Abschreiben nicht möglich war?
Vor Tests stellen wir die Gruppentische zu Einzeltischen um. 
"Testmodus" nennen wir das.

Ich hatte ein gutes Gefühl mit dieser Deutscharbeit. Die Kinder gaben zum Ausdruck, dass sie sich gefordert fühlten, aber nicht überfordert.

Die schwache Gruppe, die alles richtig gehabt hatte, als sie mit der Kollegin die Arbeit geschrieben hatte, musste leider alles noch einmal machen.
Das ging nicht mit ganz rechten Dingen zu, meinte Minna.

So, jetzt habe ich diese meine Hausaufgaben gemacht.
Puh!

Bald gibt es die 2. Deutscharbeit. An den Aufgaben zu ihr arbeiten wir gerade.

Es werden sein: 

-Wortartenbestimmung unserer sechs Wortarten
-Wörterbucharbeit mit Verben, Nomen, Adjektiven
 Auffindeübungen
-Verben konjugieren in Präsens und Präteritum
-Sätze mit Präpositionen bilden und rechtschriftlich   angemessen aufschreiben.

Das üben wir zur Zeit.

Das war's für heute!
Schöne Grüße 

Eure Minna

Und wie erkennt man Namenwörter? Namenwörter sind Wörter für Namen von Menschen, Tieren, Pflanzen und Dingen. Man kann derdiedas davorstellen. Namenwörter schreibt man groß. Satzanfänge auch. Von 10 Wortarten schreibt man nur eine groß. Im Zweifelsfall schreibe klein!


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Ich halte nicht viel von: "Groß schreiben wir, was man anfassen kann..."

Glück, Freiheit kann man nicht anfassen.
Zudem fällt mir immer dazu dieser Witz ein:

"Fritzchen", sagt der Lehrer, "welche Wörter in diesem Satz schreibt man groß? Der Hund sitzt hinterm Ofen."

Fritzchen: "Der - kann ich nicht anfassen. Klein. Hund- kann ich nicht anfassen, der beißt, also klein. Sitz - kann ich anfassen. Groß. Hintern-kann ich anfassen. Groß. Ofen kann ich nicht anfassen - zu heiß." (der hund Sitzt Hinterm ofen.)
Deshalb lasse ich als Lehrerin das mit dem Anfassen beim Großschreiben im Rechtschreibunterricht lieber. ;)


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