Dienstag, 9. Juli 2013

Halbzeit

Tag 21 der Ferien. Die Hälfte schon vorbei. Heute vor drei Wochen teilten wir die Zeugnisse aus.

Ist das schön, Zeit zu haben, nicht gehetzt zu sein und über Unwichtiges zu schreiben!

Eine kleine Nervosität kam dann aber doch. "Du hältst Dich zu lang auf..In ein paar Tagen willst Du wegfahren, da ist noch dasunddas zu tun und: Jetzt schreib endlich mal die Briefe an die Eltern und die Kinder!" 

Ich hatte auf der Elternversammlung gesagt: "Bis zum 15. Juli haben Sie sie." Und heute ist schon der Neunte.

O.k., o.k. ist ja wahr, aber erst muss doch mal der Anstrich im Groben fertig werden...Sonst ist das doch hinten und vorne nichts....

Also, der moderne Mensch wird immer ein wenig nervös, wenn er Zeit verliert, wenn er sich an etwas verliert. Dabei ist das bestimmt die beste Art, sich mit Welt zu verbinden und dabei zu lernen.

Das Muße-skolé-Schule-Ding.

Und selbst? Steh ich es auch nicht durch, kommt Unruhe bei mir auf. Man hat zu viele Pläne und Fäden, die nebeneinander her laufen. Da darf nicht eines zu viel Zeit beanspruchen.

Und dann stellten sie mir heute die Bude mit meinem eigenen Kram zu, weil der Vorraum geputzt und versiegelt wird... Super. Mit der Farbe noch nicht fertig und schon ist die Bude wieder voll.


 

Wenigstens das Aquarium ist sauber jetzt. Hat auch eine Menge Zeit in Anspruch genommen, nur hat es schon um 10 Uhr eine Wassertemperatur von 28 Grad Celsius. Ohne Heizung. Der Raum ist einfach zu warm. Bei 30 Grad gehen die Fische ein....




Die Sonne knallt so durchs Fenster, dass dort Pflanzen es nicht aushalten werden. Mein Liebling, die große Zitronenpelargonie, stand im alten Klassenraum ganz am Fenster. Das kann ich ihr hier nicht antun. Bei einer Berührung verströmt sie einen ganz frischen, melisseartigen Duft, das macht sie so besonders.




Wenn das für die Pflanzen zu heiß ist, ist es für uns auch nicht angenehm. Die Pflanzen stehen alle jetzt irgendwo mehr hinten und sind so nicht der direkten Mittagssonne ausgesetzt. 

Einige werden ja auch im Vorraum sein, also auf der Westseite, dort ist es angenehmer für sie.





Mein schönes griechisches Alphabet. Mochte mich davon nicht trennen, obwohl...in der Alterstufe von fünfeinhalb bis sechseinhalb (Ja, so jung sind die Kinder, wenn sie in Berlin eingeschult werden. :/) wird man es nicht brauchen. Die Wannen zum Marmorieren werden sicher aber irgendwann gebraucht.

Schon ein seltsames Gefühl: Zu wissen, was man mit den Kindern nicht mehr machen wird. Beim letzten Mal waren wir von Klasse 1 bis 6 zusammen, und es wurde immer besser, hatte ich das Gefühl.

Dieses Mal wird es nur noch von Klasse 1 bis 3 sein. Aber vielleicht gibt es ja auch superschlaue Kinder, die sich von anderen Alphabeten angesprochen fühlen. Es bleibt also, nicht sehr exponiert, aber immerhin.

Dann war ich noch bei Modulor und habe 35 kleine Plastikdöschen gekauft. Für die Naturalien- und Gegenständesammlung.

Morgen mach ich frei. Donnerstag kommt die Katzenbetreuerin zu Besuch. Freitag muss ich nochmal zu "meinen" Schäfchen. Unbedingt.

Samstag fahren wir in den Hunsrück. Mit der Bahn und dem Fahrrad. Sehr abenteuerlich!

Schon die Buchung war ein Abenteuer. Der Herr bei "Titanic" hat eine Art Gesellenprüfung damit abgelegt. Titanic Südstern. Bahnschalter. Genial!!! Alle meine Klassenfahrten haben sie bravourös gut geplant. Sehr empfehlenswert.

Ich bin sicher, im Reisezentrum im Hauptbahnhof hätten sie DAS nicht geschafft. Über Hannover ist ja noch gesperrt, und zwei Leute mit Fahrrad einmal quer durch die BRD, das ist wirklich sehr, sehr schwierig zu buchen. Wahrscheinlich ist es einfacher, nach New York zu fliegen.

Die Bahn ist aber auch zu blöd! Ihren Unique Selling Point so sträflich zu vernachlässigen. Öko, Umwelt, Bahn, Fahrrad, Nachhaltigkeit, Fußabdruck. Fahrrad im ICE? NO! 

Wenn wir dort sind: Für jede Flasche Bier 15 km fahren, bergauf und bergab. Das ist spannend. Auto bleibt hier. Das wäre doch zu langweilig gewesen. 

Ich fürchte mich auch mehr und mehr, je älter ich werde, auf der Autobahn Tiertransporten zu begegnen. Es macht mich so fertig dann. Und es sind so viele in den letzten Jahren. Viel zu viele. Auch samstags. Da gibt es keine Gnade.

Mein Kätzchen lasse ich nicht gern allein. Aber es muss sein. Sie wird es gut überstehen.

Jedenfalls: Morgen keine Schule. Doch haaalt: Die Briefe! Die MÜSSEN jetzt geschrieben und verschickt werden. Keine Gnade auch für mich.


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Montag, 8. Juli 2013

Dann fließt es wieder...

Habe heute wieder vier Stunden lang in der Klasse gearbeitet und weiter Wände gestrichen.

Nachdem ich die Farben dieses Mal so schnell ausgesucht hatte, waren mir doch Zweifel gekommen ... Es war heute der vierte Tag. Doch je länger ich daran arbeite, desto größere Zufriedenheit stellt sich ein.

Vor allem auch, weil ich die vollständige innere Ruhe habe, nichts eilt oder drängt, alles fließt oder nicht. 

Dann ist eine Pause. Dann fließt es wieder. 

Es ist dieses passive Aktivsein, das die Griechen skolé nannten und wofür wir Deutsche ( viele Jahre lang in meinem Leben wäre mir das Wort "WIR Deutsche" niemals über die Lippen gekommen - ich wundere mich jetzt, dass es so leicht geht...), wofür wir Deutsche das schöne Wort Muße haben. Muße. Muße ist eines meiner Lieblingswörter.

Muße haben ist, einer Aktivität nachgehen, aber so hingegeben, so passivisch, so bereit, von außen, von der anderen Seite, etwas aufzunehmen, so entspannt, dass erstens etwas Gutes dabei herauskommen muss und zweitens, dass dieses Tun eine wahnsinnige Freude macht.

Umkehrschluss: Wieviel Freude nehmen wir uns durch unsere "moderne" Weise, uns selbst und Anderen Druck zu machen?

Skolé hieß ja auch "Schule" bei den "alten" Griechen.

Nun ja, Bildung war damals etwas Aristokratisches, hatte etwas vom großen Privileg. Wem Bildung zukam, der war von den Erfordernissen der Alltagsbewältigung freigestellt. Für den arbeiteten andere, die davon ausgeschlossen waren, also die Frauen und die Sklaven.

Und im Grunde war das ja noch bis 1800 so.

Das habe ich meinen Schülern immer erzählt. Denen, die jetzt weggegangen sind.

Ich ging also malernd müßig heute so wie die anderen Tage auch.
So sah der Raum aus, als ich ihn bekam.




Man hätte ihn so übernehmen können, wie er war. So sehr verranzt sah er nicht aus. Aber auch nicht anheimelnd. Eher wie ein Behältnis. So, wie das Gebäude ja auch kein Haus ist, sondern - eine schulische Bausünde der 70er Jahre - eher ein Gehäuse.

Nun bin ich, wie ich meine, auf einem guten Weg. Die Biofarbe riecht frisch und angenehm und eigentlich fast gar nicht. Sie dünstet nichts Schädliches aus und hinterlässt im Raum ein angenehm frisches Moment. 

Wo wird meine schöne riesige Zitronenpelargonie stehen? Die, die immer so frisch duftet, wenn man sie berührt...






Eigentlich ist der Raum verdammt klein. Ich sollte ihn mal ausmessen. Er war der von unseren beiden, der keine fest installierte Tafel hatte.

Normal wäre es klar: Die Lehrerin nimmt den Raum mit der festen Tafel, die Erzieherin als Freizeitraum den anderen. Doch bei uns ist es so: 

Ich werde in der Tendenz von acht Uhr bis 12 Uhr dort mit den Kindern im Unterricht sein. Meine Kollegin Hediye eher anschließend bis 16 Uhr.

Jetzt muss man die Lage betrachten und den Sonnenstand: Ihr Raum liegt gegen Südosten, unserer gegen Süden mit den Fenstern.

Was werden sie alle im Sommer auszustehen haben, wenn sie von 12 bis 16 Uhr in dem Raum mit der Südlage sind?

Also habe ich diesen Raum genommen, Tafel hin oder her. Ich finde, wir haben die Entscheidung auf eine sinnvolle Weise und im Interesse der Kinder getroffen. Wir können ja sowieso immer beide Räume nutzen!

Ich fand diesen Raum einfach irgendwie nicht schön. Ich mochte ihn nicht. Ihr Raum schaute auf Bäume, und die Bäume und ihr Grün schauen zum Fenster herein. Mein Raum blickt auf Beton und Häuser und sie blicken zu uns herein. Jetzt mag ich ihn etwas mehr.

Zwischendurch kam mir die Idee eines Naturalien-Memories - auch ein schönes Mittel zum Lesen - mit kleinen durchsichtigen Dös chen von Modulor . Also da muss ich ganz bald nochmal hin. Das ist eine Oase da, da MUSS man ab und zu mal sein und sich die wunderschönen Materialien ganz genau betrachten....



Wenn man davon so fünfzig Stück hätte, mit jeweils interessanten Materialien gefüllt, offen zugänglich auf einem Tablett, ... das würde Anlass zum Lesen geben und Erfahrungen mit Materialien ermöglichen. Das bauen wir also noch aus....

Für heute soll es reichen. Allen Leserinnen und Lesern, die bis hierher unverdrossen gelesen haben, wünsche ich einen wunderschönen Tag mit schönen Bildern und Eindrücken! :))

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Freitag, 5. Juli 2013

Tischsoldaten

Tag 17 der Ferien. Bin angekommen. Klingt für einen "normalen" Arbeitnehmer schlimm, deshalb mag ich es eigentlich gar nicht schreiben.

Er/sie muss an Tag 17 bestimmt schon wieder seine Arbeit bald aufnehmen...

Habe die erste Hürde genommen, die wirklich eine war. Die Farben sind ausgesucht. Davor hatte ich großen Respekt. Heute habe ich sie in der Fläche aufgetragen.

Vorher sah es so aus im neuen Raum. Als er ausgeräumt war:




Ich wollte dem Raum noch etwas Persönliches geben. Wollte die absolute Herrschaft des rechten Winkels brechen. Stelle mir eine Schülerin/einen Schüler vor, der/die sich vielleicht langweilt, woran kann sein oder ihr Blick hängenbleiben?

Zuerst hatte ich mir ein Modell gebastelt...



Die Maßverhältnisse in meinem Schuhkarton stimmten nicht mit der Wirklichkeit überein. Aber ich wollte sehen, wie die Idee ungefähr aussieht.




  
So sieht es "in echt" jetzt aus. Rechts soll eine Sitzecke entstehen, der freie Raum über dem Grün könnte mit einem schönen Kunstdruck ein Gegengewicht zum fülligen Grün auf der linken Seite bekommen. Und links am Fenster muss das Grün ganz oben an der Decke abschließen. Dann ist das Fenster besser in das Grün eingebettet. Es werden bestimmt keine Vögel draufgemalt und keine Sonne in den Himmel.

Als ich ging, gefiel es mir. Am Montag geht es weiter. Über der Tür geht das Grün noch weiter.



  
Alles wird ja noch sehr durch die Einrichtung "gebrochen" werden, also mehr in den Hintergrund treten. Doch die Farben gefallen mir. So falsch war der Kauf nicht.

Blumengießen nicht vergessen!!! Ich komme oben am alten Klassenraum vorbei. Vier Jahre haben wir darin gearbeitet. Jetzt sieht er so aus:





Die Reinigungsleute haben erst einmal Tischsoldaten aufgestellt. Ich stelle mir vor, Gruppentische würden im Bewusstsein der Menschen als "normal" empfunden werden. Dann sähe der Raum jetzt für mich nicht so abschreckend aus...