Heute, am Donnerstag, musste Minna zu Hause bleiben. Damit es morgen weitergehen kann. Meine Strategie ist immer: Früh fehlen, und dann nur einen oder zwei Tage, so geraten die gesundheitlichen Dinge nicht zu sehr außer Kontrolle.
Gemäß einer chinesischen Einsicht (die aber woanders besser sprachlich formuliert ist): Beeinflusse Vorgänge, wenn sie sich noch in der Anfangsphase befinden und noch keine Eigendynamik entwickelt haben.
Aber gestern war's schlimm. Indianische Tugenden waren gefragt. Ein Muskel längs der Wirbelsäule hatte sich verdrahtet und löste enorme Schmerzen aus.
Ruhe, Wärme, Massage. Alles vorhanden. Also wird es bald wieder "gehen".
Aber gestern, vier Stunden lang, war mein "schöner" Tag. Klar, die einzige Förderstunde fiel aus, das wundert keine(n) mehr, wenn sieben Lehrer fehlen und alle vier Stunden vertreten lassen von den Verbliebenen und Entkräfteten....nee, das ist nicht wirklich eine Lösung. Also war ich da.
Ich kann das nicht unterschlagen, das macht derzeit unsere Situation aus, dass uns der größte Teil der Förderstunden für Vertretung flöten geht.
Will meine alten Lamenti nicht wiederholen. Steht schon alles hier an anderer Stelle.
Ich warte nur noch auf Leute, mit denen zusammen ich ein paar kreative Aktionen durchführen könnte, um die Friedhofsruhe über den Schreibtischen der A15er im Interesse der Sache und der Betroffenen zu stören.
Immerhin stand gestern kein Auto auf dem Schulhof. Man wird bescheiden.
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Der gestrige Tag, der Mittwoch, mein Lieblingstag.
Die Besucher. Ein Flow von vier zusammenhängenden Stunden. Keine Störung durch anderweitige Notwendigkeiten im System Ganztagsschule.
Gestern fand ich einen Hinweis auf ein Buch zum Thema, und vielleicht werde ich es mir kaufen, denn mir verselbständigt sich hier zu viel unter dem Label Ganztagsschule.
Scheint mir ein Ausfluss linken Paternalismus zu sein, der Betroffene traditionell als handelnde und empfindende Individuen mit persönlichem Eigensinn negiert, um an ihnen selbst vorbei Segnungen zu installieren, die man nicht mit ihnen abgesprochen hat.
Rainer Stadler: Vater Mutter Staat
Vater, Mutter, Staat
Die betreute Generation
Irgendwas läuft hier falsch. Wie sonst ist das wachsende Unbehagen von Eltern zu erklären, die ihre Kinder kaum noch sehen, weil sie im Büro sitzen, vorgeblich um sich selbst zu verwirklichen? Wie die Untersuchungen zu Stresshormonen bei Krippenkindern, die hier locker mit Topmanagern mithalten? Warum überlassen immer mehr Eltern die Verantwortung für ihre Kinder ganz selbstverständlich fremden Menschen? Eltern, die in ihrer Jugend noch "We don t need no education" riefen. Eltern, die ihren Kindern Pippi Langstrumpf vorlesen. Rainer Stadler, Journalist und Vater, macht sich auf die Suche nach Gründen für den Sinneswandel und erkennt ein System: Aus kühl kalkulierten ökonomischen Gründen propagiert eine Koalition aus Politik und Wirtschaft seit Jahren den massiven Ausbau der Kinderbetreuung und hat das Leben der Familien und der Gesellschaft insgesamt tiefgreifend verändert. Wer sich gegen die verordnete Ganztagsbetreuung stellt, ist auch gegen Emanzipationund Förderung, jeder leise Zweifel wird damit im Keim erstickt. Rainer Stadler stößt eine längst überfällige Diskussion an. Sie betrifft uns alle.
http://www.wdr3.de/literatur/vater-mutter-staat102.html
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/krippenausbau-gebt-den-eltern-das-kommando-13243012.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2
Wenn man es besser weiß, was gut ist für andere, braucht man ja auch keinen Dialog mit Betroffenen.
Zurück zum Tag.
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Es begann mit einer gemeinsamen Sichtung des Wochenplans und der Frage: Was habe ich schon, wo stehe ich, wie kann ich markieren, was getan ist und dann sehen, was noch zu tun ist?
Das muss wohl eine Zeitlang öfter geübt werden, ebenso wie das Kopfrechenen, damit sich Strukuren einschleifen, die den Blick für Inhalte freimachen.
Dann besprachen wir den gestrigen Tag, einige Mädchen hatten die Gruppe verlassen und waren im Haus unterwegs gewesen, was die vertretende Erzieherin ganz schön Nerven gekostet hatte.
Eine Wiederholung und Erinnerung an die geltenden Regeln (die sollten wir mal verschriftlichen) war nötig.
Die Selbsteinschätzung der Gruppe, was das regelgemäße Verhalten anging, war mit "Vier", wenn man die Noten von 1 bis 6 nimmt, vermutlich realistisch.
Eine Gruppe von 26 Kindern, fünf Jungen, denen ein Gefühl für Lautstärke fehlt, wenn sie sich sprechend an jemanden adressieren, einige Mädchen, denen Regeln schnuppe sind, wenn keiner hinguckt und sie meinen, da wäre keine Strafe zu erwarten.
Das ist weder für die ständige Erzieherin, noch für eine Vertretung leicht.
Ich lese immer in Zeitungen, die Klassenstärke würde keine Rolle spielen. Das ist völliger Mumpitz, und ich verstehe es nicht. Wenn bei uns sechs Kinder fehlen, dann ist das eine ganz andere Atmoshäre, viel mehr dialogisch und mit viel weniger Konflikten.
Ich weiß nicht, wer aus welchen Gründen so was schreibt. Mit unserer Realität in den Klassen morgens hat das nichts zu tun.
Dann rechneten wir. Nachdem wir im Wochenplan individuell markiert hatten, welche Aufgaben schon gelöst waren. Frühstück, lesen und schreiben, arbeiten an den Buchstaben Ä,Ö,Ü.
Dann war die Hofpause. In der ersten Stunde kam Anna und ging mit Joyce in den Freizeitraum rechnen und lesen.
In der zweiten Stunde kam Antonia und half beim Rechnen aus.
Während der Hofpause fanden wir zwei erfrierende Pflanzen auf dem Hof, wir nahmen sie mit ins Haus.
Es war in der Nacht minus fünf Grad Celsius gewesen, sie standen noch vom Sommer da und sahen jämmerlich aus.
Dann rechneten wir noch ein wenig weiter. Wir mussten mit mehreren Lernformationen nämlich mit unseren zwei Räumen auskommen. Im Personalraum wurden zwei Kinder getestet, der fiel auch weg.
In der dritten Stunde kamen noch Edith und Matti dazu.
Matti half in der Klasse aus, Edith ging mit lesestarken Kindern zu einer "Forderstunde", denn diese Kinder brauchten Antonias Unterstützung nicht so sehr.
Antonia ging mit den rechenstärkeren Kindern ("Sonne und Mond") nach drüben. Sie bearbeiteten weitere Aufgaben aus dem Buch: Zehnerüberschreitung in Schritten, Aufgabenfamilien.
Wir, die "Bäumchen",blieben in der Klasse und wurden in die Zehnerüberschreitung erstmalig eingeführt.
Dazu gab es vorher Kopfrechnen mit den "verliebten Zahlen" (7+ ( ) = 10 etc.)
Zerlegungen, 6= 1+ ( ), 6 = 4 + ( ) etc) als Vorübung.
Dann legten wir los mit dem dreischrittigen Verfahren.
Nun hatten die Kinder schon drei Schulstunden lang
sehr gelenkt gearbeitet. Sie schaffen das immer besser und manchmal hört man, wenn man sagt: "Es ist Pause!" oder "Bitte die Hefte schließen.." ein "Och, schon?? Ich will noch weiter machen!"
Deshalb konnten sie jetzt, wenn sie das wollten, an anderen, sachkundlichen Aufgaben knobeln und basteln:
Einen Stern aus Goldpapier basteln,
das Zimmer aus dem Schuhkarton weiter einrichten
oder sich für die Schleifenolympiade am Freitag vorbereiten.
Viele wählten die Schleifen. Dabei war immer ein Kind, das es beherrschte, mit einem zusammen, das es noch lernen sollte.
Alina kann es.
Gabriel zeigt es Alissa und Pavel.
Alissa hat es später mit Bravour gezeigt,
wie gut sie es kann.
Lilly zeigt Sema, wie es geht.
Noemi kann es dann auch.
Wir haben alle möglichen Schuhe mit Schuhbändern klargemacht. Dass der Stiefel auf dem Tisch steht, nun ja.
Tahia zeigt, dass sie das Schleifen binden beherrscht.
Jasper zeigt es geduldig nochmal Pavel, aber der
springt hier und da hin und nimmt
es vielleicht nicht ganz so ernst...
Matti und Gabriel geben Rimas ein paar
Fingerzeige.
Derweilen sägt Noemi an ihrer Zimmereinrichtung
weiter.
(Der Tisch ist aber ganz geblieben.)
Auch Joyce kommt
mit ihrem Shoebox-Zimmer voran,
während Laura und Sema sich in die Betrachtung
des rieselnden Sandes versenken...
Klar doch - die Sanduhren sind ein
Riesenthama.
Manche Kinder sitzen davor und betrachten, wie der
Sand läuft und unten einen Hügel bildet.
Am besten und schönsten geht das bei der 30-Sekunden-Sanduhr,
da läuft nämlich am meisten raus...
Bodycheck, alter Schwede!
Jakob hatte flugs schon eine Beleuchtungsanlage
in sein Zimmer eingebaut. Man beachte das schöne Bild an der Wand.
Leider hat er sich dabei meinen einzigen Hebelschalter
zur Demonstration des Schalterprinzips angeeignet, den werde
ich ihm nochmal von der Zimmerdecke holen müssen.
Er bekommt dann einen Knopfschalter.
Mert ist jetzt auch in der Lage,
seine langen Schnürsenkel zu händeln -
und sehr froh darüber!
Jetzt muss er nicht mehr fragen:
"Kannst Du mir mal die Schuhe binden?"
Sechs bis acht Kinder haben es gestern gelernt. Das ist ein schöner Fortschritt. Glaubt mir jemand, dass es Fünft- und Sechstklässler gibt, die das niemals wirklich gelernt haben?
Es ist aber so.
Der Adventskalender aus dem Museum der Dinge hält als Überraschung für den 3. Dezember für uns ein Heft über Schattenspiele bereit. Das ist prima!!
Beim nächsten Bibliotheksbesuch beim Bilderbuchkino, gibt es bestimmt neue Schattenfiguren zu sehen.
Damit war die Schulzeit am Mittwoch vorbei. Noch ein Elterngespräch, Klassenbucheinträge und dann mit dem schmerzenden Rücken ab durch die Mitte!
Keine Korrekturen mitgenommen.
Der Hausmeisterei noch einen Hinweis gegeben: Wir brauchen alle Tische und Stühle eine Nummer größer! Wenn dann noch zwei bis vier Kinder die kleinere Größe brauchen, kann man das auch berücksichtigen. Doch die meisten Kinder sind aus diesen Möbeln herausgewachsen.
Wir haben in dem ganzen Trubel vergessen, unsere Buchstabensuppe noch einmal zu kochen.