Das war wohl jetzt schon die dritte Freiarbeitsphase in dieser Woche. Es fühlte sich richtig gut und ergiebig an. Es gab keinen Streit. Jede(r) kümmerte sich um das, was für ihn/sie interessant war, allein oder gemeinsam.
Die volle Harmonie. Es gingen keine Stunden "verloren" dadurch. Minna musste vertreten, hatte dadurch mehr Zeit in der Klasse und da erlaubte sie sich das. Aber das schmeckt nach mehr. Das ist keine vergeudete Zeit.
Das ist wunderbar sinnvoll angewendete Zeit, in der Kinder sich selbsttätig weiterbilden. Ja, so kann man das sagen.
Am Anfang fiel es einigen schwer, sich für etwas zu entscheiden. Ich nahm ihnen bald die Entscheidung ab. Dann fanden sie tatsächlich Freude an dem, was ihnen eigentlich vorgeschrieben worden war.
Die Regel ist: Wer etwas findet, was ihn interessiert UND intellektuell anregt, hat freie Bahn. Wer sich für nichts entscheiden kann, für die oder den entscheidet nach fünf Minuten ganz autoritär die Lehrerin. Basta.
Das ist als Rahmen akzeptiert.
"Darf ich auch Mensch-ärgere-Dich-nicht spielen?"
"Nee, das heißt FreiARBEIT und nicht Freispiel.
Spiele Mühle, Halma, Schach oder nimm ein Lernspiel."
Große Diskussion am Aquarium,
dem "Fischglas":
Haben wir nun zwei oder drei neue
kleine Goldies?
Gabriel fragt: "Wie sehen eigentlich Fischeier aus?"
Die klitzekleinen neuen Goldies
sind kaum zu sehen....
Sie verstecken sich zwischen den Pflanzen
aus Angst, für die anderen Futter zu werden.
Zwei zusätzliche Stunden Vertretung,
in der eigenen Klasse, heißt eigentlich nur:
Mehr Zeit für alles zu haben.
Also: Heute wieder zwei Stunden Freiarbeit.
Merts beleuchtetes Zimmer ist nun fertig.
Die Lampe an der Decke, die Batterie
links außen an der Wand, der Schalter vorne an der Tür.
Die Koordination dieser Dinge
braucht ein wenig Hilfe der Lehrerin.
Genüsslich basteln wir es gemeinsam zu Ende.
Vier Mädchen haben nun "Feuer gefangen" und sich
im Deutschlehrgang gemeinsam festgebissen.
Für mehr als eine Zeitstunde.
Immer wieder kommen sie und fragen etwas
oder zeigen, dass sie eine Seite schon wieder
beendet haben. Ist es richtig gemacht?
Dann eilen sie zu ihren Plätzen zurück
und machen weiter.
Die Geschichte mit dem Hund
setzt sich fort.
Rimas ist im Modus der vollen Konzentration.
Warum?
Weil es ihn etwas angeht.
Ununterbrochen zeichnet er, schreibt dazu
und will es zeigen. Wir sprechen darüber,
was sein Hund so alles erlebt.
Nebenan sieht es nicht anders aus.
Wenn man bedenkt, dass die beiden, Pavel und Rimas
ganz oft aus Herzenslust Faxen machen,
ist das hier ein besonders schönes Bild.
Moritz malt auch mit.
Er schreibt dazu etwas in der nächsten Woche.
Pavel zeigt einen kleinen verletzten Adler,
den er auf seinem Bild heilt.
Ein Schlimmling hat den mit einem Pfeil verletzt,
der Schlimmling sitzt dafürim Gefängnis.
Das geschieht ihm recht, meint Pavel.
Dem Adler geht es schon wieder besser.
Amina und Nala probieren, ob die Batterie
in einen Schachtelschrank im Zimmer passen könnte.
Nala kann den Stromkreis nun ganz alleine
zusammenschrauben. Sie hat viel gelernt
und zeigt Amina, wie es geht.
Beim Einbau ins Zimmerchen ist aber
noch etwas Lehrerinnenhilfe notwendig.
Lilly hat innerhalb von drei Tagen härtester Arbeit
ihren kompletten Schreibschriftlehrgang heute beendet.
Alle applaudieren ihr.
Nun malt sie eine Kohlmeise aus dem Gedächtnis.
Verflixt, irgendwo liegt das Plakat
aus dem Naturkundemuseum mit den Vögeln
aus Wald und Garten.
Aber wo??
Mist, es ist nicht zu finden. Sehr blöd.
Doch Lilly stört das nicht.
Die Wohngemeinschaftsgruppe zeigt stolz ihren neuen Boxsack.
Sehr cool. Toll, wenn wir einen echten hätten.......
Dann könnte man sich ab und an mal ein wenig abreagieren.
Am Lagerfeuer sitzen und dann in den Pool springen -
das ist die Sauna!
Einige waren mit der Säge und Holz
lange Zeit draußen verschollen.
Sie haben die Zeit mit dem Holz sehr genossen
und ohne Mühe haben sich ein paar Ideen
eingestellt:
Alina stellt ein Domino auf,
an dem alle drei Mädchen gesägt haben.
Eigentlich hatte ich sie hereinholen wollen.
Wie kann man denn nur eine Zeitstunde lang
vernünftig sägen??
Aber gegen das, was sie machten, war
wirklich nichts einzuwenden.
Klackediklack --
das Domino funktioniert.
Verwandlung....
"Das ist ein Baum", sagt Laura.
"Und nun ist's eine Treppe."
Die Freiarbeit war ein voller Erfolg. Jede(r) kam weiter, so viele Ideen tauchten auf, niemandem war es langweilig. Ganz stille Kinder, die sich sonst nie zeigen, von denen man schwer Eindrücke gewinnt, sie ließen nun erkennen, was sie interessiert und womit sie sich gern beschäftigen, wie subtil, wie zart sie beobachten und Dinge ganz wenig umgruppieren, so dass fortlaufend ein neuer Kontext entsteht, an dem sie sich gemeinsam erfreuen.
Es dauerte eine halbe Stunde, bis alle sich irgendwo "festgebissen" hatten und dann trug sich die ganze Sache wieder einmal ganz von selbst.
Selten sitze ich als Lehrerin so entspannt in einem scheinbaren Chaos, das innerhalb von einigen Minuten wie von Zauberhand wieder verschwunden war.
Dabei erzählt man sich auch manches, das sonst verborgen geblieben wäre.
Gestern erfuhr ich auf diese Weise durch die Kinder, dass Matti geheiratet hatte, wie seine Frau heißt, dass die und die eine Frau geheiratet hatte und dass auf der Straße sich Frauen geküsst hätten, ganz unspektakulär einfach so ganz viele Sachen eben.
Das war spannend.
Es lohnt sich, wenn man sich Zeit nimmt. Immer.